Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(08): 562
DOI: 10.1055/s-0041-101396
Aktuell publiziert
Aus der Cochrane Library
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gicht: Urikosurikum Benzbromaron vs. Allopurinol: vergleichbare Wirkung

Uricosuric agent benzbromarone vs. allopurinol: comparable effect
Bernhard Manger
1   Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen
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Prof. Dr. med. Bernhard Manger
Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen

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Publication Date:
16 April 2015 (online)

 

Durch fleischreiche Ernährung mit einem hohen Anteil industriell erzeugter Nahrungsmittel haben viele Erwachsene einen erhöhten Harnsäurespiegel. Nicht selten wird dieser auch ohne Gichterkrankung medikamentös behandelt – meistens mit dem Xanthinoxidasehemmer Allopurinol. Daneben gibt es aber noch eine viel ältere Wirkstoffgruppe: die Urikosurika.


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Urikosurika werden seit 1952 in der Gicht-Therapie eingesetzt. Wegen sehr unterschiedlicher Zulassungsvoraussetzungen zu dieser Zeit gibt es nur wenige Studien, die die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen – im Vergleich untereinander und mit Allopurinol – untersuchen. Diese Fragestellung hat nun ein Cochrane Review untersucht.

Kydd et al. schlossen vier randomisiert-kontrollierte und eine kontrollierte klinische Studie in das Review ein. Alle hatten wenige Teilnehmer und eine niedrige bis moderate Evidenzqualität (EQ). Keine Studie war ohne Bias. Die Studienpopulation bestand aus Erwachsenen mit chronischer Gicht. Verglichen wurden:

  • Benzbromaron vs. Allopurinol (2 Studien: n = 65 bzw. 36)

  • Benzbromaron vs. Probenecid (zwei Studien: n = 62 bzw. 74)

  • Probenecid vs. Allopurinol (eine Studie: n = 37)

Im Vergleich zwischen Benzbromaron und Allopurinol fanden sich weder hinsichtlich der Häufigkeit von Gichtanfällen noch der Neutralisierung der Harnsäurespiegel statistisch signifikante Unterschiede (niedrige bzw. moderate EQ). Auch Nebenwirkungen und daraus resultierende Therapieabbrüche traten in ähnlicher Häufigkeit auf (niedrige EQ).

Beim Vergleich von Benzbromaron mit Probenecid gab es in einer Studie (n = 62) statistisch signifikante Evidenz moderater Qualität, dass Patienten unter Benzbromaron nach zwei Monaten häufiger einen normalen Harnsäurespiegel erreichen (81,5 vs. 57,1 %, relatives Risiko [RR] 1,43; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,02–2,00). Die zweite Studie fand dagegen keine statistisch signifikanten Unterschiede beim Harnsäurespiegel nach 12 Wochen. In Bezug auf die Häufigkeit akuter Gichtanfälle zeigten sich ebenfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede (niedrige EQ). Es gab jedoch unter Benzbromaron statistisch signifikant weniger Therapieabbrüche (2 vs. 17 %; RR 0,15; 95 %-KI 0,03–0,79) und weniger Nebenwirkungen (21 vs. 47 %; RR 0,43; 95 %-KI 0,25–0,74; niedrige EQ).

Die Studie, die Allopurinol und Probenecid verglich, wies keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Inzidenz der Gichtanfälle nach (niedrige EQ).

Die Autoren sehen Hinweise moderater Evidenzqualität, dass Benzbromaron den Harnsäurespiegel etwa ebenso gut neutralisiert wie Allopurinol, während die Substanz diesbezüglich Probenecid möglicherweise überlegen ist. Beim Vergleich von Benzbromaron und Allopurinol kann die Zahl der Gichtanfälle, die Häufigkeit von Nebenwirkungen und die Zahl der daraus resultierenden Therapieabbrüche wegen der niedrigen Evidenzqualität von nur ein oder zwei Studien nicht vergleichend bewertet werden. Insgesamt stufen die Autoren die Evidenz herab. Grund dafür ist das mögliche Risiko für Performance-Bias, andere Bias und Ungenauigkeiten.

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar aus der Praxis

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Prof. Dr. med. B. Manger

Die aktuellen Leitlinien des „American College of Rheumatology“ empfehlen als Ziel der pharmakologischen Hyperurikämie-Therapie, die Harnsäure im Serum auf Werte < 6 mg / dl zu senken (bei Tophi auf Werte < 5 mg / dl). Therapie der ersten Wahl sind Xanthinoxidasehemmer (Allopurinol oder Febuxostat). Sie werden in ansteigender Dosierung bis zur individuell akzeptablen Dosis verabreicht. Wird das Therapieziel durch diese Monotherapie nicht erreicht, wird die zusätzliche Gabe eines Urikosurikums empfohlen.

Urikosurika sind in der Lage, die renale Harnsäureausscheidung zu erhöhen und dadurch langfristig den Serumharnsäurespiegel zu senken. Diese Substanzklasse spielt – was die Verordnungshäufigkeit angeht – in Deutschland nur eine geringe Rolle. Derzeit sind zwei Wirkstoffe auf dem Markt: Benzbromaron und Probenecid. Kydd et al. kommen in ihrem Cochrane-Review zu dem Ergebnis, dass Benzbromaron bezüglich Effektivität und Verträglichkeit Allopurinol nicht nachsteht und dem Probenecid überlegen ist.

Eine Therapie mit Benzbromaron kann bei individuellen Patienten durchaus sinnvoll sein, insbesondere wenn mit Allopurinol oder Febuxostat keine ausreichende Harnsäuresenkung erzielt wird, diese kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass Urikosurika grundsätzlich bei eingeschränkter Nierenfunktion in ihrer Effektivität herabgesetzt und bei harnsäurehaltigen Nierenkonkrementen kontraindiziert sind.


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Interessenkonflikte

AstraZeneca, Berlin- Chemie, Savient

Prof. Dr. med. Bernhard Manger
Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen

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Prof. Dr. med. B. Manger