Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(48): 2436
DOI: 10.1055/s-0033-1360626
Aus der Cochrane Library – für die Praxis
Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Posttraumatische Belastungsstörung: Pharmakotherapie überzeugt nicht

Post-traumatic stress disorder: pharmacological intervention is not convincing
M. Sack
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Prof. Dr. med. Martin Sack
Klinik für Psychosomatische Medizin und PsychotherapieKlinikum rechts der Isar, Technische Universität München
Interessenkonflikte: keine

Publication History

Publication Date:
19 November 2014 (online)

 

    Zur Vorbeugung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist die kognitive Verhaltenstherapie die gängigste Behandlungsoption. Verschiedene Studien legen zudem einen Effekt verschiedener Medikamente nahe, darunter Antidepressiva, Betablocker oder Steroide. Die Ergebnisse sind jedoch teilweise widersprüchlich.


    Einleitung: Nach einem Trauma – ob Gewaltverbrechen, Unfall oder lebensbedrohliche Operation – tritt laut US-Daten bei rund 3,5% der Betroffenen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) auf. Flashbacks, Gefühle der Hilflosigkeit, Panik und Vermeidungsstrategien über die Dauer von mindestens einem Monat sind diagnostisch wegweisend. Ob Medikamente hier präventiv und therapeutisch wirken, untersuchten Amos et al. anhand eines systematischen Reviews von randomisiert-kontrollierten Studien.

    Studien: 9 placebokontrollierte Studien über jeweils bis zu 12 Wochen Dauer wurden in das Review eingeschlossen. Insgesamt nahmen 345 Probanden zwischen 18 und 76 Jahren mit PTSD an den Studien teil. Die Wirkung folgender Wirkstoffe wurde untersucht:

    • Hydrokortison (Steroid; 4 Studien)

      Propranolol (Betablocker; 3 Studien, davon eine mit einem Gapapentin-Arm)

    • Escitalopram (Serotonin-Wieder- aufnahme-Hemmer; eine Studie)

    • Temazepam (Benzodiazepin; eine Studie)

    PTSD-Symptome hatten die Autoren mit drei standardisierten Fragebögen bewertet: „Clinician-Administered PTSD Scale“, „36-Item Short-Form Health Survey“ und „Center for Epidemiological Studies-Depression Scale“.

    Ergebnisse: Mit einem relativen Risiko von 0,17 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,05–0,56; p=0,004) zeigte sich für Hydrokortison (n=165) mit einer Evidenz von moderater Qualität eine Wirkung hinsichtlich der Prävention einer PTSD. Die Number needed to treat läge hier bei 7 bis 13 Patienten. Drei der vier Hydrokortison-Studien zeigten, dass Hydrokortison gegenüber Placebo wirksamer war hinsichtlich der Linderung von PTSD-Symptomen 4,5 Monate nach dem Trauma. Die Evidenz für die Verhinderung einer PTSD durch Propranolol (n=118) war von geringer Qualität (relatives Risiko 0,62; 95%-KI 0,24–1,59; p=0,32). Für Escitalopram, Temazepam und Gabapentin gab es keine ausreichende Evidenz, dass die Wirkstoffe Placebo bei der Verhinderung einer PTSD überlegen sind. Sieben Studien hatten laut den Autoren ein hohes Bias-Risiko. Ursachen hierfür waren beispielsweise die unterschiedlichen Begleitmedikationen oder Studienabbrüche.

    Fazit der Cochrane-Autoren

    Nur für Hydrokortison ließ sich aktuell ein positiver Effekt zeigen (bei moderater Evidenzqualität). Aufgrund der insgesamt recht dürftigen Daten kann man derzeit jedoch keinen Wirkstoff zur Therapie eines PTSD empfehlen. Die Autoren sprechen sich für weitere Forschung hinsichtlich der geprüften und weiterer Medikamente für diese Indikation aus.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen

    Originalarbeit: Amos T, Stein DJ, Ipser JC. Pharmacological interventions for preventing post-traumatic stress disorder (PTSD). Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 7 DOI: 10.1002/14651858.CD006239.pub2 www.thecochranelibrary.com

    Kommentar aus der Praxis

    Die hohen Erwartungen an die Möglichkeiten einer pharmakologischen Prävention der posttraumatischen Belastungsstörung haben sich bislang nicht erfüllt. Lediglich für Hydrokortison fand sich ein Wirksamkeitsnachweis mit moderater Evidenzqualität. Die Autoren folgern, dass sich aus der aktuellen Datenlage keine Empfehlung für eine präventive Medikation ableiten lässt. Gemeinsamer Ansatzpunkt von Hydrokortison und Propranolol sowie der in einigen Studien untersuchten Benzodiazepine ist die Reduktion der initialen Stressreaktion nach einem akuten traumatischen Ereignis. Beruhigen und Entängstigen, also die Reduktion der peritraumatischen Stressreaktion, ist allerdings auch das Ziel von Interventionen der psychosozialen Ersthilfe und Akutversorgung. Einen Menschen an die Seite zu bekommen, der informiert, sich um die akuten Bedürfnisse kümmert und Sicherheit vermittelt, ist eine effektive Intervention zur Reduktion der akuten Belastung und wahrscheinlich pharmakologischen Interventionen deutlich überlegen. Allerdings gibt es bislang noch keine Studien, die pharmakologische und psychologische Interventionen nach akuten Traumatisierungen vergleichen.


    Prof. Dr. med. Martin Sack
    Klinik für Psychosomatische Medizin und PsychotherapieKlinikum rechts der Isar, Technische Universität München
    Interessenkonflikte: keine