Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(39): 1918
DOI: 10.1055/s-0033-1360619
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chronische Herzerkrankungen: Stammzelltherapie möglicherweise effektiv

Chronically ill heart: stem cell therapy possibly effective
N. Werner
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Prof. Dr. med. Nikos Werner
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn

Publication History

Publication Date:
16 September 2014 (online)

 

    Die ischämische Herzerkrankung (IHD) ist die Hauptursache der kongestiven Herzinsuffizienz in der westlichen Gesellschaft. Bei IHD wandelt sich gesundes Herzmuskelgewebe in nicht kontrahierendes, hibernierendes Gewebe um – ein Prozess, der mit Hilfe von Stammzellen reversibel gemacht werden soll.


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    Einleitung: Nachdem am Tiermodell gezeigt worden war, dass in das Herz injizierte Stammzellen dort Schäden reduzieren können, wurden 2002 erstmals Erfolge einer Stammzelltherapie am Menschen publiziert. Die Stammzellen lassen sich entweder direkt aus dem Knochenmark gewinnen und isolieren oder nach Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor aus dem peripheren Blut aufreinigen. Seit 2002 injizierten mehrere Forscherteams herzkranken Patienten Stammzellen in das Myokard oder eine Koronararterie. Randomisierte kontrollierte Studien zu dieser Thematik wurden durchgeführt.

    Studien: Sicherheit und Effektivität dieser vergleichsweise neuen Therapie prüften nun Fisher et al. Dazu schlossen sie 23 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1255 Patienten mit chronisch ischämischer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz in das Review ein.

    Ergebnisse: Randomisierung und Verblindung waren in den meisten Studien adäquat durchgeführt worden, das Bias-Risiko war im Allgemeinen niedrig. Langfristig (≥ 12 Monate) verringerte sich nach autologer Stammzelltherapie im Vergleich zur Kontrolle ohne diese Intervention die Mortalität statistisch signifikant: relatives Risiko (RR) 0,28; 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,14–0,53; p=0,0001. Auch die Rate an Rehospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz war statistisch signifikant geringer: RR 0,26; 95%-KI 0,07–0,94; p=0,04. In einem Zeitraum von < 12 Monaten zeigte sich hier kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Alle diese Daten zur klinischen Relevanz waren von niedriger Qualität der Evidenz. Mit moderat hoher Evidenz ließen sich folgende Langzeitergebnisse erheben: Bei den kardialen Funktionsparametern reduzierte sich nach der Intervention das linksventrikuläre endsystolische Volumen statistisch signifikant (mittlere Differenz [MD] -14,64 ml; 95%-KI -20,88 ml bis -8,39 ml). Schlagvolumenindex und linksventrikuläre Ejektionsfraktion verbesserten sich statistisch signifikant (MD 6,52 bzw. 2,62%; 95%-KI 1,51–11,54 bzw. 0,50–4,73). Die Stammzelltherapie ging kurz- und langfristig mit einem statistisch signifikanten Rückgang der Herzinsuffizienz-Symptome (erfasst mittels NYHA-Score) einher: MD -0,63 bzw. -0,91; 95%-KI -1,08 bis -0,19 bzw. -1,38 bis -0,44. Auch der Canadian Cardiovascular Society-Score zur Erfassung der Angina-pectoris-Symptome reduzierte sich statistisch signifikant (MD -0,81; 95%-KI -1,55 bis -0,07). Zu unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit der Stammzelltherapie kam es bei 4 Probanden. Langfristig wurden keine Komplikationen berichtet.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Langfristig ergab sich für Patienten mit chronisch ischämischer Herzerkrankung und Herzinsuffizienz durch die Stammzelltherapie ein möglicher Vorteil hinsichtlich Mortalität und kardialer Funktion sowie hinsichtlich einiger kardialer Funktionsparameter. Es seien jedoch umfangreichere Studien nötig, in denen auch die verschiedenen Arten von Verfahren und Stammzellen genauer geprüft werden.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen

    Originalarbeit: Fisher SA et al. Stem cell therapy for chronic ischaemic heart disease and congestive heart failure. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 4 DOI: 10.1002/14651858.CD007888.pub2 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die autologe Stammzelltherapie bei akutem Myokardinfarkt und chronischer ischämischer Kardiomyopathie ist trotz widersprüchlicher tierexperimenteller Daten aus klinischer Sicht weiterhin eine reizvolle Therapieoption. Sie hat zum Ziel, Herzgewebe mittels adulter Stammzellen zu regenerieren. Das aktuelle Cochrane Review zu diesem Thema zeigt einen geringen, aber vorsichtig optimistisch stimmenden Trend in Bezug auf Verbesserung der linksventrikulären Funktionsparameter und Mortalität (> 12 Monate) durch autologe Stammzelltherapie bei ischämischer Kardiomyopathie. Aus klinischer Sicht sind die Daten ermutigend, wenngleich adäquate Placebokontrollen und Langzeitbeobachtungen sowohl im Bereich der funktionellen Verbesserung als auch beim Nebenwirkungsprofil aktuell fehlen. Die Daten sollten uns bestärken, die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet zu intensivieren. Aktuell spielt die Therapie mit autologen Stammzellen in der klinischen Praxis keine Rolle und sollte ausschließlich im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen.


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    Interessenkonflikte: keine

    Prof. Dr. med. Nikos Werner
    Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn