Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(18): 931
DOI: 10.1055/s-0033-1360614
Aus der Cochrane Library – kurz berichtet
Diabetologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Strenge Blutzuckerkontrolle bei Typ-1-Diabetes?

Tight blood sugar control for type 1 diabetes?
P. Pommer
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Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Publication History

Publication Date:
23 April 2014 (online)

 

    Einleitung: Vor dem Hintergrund neuerer Studien, die eine scharfe Blutzucker-Einstellung bei Typ-2-Diabetes in Frage stellen, untersuchte ein neues Cochrane-Review die Auswirkungen einer intensiven Blutzucker-Kontrolle bei Typ-1-Diabetes.

    Studien: Eingeschlossen wurden 12 Studien, die bei Typ-1-Diabetes-Patienten randomisiert eine strenge Blutzucker-Kontrolle mit Standardbehandlung verglichen. Die größtenteils aus den 80er Jahren stammenden Studien umfassen 2230 Patienten sehr unterschiedlicher Populationen: Kinder, Patienten nach Nierentransplantation, Erwachsene mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes, Patienten mit zu Studienbeginn bestehenden Diabetes-Spätfolgen (Nephropathie, Retinopathie).

    Ergebnisse: Eine intensive Blutzuckerkontrolle reduzierte im Vergleich zur Standardtherapie statistisch signifikant die Entwicklung mikrovaskulärer Komplikationen: Eine Retinopathie trat nur bei 6,2% verglichen mit 23,2% bei herkömmlicher Therapie auf (n=768, relatives Risiko [RR] 0,27; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,18–0,42), eine Nephropathie bei 16,3% vs. 28,4% (n=1475; RR 0,56; 95%-KI 0,46–0,68), eine Neuropathie bei 4,9% vs. 13,9% (n=1203; RR 0,35; 95%-KI 0,23–0,53). Hinsichtlich Progression bereits vorhandener Spätschäden zeigten sich dagegen nur geringe oder keine Effekte. Bei Retinopathie fanden nur Studien von über 2 Jahren Dauer eine statistisch signifikante Verringerung der Progression (n=764; RR 0,61; 95%-KI 0,49–0,79) während es im ersten Jahr einer strikten Blutzucker-Kontrolle Hinweise für eine Verschlechterung gab (n=96; RR 2,32; 95%-KI 1,16–4,63). Zur Progression der Nephropathie und der Neuropathie lagen nur nicht statistisch signifikante Ergebnisse oder unzureichende Daten vor. Eine intensive Blutzucker-Kontrolle löste mehr Hypoglykämien aus, die vor allem bei Patienten mit niedrigem Ausgangs-HbA1c (< 9,0%) auftraten. Eine Studie zeigt die Kosteneffektivität einer strikten Blutzucker-Einstellung durch Vermeidung von Spätkomplikationen.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Eine strenge Blutzucker-Kontrolle bei Typ-1-Diabetes verringert das Risiko mikrovaskulärer Komplikationen. Dieser Effekt sei am stärksten bei jungen Patienten ausgeprägt, der positive Effekt lasse mit bereits eingetretenen Spätkomplikationen nach. In Hinblick auf ältere Patienten und makrovaskuläre Komplikationen bestünde jedoch Forschungsbedarf. Auf alle Fälle müsse das Therapiekonzept individuelle Umstände des Patienten wie Alter, Begleiterkrankungen, Lebensstil und Fähigkeit zum Selbstmanagement berücksichtigen.

    Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

    Originalarbeit: Fullerton B et al. Intensive glucose control versus conventional glucose control for type 1 diabetes mellitus. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 2 DOI: 10.1002/14651858.CD009122.pub2 www.thecochranelibrary.com


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    Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau