Klinische Neurophysiologie 2013; 44(04): 268-270
DOI: 10.1055/s-0033-1359855
Der besondere Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Subarachnoidalblutung und Okulomotoriusparese als Initialsymptom einer spontanen intrakraniellen Karotisdissektion bei zusätzlich vorliegendem A. communicans anterior-Aneurysma

Subarachnoid Hemorraghe and Isolated Oculomotor Nerve Palsy as Presenting Sign of a Spontaneous Intracranial Internal Carotid Artery Dissection in Combination with an Aneurysm of the A. Communicans Anterior
M. Abu-Mugheisib
1   Klinik für Neurologie, Klinikum Braunschweig
3   Institut für Kognitive Neurologie an der Techn. Universität Braunschweig
,
S. Joerdens
2   Institut für Röntgendiagnostik und Neuroradiologie, Klinikum Braunschweig
,
H. Sahl
2   Institut für Röntgendiagnostik und Neuroradiologie, Klinikum Braunschweig
,
A. Sieke
1   Klinik für Neurologie, Klinikum Braunschweig
3   Institut für Kognitive Neurologie an der Techn. Universität Braunschweig
,
K. Wessel
1   Klinik für Neurologie, Klinikum Braunschweig
3   Institut für Kognitive Neurologie an der Techn. Universität Braunschweig
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Further Information

Korrespondenzadresse

Mazen Abu-Mugheisib
Klinik für Neurologie, Klinikum Braunschweig gGmbH
Salzdahlumer Straße 90
38126 Braunschweig

Publication History

Publication Date:
11 December 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Ein Patient mit Kopfschmerzen, Subarachnoidalblutung und wenige Tage später auftretender Okulomotoriusparese ist zunächst verdächtig auf ein ophtalmoplegisches Aneursyma. Es ist daher eine konventionelle Angiografie erforderlich, um das Aneursyma zu bestätigen und gegebenenfalls interventionell zu verschließen. Im vorliegenden Fall war jedoch die DSA diesbezüglich zunächst unauffällig. Erst in der erweiterten MR-Bildgebung wurde als Korrelat der Trias aus Ophtalmoplegie, Subarachnoidalblutung und zusätzlichem, weitgehend asympomatischem MCA-Teilinfarkt überraschend eine intrakranielle Karotisdissektion im kavernösen Anteil erkennbar. Eine sorgfältige Darstellung der supraaortalen Gefäße mittels konventioneller Angiografie und MR-Bildgebung kann, wie in diesem Fall, zur Diagnose führen. Als konkurrierende Ursache für die Subarachnoidalblutung fand sich 14 Tage später in der zweiten DSA ein kleines R. communicans anterior-Aneurysma, das interventionell verschlossen wurde.


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Warum dieser Fall?

Der Fall beschreibt die seltene Ursache einer Okulomotoriusparese mit zuvor aufgetretener Subarachnoidalblutung bei Nachweis einer intrakraniellen Karotisdissektion sowie wiederum 2 Tage später nachgewiesenem A. communicans anterior-Aneurysma kombiniert mit einem ischämischen Hirninfarkt. Nur das Miteinander von konventioneller Angiografie und MR-Tomografie führt zur Diagnose.

Einleitung

Die akut auftretende Okulomotoriusparese ist üblicherweise assoziiert mit dem Nachweis eines ophtalmoplegischen Aneurysmas, anderer komprimierender Strukturen oder mikroangiopathischer Genese bei Patienten mit Diabetes mellitus oder arterieller Hypertonie. Eine seltene Ursache ist der Nachweis einer intrakraniellen Karotisdissektion [1] [2] [3]. Intrakranielle Dissektionen nehmen üblicherweise einen geringen Anteil an beobachteten Gefäßdissektionen ein, führen jedoch häufig zu schweren ischämischen Infarkten oder Subarachnoidalblutungen. Die Koinzidenz beider Erkrankungen ist dagegen eine Rarität [4].

Insbesondere Fortschritte in der nichtinvasiven Bildgebung führen zur vermehrten Diagnosestellung. Behandlungsoptionen wie die medikamentöse Therapie, chirurgische und endovaskuläre Eingriffe werden aufgrund fehlender evidenzbasierter Daten kontrovers diskutiert [5] [6] [7] [8].


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Fallbericht

Ein 59-jähriger Patient erwachte 3 Tage vor stationärer Aufnahme mit heftigen Kopf- und Nackenschmerzen ohne begleitende Bewusstlosigkeit oder fokalneurologische Symptome. Innerhalb von wenigen Minuten ließ der heftige Schmerz nach. Es verblieb ein leichter diffuser Kopfschmerz. Nachfolgend entwickelte sich bei dem wachen und adäquaten Patienten eine Okulomotoriusparese rechts. Computertomografisch ([Abb. 1]) wurde eine ausgedehnte rechtsbetonte basale Subarachnoidalblutung mit Einbezug der Sylvischen Fissur nachgewiesen. In der sofort durchgeführten konventionellen digitalen Subtraktionsangiografie (DSA) fand sich kein ursächliches rupturiertes Aneurysma, jedoch eine hochgradige, atherosklerotische Abgangsstenose der rechten A. carotis interna. In der MR-Angiografie zeigte sich eine im Verlauf des gesamten rechten Karotiskanals bis zur Bifurkation reichende langstreckige irreguläre Einengung des Gefäßes mit Flussminderung jedoch ohne begleitendes Aneurysma ([Abb. 2]). In der FLAIR-Sequenz und T2w zeigte sich der betroffene Gefäßabschnitt randständig langstreckig signalangehoben, zentral war noch ein Flusssignal vorhanden. Korrespondierend fand sich eine T1-Signalanhebung in den fettgesättigten Sequenzen als Korrelat eines intramuralen Hämatoms im Rahmen einer Dissektion der A. carotis interna in ihrem intrakraniellen kavernösen Segment ([Abb. 3]). Ferner fand sich ein bisher asymptomatisch verlaufener partieller Infarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media (MCA) rechts.

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Abb. 1 Im CCT Nachweis einer ausgedehnten basalen Subarachnoidalblutung mit Beteiligung der Sylvischen Fissur beidseits und parafalxial frontal.
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Abb. 2 In der TOF-MRA deutlich reduziertes Signal der rechten A. carotis interna als Zeichen einer Flussverminderung.
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Abb. 3 T1-Hyperintensität in den fettgesättigten Sequenzen als Korrelat eines intramuralen Hämatoms (Dissektion) der rechten A. carotis interna im intrakraniellen Segment.

Nach 15 Tagen trat eine erneute subarachnoidale Blutung auf. Eine zweite konventionelle Angiografie erbrachte – nach Sondierung über die hochgradige abgangsnahe rechte Karotisstenose – jetzt den Nachweis eines sehr kleinen (1,5 mm) Aneurysmas am Ramus communicans anterior ([Abb. 4a]). Mittels einer Coil-Embolisation konnte dieses verschlossen werden ([Abb. 4b]). Eine Intervention bezüglich der intrakraniellen Karotisdissektion war bei weiterhin fehlendem Hinweis eines assoziierten Pseudoaneurysmas nicht erforderlich. Im Verlauf kam es trotz Nimodipin zur Ausbildung vasospastisch bedingter Infarkte. Der modified Rankin Scale (mRS) bei Verlegung in die neurologische Rehabilitation betrug 4.


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Diskussion

Spontan auftretende intrakranielle (Gefäß-)Karotisdissektionen finden in der ätiologischen Zuordnung eines Schlaganfalls vermehrt Beachtung [9] [10]. Klinische Manifestation ist meist der hämorrhagische Schlaganfall im Sinne einer Subarachnoidalblutung infolge einer Ruptur der intrakraniellen Dissektion oder der ischämische Schlaganfall arterio-arteriell embolischer oder hämodynamischer Genese. Seltene und ungewöhnliche Symptome sind Affektionen einzelner Hirnnerven. Eine Affektion der Hirnnerven III, IV und VI tritt bei nur 2,6 % der Patienten auf [11]. Neben einer möglichen mechanischen Kompression infolge eines intramuralen Hämatoms im kavernösen Abschnitt werden eine hämodynamisch bedingte Minderperfusion der Vasa nervosum oder Mikroembolien infolge der Beteiligung der A. carotis interna an der Gefäßversorgung des N. okulomotorius postuliert [11] [12]. Ein fetaler Versorgungstyp der ipsilateralen A. cerebri posterior kann dies begünstigen [13]. Im vorliegenden Fall ist eine Kompression des N. okulomotorius im kavernösen Segment neben einer hämodynamischen Komponente wahrscheinlich. Eine detaillierte Beschreibung der diesbezüglichen anatomischen und topografischen Gegebenheiten des N. okulomotorius findet man bei Iaconetta et al. [14].

Der Nachweis einer intrakraniellen Dissektion ist vergleichbar zu Dissektionen im extrakraniellen Gefäßsegment. Der typische angiografische Nachweis gelingt mit Darstellung eines „Pearl and String-Sign“ oder „String-Sign“, einer irregulären Stenosemorphologie, eines doppelten Lumens oder einer fusiformen aneurysmatischen Gefäßerweiterung. Gelegentlich sind jedoch angiografische Befunde inkonsistent oder reichen zum Nachweis einer Dissektion schlicht nicht aus. Mit der MR-Bildgebung steht ein wertvolles ergänzendes Instrumentarium u. a. durch den Nachweis eines intramuralen Hämatoms zur Verfügung [15].

In diesem Fall ließ sich in der konventionellen Angiografie kein ophtalmoplegisches Aneurysma nachweisen, das aufgrund der Subarachnoidalblutung kombiniert mit einer Okulomotoriusparese begründet vermutet wurde. Die rechte A. carotis interna stellte sich in ihrem kavernösen Segment insgesamt flussgemindert, jedoch ohne spezifische Auffälligkeiten dar, was zunächst der hochgradigen atherosklerotischen abgangsnahen Karotisstenose zugeschrieben wurde. Erst die MR-Bildgebung mittels KM-gestützter Angiografie kombiniert mit T1-fettgesättigten Sequenzen belegten eine irreguläre intrakranielle Karotisstenose und den Nachweis intramuralen Bluts im kavernösen Segment als Korrelat einer intrakraniellen Dissektion. Das in der zweiten DSA gesicherte kleine (1,5 mm) Aneurysma des R. communicans anterior ist zwar potenziell eine konkurrierende Quelle der erlittenen Subarachnoidalblutung, kann jedoch weder die Okulomotoriusparese noch den MCA-Infarkt hinreichend erklären.

Was lernt man daraus?

Eine akute Ophtalmoplegie erfordert eine sorgfältige diagnostische Aufarbeitung. Sollte die Routinediagnostik einschließlich DSA zur Klärung eines ophtalmoplegischen Aneurysmas in der ätiologischen Zuordnung nicht wegweisend sein, muss eine akkurate Darstellung der intrakraniellen Gefäße inklusive MR-Bildgebung zur Frage einer intrakraniellen Karotisdissektion erwogen werden.

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Abb. 4a Nachweis eines Ramus communicans anterior-Aneurysmas in der konventionellen Angiografie.
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Abb. 4b Kontrolle nach Coil-Embolisation mit dichter Coil-Packung im Aneurysma.

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  • Literatur

  • 1 Hegde V, Coutinho CMA, Mitchell JD. Dissection of the intracranial internal carotid artery producing isolated oculomotor nerve palsy with sparing of pupil. Acta Neurol Scand 2002; 105: 330-332
  • 2 Watanabe A, Horikoshi T, Uchida M et al. Internal carotid artery occlusion manifesting only as oculomotor nerve palsy. J Stroke Cerebrovasc Dis 2008; 17: 433-435
  • 3 Wessels T, Röttger C, Kaps M et al. Upper cranial nerve palsy resulting from spontaneous carotid dissection. J Neurol 2005; 252: 453-456
  • 4 Murakami K, Takahashi N, Matsumura N et al. Vertebrobasilar artery dissection presenting with simultaneous subarachnoid hemorrhage and brain stem infarction: case report. SurgNeurol 2003; 59: 18-22
  • 5 Naito I, Iwai T, Sasaki T. Management of intracranial vertebral artery dissections initially presenting without subarachnoid hemorrhage. Neurosurgery 2002; 51: 930-937; discussion 937-938
  • 6 Ohkuma H, Suzuki S, Ogane K. Dissecting aneurysms of intracranial carotid circulation. Stroke 2002; 33: 941-947
  • 7 Ono H, Nakatomi H, Tsutsumi K et al. Symptomatic recurrence of intracranial arterial dissections: follow-up study of 143 consecutive cases and pathological investigation. Stroke 2013; 44: 126-131
  • 8 Huang Y-C, Chen Y-F, Wang Y-H et al. Cervicocranial arterial dissection: experience of 73 patients in a single center. SurgNeurol 2009; 72 (Suppl. 02) S20-S27; discussion S27
  • 9 YesilotBarlas N, Putaala J, Waje-Andreassen U et al. Etiology of first-ever ischaemic stroke in European young adults: the 15 cities young stroke study. Eur J Neurol 2013; 20: 1431-1439
  • 10 Putaala J, Metso AJ, Metso TM et al. Analysis of 1008 consecutive patients aged 15 to 49 with first-ever ischemic stroke: the Helsinki young stroke registry. Stroke 2009; 40: 1195-1203
  • 11 Schievink WI, Mokri B, Garrity JA et al. Ocular Ocular motor nerve palsies in spontaneous dissections of the cervical internal carotid artery. J Neurol 1993; 43: 1938-1941
  • 12 Cahill M, Bannigan J, Eustace P. Anatomy of the extraneural blood supply to the intracranial oculomotor nerve. Br J Ophthalmol 1996; 80: 177-181
  • 13 Koennecke H, Seyfert S. Mydriatic pupil as the presenting sign of common carotid artery dissection. Stroke 1998; 29: 2653-2655
  • 14 Iaconetta G, de Notaris M, Cavallo LM et al. The oculomotor nerve: microanatomical and endoscopic study. Neurosurgery 2010; 66: 593-601; discussion 601
  • 15 Bachmann R, Nassenstein I, Kooijman H et al. High-resolution magnetic resonance imaging (MRI) at 3.0 Tesla in the short-term follow-up of patients with proven cervical artery dissection. Invest Radiol 2007; 42: 460-466

Korrespondenzadresse

Mazen Abu-Mugheisib
Klinik für Neurologie, Klinikum Braunschweig gGmbH
Salzdahlumer Straße 90
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