Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(18): 930
DOI: 10.1055/s-0033-1360613
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Hypertensiologie – Pharmakologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nicht-selektive Betablocker bei arterieller Hypertonie

Nonselective beta-blockers for arterial hypertension
M. Middeke
Further Information
Prof. Dr. Martin Middeke
Hypertoniezentrum München

Publication History

Publication Date:
23 April 2014 (online)

 

    Betablocker wurden in den sechziger Jahren entwickelt und kamen in den achtziger Jahren zum breiten klinischen Einsatz. Den ersten nicht-selektiven Betablockern folgten selektive und solche mit intrinsischer Aktivität. Nach primär häufiger Anwendung in Hochdrucktherapie und Kardiologie stellen aktuelle Studien den Nutzen im Vergleich zu neueren Substanzen in Frage, die neuesten Hochdruckleitlinien listen Betablocker nur noch nachrangig. Nun liegt ein Cochrane-Review zu nicht-selektiven Betablockern vor.


    #

    Einleitung: Betablocker werden häufig zur Behandlung der arteriellen Hypertonie verordnet. Wong et al. untersuchten nun die Effektivität von nicht-selektiven Betablockern bei arterieller Hypertonie.

    Studien: In das Cochrane-Review eingeschlossen wurden 25 doppelblinde randomisierte Placebo-kontrollierte Studien im Parallel- oder Cross-Over-Design (1264 Patienten mit ausschließlich primärer Hypertonie). Diese erhielten für 3–12 Wochen Monotherapien mit nicht-selektiven Betablockern in Fixdosis.

    Ergebnisse: Verglichen mit Placebo betrug die Blutdrucksenkung unter einfacher oder doppelter empfohlener Startdosis systolisch -9,5 mmHg (95%-Konfidenzintervall [KI] -10,9 bis -8,1) und diastolisch -6,6 mmHg (95%-KI -7,4 bis -5,8), bei niedriger Evidenzqualität. Die Herzfrequenz sank um -11,8/min (95%-KI -12,9 bis -10,7; niedriger Evidenzgrad). Es ließen sich keine eindeutigen Aussagen zur Auswirkung der Therapie auf die Pulsamplitude treffen, mit Ausnahme der Subgruppe mit doppelter Startdosis (-2,2 mmHg; 95%-KI -3,7 bis -0,7; sehr niedrige Evidenz). Die Schätzungen für die einfache, vierfache und achtfache Startdosis liegen hinsichtlich der Senkung der Pulsamplitude im selben Bereich wie für die doppelte Startdosis, so dass auch für diese Dosierungen eine Senkung der Pulsamplitude um rund 2 mmHg angenommen werden kann. Nur zwei Studien berichteten über ein Absetzten der Therapie in Folge von Nebenwirkungen. Das relative Risiko dafür betrug 0,84 (95%-KI 0,38 bis 1,82).

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Nicht-selektive Betablocker reduzieren den Blutdruck um -10/-7 mmHg und die Herzfrequenz um -12/min. Die meisten Patienten in diesen Studien hatten Propranolol und Penbutolol eingenommen. Diese Ergebnisse seien jedoch überschätzt, da extreme „Ausreißer“ und andere Bias-Ursachen bei der Interpretation berücksichtigt waren. Nach Ausschluss solcher Daten errechne sich ein realer Effekt nicht-selektiver Betablocker auf den Blutdruck von -8/-5 mmHg. Während höhere Dosen keine bessere Blutdrucksenkung bewirkten, könne damit eine stärkere Reduktion der Herzfrequenz erzielt werden. Höhere Dosen gingen aber auch mit mehr unerwünschten Wirkungen einher (z. B. Bradykardie). Die Evidenznqualität der vorliegenden Daten sei insgesamt als niedrig einzuschätzen.

    Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

    Originalarbeit: Wong GWK, Wright JM. Blood pressure lowering efficacy of nonselective beta-blockers for primary hypertension. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 2 DOI: 10.1002/14651858.CD007452.pub2 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Diese Publikation kann zum Anlass genommen werden, darauf hinzuweisen, dass nicht-selektive Betablocker in der antihypertensiven Therapie schon seit vielen Jahren keinen Stellenwert mehr haben. Propranolol als der Protagonist der ersten Generation von Betablockern ist in der Reduktion des Schlaganfalls anderen antihypertensiven Substanzen unterlegen. Das gilt auch für einen der ersten β1-selektiven Betablocker Atenolol. Die Unterlegenheit dieser beiden Betablocker, die mehrheitlich in den Interventionsstudien der letzten Jahrzehnte eingesetzt wurden, war Anlass dafür, dass mehrere internationale Hypertoniegesellschaften Betablocker generell zurückgestuft haben: 2011 zuerst in UK, 2014 folgten die USA, Kanada und die International Society of Hypertension mit der Empfehlung, die Betablocker nicht mehr als Erstlinientherapie einzusetzen, während die europäischen Leitlinien die Betablocker noch für die Monotherapie aufführen. In der Kombinationstherapie bei schwer einstellbarer Hypertonie sind die Betablocker aber nach wie vor unverzichtbar, um eine ausreichende Blutdrucksenkung zu erreichen. Besondere Indikation für eine Betablockade bei Hypertonie (evtl. auch in Monotherapie) besteht bei Herzrhythmusstörungen (Tachykardie, Extrasystolie, Vorhofflimmern) und/oder Koronarer Herzkrankheit. Die Substanzgruppe der Betablocker ist sehr heterogen und die Auswahl daher von besonderer Bedeutung. Leider differenzieren die Leitlinien nicht zwischen β1-selektiven und nicht-selektiven Betablockern und zwischen selektiven ohne und mit vasodilatierender Eigenschaft (z.B. Carvedilol, Celiprolol) bzw. sogar zusätzlicher NO-Freisetzung und günstiger Wirkung auf die Endothelfunktion (Nebivolol).


    #

    Interessenkonflikte: keine

    Prof. Dr. Martin Middeke
    Hypertoniezentrum München