Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S149
DOI: 10.1055/s-0040-1717509
Vortrag
DKOU20-703 Allgemeine Themen>20. Rehabilitation

Haben Patienten mit proximaler Tibiafraktur ein realistisches Verständnis für ihre Verletzung und Prognose?

L Hellinger
*   = präsentierender Autor
1   Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Unfallchirurgie, Murnau
,
AM Keppler
2   Klinikum der Universität München, München
,
C Ihle
3   Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
,
P Minzlaff
4   Sportorthopädie, Chirurgisches Klinik, München
,
J Fürmetz
2   Klinikum der Universität München, München
,
M Beck
5   Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Murnau
,
F Stuby
6   BG-Unfallklinik Murnau, Murnau
,
T Saier
5   Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Murnau
› Institutsangaben
 
 

    Fragestellung Die proximale Tibiafraktur zählt aufgrund der Eigenschaften des Kniegelenks zu den komplexen Frakturen und kann im postoperativen Verlauf zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und somit zu einer reduzierten Lebensqualität führen. Ziel dieser Studie war die Evaluation der Erwartungshaltung von Patienten mit komplexer proximaler Tibiafraktur bezüglich der Wiederherstellung der Kniefunktion, Schmerzen, der Rückkehr an den Arbeitsplatz und zum Sport sowie des Risikos für die Entstehung einer sekundären Arthrose.

    Methodik Die Datenerhebung erfolgte von 2017-2018 an drei Kliniken der Maximalversorgung. Insgesamt wurden 114 Patienten (Mittelwert 49 Jahre, SD ± 13) mit AO Typ B und C proximaler Tibiafraktur nach Frakturtyp gruppiert und untersucht. Die Daten wurden präoperativ nach dem Aufklärungsgespräch für die Operation mit dem Hospital for Special Surgery-Knee Survey (HFSS-KSE; Vier-Punkte-Likert-Skala) und einem Fragebogen zur Beurteilung der Kniefunktion, der Schmerzen, der Rückkehr zur Arbeit/Sport und des Risikos für eine sekundäre Arthrose erhoben. Desweiteren wurde die körperliche Arbeitsbelastung (REFA) erhoben.

    Ergebnisse und Schlussfolgerung 92 % der Patienten erwarteten ein nahezu normales Knie postoperativ. Alle Items zur Wiederherstellung der Kniefunktionen im HFSS-KSE wurden in beiden Gruppen als mindestens wichtig eingestuft (Likert-Skala 1,2-1,8). 65 % in Gruppe B und 47 % in Gruppe C erwarteten höchstens gelegentliche Schmerzen. 83 % in Gruppe B und 67 % in Gruppe C erwarteten die volle Rückkehr zur ursprünglichen Arbeit ohne Einschränkungen mit einer erwarteten mittleren Arbeitsunfähigkeit von 10 Wochen in beiden Gruppen. Patienten mit geringer körperlicher Arbeitsintensität (REFA größer gleich 2) erwarteten in beiden Gruppen eine signifikant kürzere Arbeitsunfähigkeit (7,8 bzw. 8,9 Wochen). 71 % in der Gruppe B und 60 % in der Gruppe C erwarteten, ohne oder nur mit geringen Einschränkungen, wieder auf den ursprünglichen Sportlevel zurückzukehren. 33 % in Gruppe B und 22 % in Gruppe C gingen davon aus, dass durch die Operation ein beschleunigtes Risiko für Arthrose verhindert wird. Der Frakturtyp hatte keinen signifikanten Einfluss auf die jeweiligen Ergebnisse.

    Schlussfolgerung Patienten mit einer proximalen Tibiafraktur haben unabhängig vom Frakturtyp hohe Erwartungen an die Operation. Die Patienten überschätzten ihre Prognose in vielen Gesundheits- und Lebensstilbereichen und unterschätzten das Risiko für eine sekundäre Arthrose. Die Ergebnisse dieser Studie sollen Chirurgen sensibilisieren, realistische Erwartungen mit dem Patienten zu diskutieren. Dies kann dazu beitragen das Verständnis der Patienten zu verbessern und somit auch den Rehabilitationsprozess optimieren.

    Dies wiederum kann die Zufriedenheit der Patienten erhöhen.

    Stichwörter proximale Tibiafraktur, Sportmedizin, Erwartungen, Rehabilitation, Rückkehr


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    15. Oktober 2020

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