Pneumologie 2016; 70(01): 55-59
DOI: 10.1055/s-0041-108309
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Technik der Lungenkollapstherapie[*]

Aus dem Städtischen Krankenhaus Heilstätte „Wilhelmstift“ Isny (Allgäu). Von Dr. med. Sigfrit Mutschler
R. Kropp
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Robert Kropp
Sturmiusstraße 8
36037 Fulda

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Publication Date:
20 January 2016 (online)

 
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    Für die Behandlung von Obergeschoßkavernen, bei denen ein Pneuversuch erfolglos ausgefallen ist, stehen uns heute 2 Verfahren als chirurgische Kollapsmethoden zur Verfügung. Die sog. obere Teilplastik und die subfasziale extrapleurale Pneumolyse.

    Die ursprüngliche Methode der Thorakosplastik in der Form der paravertebralen Plastik nach SAUERBRUCH spielte sich im wesentlichen im Raum zwischen Querfortsätzen und innerem Schulterblattrand ab. Das Wesen dieser besteht in einer Rippenteilresektion zur Erzielung einer konzentrischen Einengung des Thorax. Für diese Rippenresektion genügten die auch sonst bis dahin in der Chirurgie üblichen Instrumente. Die Situation änderte sich grundsätzlich mit der gezielten dosierten Teilplastik nach GRAF.

    Bei dem vorwiegenden Sitz der Kavernen im Obergeschoß kommt es bei dieser meistens darauf an, die Thoraxkuppe möglichst vollständig zu entrippen, d. h. die Rippen 1–3 nach Möglichkeit samt ihrem Knorpel zur Erzielung eines ausgiebigen Spitzenkollapses vom Köpfchengelenk bzw. Rippenquerfortsatzgelenk bis zum Brustbein zu entfernen.

    Diese technische Aufgabe wurde teilweise dadurch gelöst, daß der Eingriff in 2 Akte geteilt wurde, einen vorderen mit Wegnahme des Knorpels und kürzerer oder längerer Stücke der Rippen, ungefähr bis in die vordere Axillarlinie, und in einen zweiten hinteren oberen Akt, in dem der Rippenrest von 1–3 samt den darunter gelegenen Rippen in notwendiger Länge entfernt wurde.

    Es war naheliegend, die Technik dahin auszubauen, daß es möglich war, das, was bisher in 2 Akten erreicht worden war, in einen ohne wesentliche Mehrbelastung des Kranken zusammenzuziehen. Die seelische und körperliche Belastung des Patienten war beim Gelingen vermindert, außerdem der Zahlungspflichtige entlastet. Sodann sprach die Aussicht, gleich in der 1. Sitzung ausgiebigen Spitzenkollaps und damit rasche Bazillenfreiheit zu erzielen, für eine Änderung der Technik im Sinne der Beschränkung auf den alleinigen Zugang von hintenher, da dieser Weg auch unmittelbar an den Kostomediastinalwinkel heranführt, den Lieblingssitz der Kavernen im Oberfeldbereich.

    Endlich ließen die Erfahrungen bei der zweizeitigen Methode am Periost des stehengelassenen Rippenteils eine einzeitige Erledigung der technischen Aufgaben wünschenswert erscheinen. Auch bei rascher Aufeinanderfolge der beiden Akte sind die reaktiven hyperplastischen Vorgänge am Periost des nach der 1. Sitzung noch verbleibenden Rippenrestes für die Vervollständigung des Spitzenkollapses im 2. Akt außerordentlich störend. Bei Verzögerung des 2. Aktes durch interkurrente Erkrankung, z. B. Trombophlebitis oder spezifische oder nichtspezifische Erkrankung im Bereich der operierten oder nichtoperierten Seite, konnten die reaktiven Erscheinungen ein Ausmaß annehmen, das die 2. Sitzung technisch wesentlich schwieriger und damit für den Patienten außerordentlich belastend gestaltete. Alles drängte nach Vereinfachung der Technik, nicht zuletzt die Erwägung, daß der thorakoplastische Eingriff ja nichts anderes darstellt als die Ausschaltung von Gewebsveränderungen in der Thoraxwand, die in einem nicht zum Ziele führenden überschüssigen Heilungsprozeß in der Umrandung oder Umgebung der Kaverne sich ausgebildet haben, nämlich die Verschwartung, und deshalb die Idealmethode der Kollapstherapie, den Pneumothorax, unmöglich oder unwirksam machen.

    Die operativ-technischen Forderungen waren nur durch Änderungen des Werkzeuges zu erreichen. Erstens mußte der Zugang zu den vorderen Abschnitten der Rippen bzw. dem Knorpel beim Eingehen von hinten ohne wesentliche Schädigung der für die Funktion des Schulterblattes wichtigen Muskulatur ermöglicht werden.

    Zweitens mußte ein Rippentrennungsinstrument gebaut werden, das unter Ausschluß von Nebenverletzungen und bei kleinstmöglichem Raumbedarf sich nach vorne bis in die Gegend des Sternums vorschieben ließ.

    Aus dieser Forderung entstand der Stufenhaken (s. Abb. 1). Er gibt bei Drehung um den angehobenen Schulterblattrand durch Anheben der vorderen Brustwandmuskulatur ausgiebigen Einblick in die Tiefe.

    Das neue Rippendurchtrennungsinstrument (Abb. 2) hat eine nach dem Meißelprinzip gebaute halbstumpfe Schneidefläche. Diese ist nur imstande, Rippen- und Knorpel zu durchtrennen, Weichteile kann es im Gegensatz zum scharfen Messer höchstens quetschen, aber nie durchtrennen. Ein Erfassen von Weichteilen ist dadurch vermieden, daß der Raum, in dem durchtrennt wird, nach 3 Seiten abgeschlossen ist und nur eine Seite zum Einfahren offen bleibt.

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    Die übrigen bei der Rippenresektion bzw. Exartikulation üblichen Instrumente wurden durch Änderungen in ihren Maßen und in ihren Krümmungen den Anforderungen an das Arbeiten am knöchernen Thorax in teilweise großer Tiefe angepaßt.

    Soweit es die Geräte zum Abschieben der Weichteile sind (Raspatorien), ist ihre Anpassung an den Sonderzweck ohne weiteres aus der Abbildung ersichtlich (Abb. 3, 4, 5). Die Auskehlung und Schärfe der Seitenkante eines der beiden Raspatorien hat sich als besonders brauchbar zum Abschieben der Weichteile an der Ober- und Unterkante der Rippen, wirbelsäulenwärts vom Rippenwinkel an, erwiesen.

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    Bei der Knochenfaßzange (Abb. 5) hat es sich als zweckmäßig gezeigt, im Interesse der besseren Griffigkeit die Greifflächen mit einer besonderen Zahnung nach der Art der Hechtzähne sowie mit einer Ausfräsung in der Mitte zu versehen. Die Sperrvorrichtung ermöglicht das Weitergeben der gefaßten Rippe an eine Hilfsperson ohne Lockerung des Griffs oder Nachfassen. Für die Technik der subfaszialen extrapleuralen Pneumolyse, namentlich im Spitzenbereich bei dem räumlich stark beengten Zugang, war ein beim Durchgang durch die Thoraxlücke möglichst wenig auftragendes und damit wenig störendes Gerät notwendig. Deshalb wurde der aus der Abbildung ersichtliche Lungenlöffel (Abb. 7) angefertigt, der einen biegsamen Mittelteil besitzt und dadurch die Anpassung an jede operative Situation ohne Raumbeschränkung gestattet. Er läßt sich sowohl im Sinne einer Knickung wie eines Schraubengangs biegen bzw. drehen.

    Im einzelnen gestaltet sich unser Vorgehen bei der Pneumolyse bzw. Spitzenplastik so wie im folgenden geschildert werden soll.

    A. Vorbereitung

    Auf die Feststellungen in diagnostischer und prognostischer Hinsicht vor der Plastik wird hier absichtlich nicht eingegangen, ebenso nicht auf die funktionelle Prüfung von Kreislauf und Atmung, sondern nur auf die unmittelbare Operationsvorbereitung unter der Voraussetzung, daß die Indikation zur Plastik einwandfrei stichhaltig durch Zusammenarbeit des Internisten bzw. Lungenfacharztes und des Chirurgen unter Heranziehung der heutigen röntgenologischen Möglichkeiten, wie Tomographie, Stereographie, Kymographie, herausgearbeitet ist. Das wichtigste in der Vorbereitung ist die seelische Haltung des zu Operierenden. Er muss sich genügend lange Zeit in das Milieu einer Anstalt, in der chirurgische Kollapstherapie getrieben wird, eingelebt haben und aus dem Umgang mit bereits operierten Kameraden wissen, daß der Eingriff auch für ihn tragbar ist, wenn sein Arzt ihm dazu rät, und namentlich, daß er in der Nachoperationsperiode seine restlose Mitarbeit verlangt. Kranke, die sich ihrer Verantwortung der Allgemeinheit gegenüber als Infektionsträger oder Streuer nicht bewußt sind und nicht absoluten Gesundungswillen und Opferbereitschaft haben, eignen sich nicht für die Thorakoplastik, weil sie psychisch in der kritischen Zeit versagen. Diese Haltung vermag keine auch noch so gute medikamentöse Vorbereitung zu ersetzen. Es ist wichtig, nach dieser Richtung hin eine Auslese unter den Kavernenträgern zu treffen.

    Zwei Stunden vor der Operation bekommt der Kranke, nachdem er vorher, unterstützt durch Lagerung, nach Möglichkeit abgehustet hat, eine Spritze Dilaudid-Atropin (0,002 Dilaudid, 0,0003 Atropin). Eine halbe Stunde vor Operationsbeginn bekommt der Erwachsene 2 ccm Pernokton, das Kind erhält entsprechend weniger. Der Eingriff selber wird immer in örtlicher Betäubung mit dieser Basisnarkose durchgeführt. Betäubungsmittel ist das Pantokain, das den Vorzug einer länger anhaltenden Anästhesie vor den anderen örtlichen Betäubungsmitteln hat, ein Vorzug, der namentlich unmittelbar nach der Operation beim ersten Abhusten sich angenehm bemerkbar macht. Bei der Korrekturplastik versagt teilweise die örtliche Betäubung, hier muß Inhalationsnarkose eingesetzt werden, was aber das Risiko wesentlich vermehrt. Die erste Schicht, Haut und Unterhautzellgewebe, ebenso die Muskulatur wird mit 1‰iger Pantokainlösung ausgiebig infiltriert, die Ausschaltung der Interkostalnerven geschieht nach Bloßlegung der knöchernen Thoraxwand mittels 2‰igem Pantokain, das in Mengen von 5–10 ccm pro Nerv vom Rippenwinkel an unter Knochenfühlung bis heran an die seitlichen Wirbellöcher gebracht wird. Eine zuverlässige, in obiger Weise ausgeführte Leitungsanästhesie ist Grundbedingung für das schmerzlose Auslösen der vertebralen Stümpfe.

    Wenn der Zugang mit der Nadel zur 1. Rippe erschwert ist, wird der 1. Interkostalnerv gesondert nach Wegnahme der 2. und eventuell der 3. Rippe nachträglich anästhesiert. Schon vor der Entscheidung, ob eine subfasziale extrapleurale Pneumolyse oder eine typische obere Plastik mit Rippenresektion gemacht wird, werden die Interkostalräume bis auf die Fascia endothoracica ausgiebig mit physiologischer Kochsalzlösung infiltriert, weil dadurch die Ablösung dieser Faszie wesentlich erleichtert wird. Wird eine extrapleurale subfasziale Pneumolyse gemacht, wird dasselbe Verfahren auch für die Lockerung der Verklebungen zwischen Fascia endothoracica und Pleura costalis angewandt und nötigenfalls mit zunehmender Ablösung während der Operation fortgesetzt.

    Der Hautschnitt verläuft von der Vertebra prominens bis in die Gegend der Spina scapulae und von hier ab einen Querfinger medial vom medialen Skapularrand entfernt nach abwärts, den unteren Skapularwinkel bogenförmig umkreisend und je nach der Ausdehnung der beabsichtigten Entrippung mehr – weniger weit nach lateralwärts geführt. Es folgt die Infiltrierung des unteren Trapeziusrandes bis zur Ansatzstelle der Sehne an der Spina und dann die Infiltrierung der querverlaufenden und weiter oben der hinterhauptwärts ansteigenden Faserzüge dieses Muskels. Der an seinem Unterrand frei präparierte Trapezius wird in seinem sehnigen Anteil abgelöst, die anschließenden querverlaufenden Muskelzüge in 1 bis höchstens 2 Querfingerbreite bis ins Gebiet der aufsteigenden Faserzüge durchtrennt, die dann stumpf auseinandergezogen werden. Es folgt die Infiltrationsanästhesie des lateralen Abschnitts des Rhomboideus major, der dicht neben dem inneren Skapularrand durchtrennt wird, M. rhomboideus minor und M. levator scapulae bleiben unberührt. Dieses Vorgehen schont Ernährung und Innervation obiger für die Funktion des Schultergürtels wichtiger Muskeln. Der M. latissimus dorsi wird im Verlaufe des Hautschnittes jetzt ebenfalls, soweit nötig, eingekerbt. Dann folgt die Leitungsanästhesie der Interkostalnerven in der schon geschilderten Weise.

    Ein Abhebeln der Skapula vor der Leitungsanästhesie ist wegen Schmerzhaftigkeit untunlich. Das aus lockerem Gewebe bestehende, auf der Fascia lumbodorsalis und der Thoraxwand aufliegende bindegewebige Gleitlager der Skapula wird samt seinem etwa vorhandenen, mehr oder weniger ausgebildeten M. serratus post superior in der ganzen Ausdehnung der beabsichtigten Plastik abpräpariert, dabei wird das Schulterblatt aus seinen lockeren Verbindungen mit der Thoraxwand gelöst und mit dem Stufenhaken die seitliche Thoraxwand übersichtlich freigelegt. Dies gelingt mit ihm leicht bis in die mittlere Axillarlinie. Entsprechend dem Sitz der Kaverne wird meist im zweiten oder dritten Interkostalraum durch Interkostalschnitt die Fascia endothoracica freigelegt, und mit einem kleinen Stieltupfer soweit abgeschoben, daß das Einsetzen der Sauerbruchschen Rippensperre möglich ist. Es folgt die Durchtrennung der Fascia endothoracica auf ein kurzes Stück zwischen zwei Pinzetten mit anschließendem Abschieben der verklebten Pleurablätter in dem durch Sitz und Ausdehnung der Kaverne bedingten Ausmaße, eventuell unter Zuhilfenahme der Kochsalzspritze und einzelner Scherenschläge. Die Pneumolyse ist so weit zu treiben, daß in keinem Durchmesser mehr ein Wandzug auf das Kavernensystem ausgeübt wird und der abgelöste kavernentragende Lungenabschnitt dem Retraktionszug hiluswärts folgen kann. Bei diesem Operationsakt erleichtert die Verwendung des erwähnten löffelartigen Spatels das Arbeiten im Thoraxraum wesentlich. Ein allzu ausgedehnter Interkostalschnitt empfiehlt sich nicht wegen der daraus entstehenden Schwierigkeiten bei dem später notwendigen wasser- und luftdichten Verschluss der Thorakotomie. Stellt es sich heraus, daß der Kollaps mittels der subfaszialen extrapleuralen Pneumolyse erreicht werden kann, so wird diese zu Ende geführt und das Wiederanlegen der abgelösten Pleura an die Wand durch Eingießen von Öl verhindert. Es wird also eine Ölplombierung oder ein subfaszialer extrapleuraler Oleothorax durchgeführt. Dabei ist zu beachten, daß der entstandene Hohlraum nur zu einem Drittel mit Öl ausgefüllt werden darf, die Auffüllung des Restes des entstandenen Hohlraums geschieht durch das sich bildende Serom. Man kann vor der Einfüllung des Öls den Versuch machen, durch einen Jodstrich am unteren Rand des Wundbetts eine Festigung der Verwachsungen zwischen den Pleuren und der inneren Thoraxfaszie zur Abstützung der Ölplombe anzuregen.

    Wir führen keinen extrapleuralen Pneu wegen der Schwierigkeiten der Aufrechterhaltung desselben nach der Entlassung durch, sondern nach den guten Erfahrungen mit dem intrapleuralen Oleothorax und nach den Nackenschlägen mit anderem Plombenmaterial, darunter auch Viskoseschwamm, verwenden wir Lebertran (HEYL) zum extrapleuralen Oleothorax.

    Der Eingriff ist damit beendigt, der Verschluß der Thorakotomiewunde sowie der übrigen Operationswunde erfolgt nach dem üblichen wundärztlichen Brauch. Über die geschlossene Thorakotomiewunde wird das zu Anfang zurückpräparierte Gleitgewebe herübergelegt und exakt auf die Thoraxwand aufgenäht. Diese Maßnahme gibt eine weitere Sicherung der Flüssigkeits- und Luftdichte. Eine Ableitung ist nicht notwendig, ebenso erübrigt sich der bei der üblichen Thorakoplastik notwendige Stützverband mit elastischen Heftpflasterzügen, der einfache Wundverband genügt, da die Mechanik der Atembewegungen des Thorax bei Wegfall der Rippenresektion nicht wesentlich gestört ist.

    Gelingt indes wegen subkortialer Lage der Kaverne infolge ausgedehnter Verschwartung durch Übergreifen des entzündlichen Prozesses nicht nur auf die Pleuren und die innere Thoraxfaszie, sondern auch noch auf die muskuläre Brustwand – liegt also gewissermaßen eine brustwandgedeckte Perforation eines ulzerösen Lungenprozesses vor – die restlose Ablösung ohne Einrißgefahr nicht, wird die typische Entknochung der Deckschicht in der Brustwand ausgeführt. In ausgesuchten Fällen gelingt es durch eine Teilresektion der mit der Lunge verlöteten entknochten Brustwand, die Lunge ausgiebig zu mobilisieren und doch noch eine typische Pneumolyse zu erreichen. Ein genaues Urteil über die Beschaffenheit der Verschwartung und eine Planung vor dem Eingriff erlaubt der tomographische Befund nicht, die Entscheidung über die technische Möglichkeit kann erst unter der Operation gefällt werden.

    Gelingt die Pneumolyse wegen nicht lösbarer Verschwartung nicht, so wird die Mobilisierung um eine Schicht weiter nach außen verlegt und eine typische Thorakoplastik über dem erkrankten Bezirk in der üblichen Weise durchgeführt, und zwar bei isolierter Obergeschoßkaverne die obere Teilplastik, bei Befallensein des mittleren und unteren Geschosses die Erweiterung dieser durch eine 2., oder, wenn die Abwehrlage größte Vorsicht erheischt, gar durch eine 3. Sitzung bis herunter zur 10. Rippe im Sinne der paravertebralen Totalplastik nach SAUERBRUCH .

    Bei der sog. oberen Teilplastik werden die ersten 3 Rippen ganz, die übrigen dem Fall angepaßt, mehr oder weniger ausgedehnt, meistens herunter bis zur 7. oder 8. Rippe, entfernt. Weniger ausgedehnte Entknochungen, also 1–3 oder 1–4, empfehlen sich wegen der Gefahr des Rezidivs nicht. Begonnen wird mit der Auslösung der 4. Rippe, dabei hat es sich vorteilhaft gezeigt, die zu entfernende Rippe in der Höhe des Angulus quer zu durchtrennen, die Weichteile bis unter die Mitte der Skapula abzuschieben, die Rippe dann mit der Knochenfaßzange stramm durch Zug dornfortsatzwärts zu strecken, weil dadurch die Auslösung sternumwärts wesentlich erleichtert wird. Die 3., 2. und 1. Rippe werden in gleicher Weise aus ihrem Periostschlauch ausgelöst, woran sich dann noch die Auslösung des Knorpels aus dem Perichondrium anschließt. Der Übergang vom Periost auf das Perichondrium ist durch festere Anheftung an der Knorpelknochengrenze in manchen Fällen etwas erschwert, doch gelingt die Auslösung trotzdem mit etwas mehr Druck. Es schließt sich die Auslösung der vertebralen Stümpfe an, auf die wegen der vorzugsweisen Lage der Kavernen im kosto-mediastinalen Winkel der größte Wert zu legen ist. Restkavernen stehen häufig mit zu langen vertebralen Stümpfen in ursächlichem Zusammenhang. Die Auslösung erfolgt in Form der Exartikulation; das Abschieben der Weichteile, namentlich der M. M. levatores costarum breves wird durch Verwendung des auch seitlich gekehlten und geschärften Raspatoriums erleichtert. Unter Druck auf die Spitze des vertebralen Stumpfes in der Richtung vertralwärts wird die Kapsel des Rippenquerfortsatzgelenkes gespannt, mit dem doppelschneidigen Messer eingeschnitten, in den durch Druck klaffend gehaltenen Gelenkspalt ein Raspatorium eingesetzt, die Verbindung des Halses der Rippe mit Proc. transversus und Wirbelbogen hinten und seitlich abgeschoben, der Rippenstumpf nach lateral mit dem Raspatorium abgehebelt und dann leicht mittels der Rippenfaßzange aus dem Köpfchengelenk herausgedreht.

    Bei vorsichtigem Arbeiten ist keine Blutung aus den Interkostalgefäßen und keine Eröffnung des Epiduralraums zu befürchten. Es folgt dann noch die Durchtrennung der Interkostalmuskulatur in Höhe der Querfortsatzspitze, wodurch das Abschieben der Lunge samt Umscheidungen bis heran an den Wirbelkörper und damit die Aufhebung des kosto-mediastinalen Winkels relativ einfach auf stumpfe Weise gelingt. Hier liegen häufig anthrakotische geschwollene Drüsen, deren histologische und bakteriologische Untersuchung regelmäßig Tuberkelbazillen ergaben, man muss sich also am Schluß der Operation klar sein, daß man ein Wundgebiet vor sich hat, in dem die Möglichkeit einer tuberkulösen Infektion vom Lymphgefäßsystem aus besteht. Ist die Ablösung der Kuppe des Sackes in vertikaler Richtung noch nicht genügend erfolgt, dann werden die noch spannenden Gewebszüge teils stumpf, teils scharf durchtrennt und die Kuppe möglichst bis in die Höhe des 3. oder 4. Querfortsatzes heruntergeholt. Die Versorgung der Operationswunde und der entstandenen, zunächst bestehenbleibenden Wundhöhle erfolgt durch Einlegen eines Drain, das unterhalb des unteren vorderen Wundrandes seitlich durch eine eigene Hautöffnung herausgeleitet wird, durch exakte Wundnaht von M. rhomboideus, M. trapezius und M. latiss. dors. samt Unterhautzellgewebe und Haut. Es folgt der Wundverband mit stützenden elastischen Heftpflasterzügen von der operierten Seite nach der gesunden Schulter bzw. Brustwand. In der Nachoperationsperiode wird von rektalen Traubenzuckereinläufen mit Veramongaben und, sofern diese nicht ausreichend sind, mit sparsamen Pantopongaben Gebrauch gemacht. Ein grundsätzlicher Unterschied ergibt sich daraus, ob der Kranke vorher eine Phrenikusausschaltung bekommen hat oder nicht. Die postoperativen Erfahrungen zwingen dazu, die Gedankenautomatie: „Wenn der Pneu nicht geht, dann Phrenikus, und wenn dieser nicht reicht, die Plastik“ zu durchbrechen. Ein Phrenikus ist im Hinblick auf eine später auszuführende Plastik ein verantwortungsvoller Eingriff, der trotz seiner technischen Einfachheit nicht allzu leicht genommen werden und nur auf Grund einer exakten röntgenologischen bzw. kymographischen Prüfung ausgeführt werden sollte. Der Kranke mit Phrenikusexhairese ist, wenn er nachträglich noch eine Plastik bekommen muß, gegenüber dem Kranken, der seinen Zwerchfellnerv noch hat und infolgedessen über die nötige Kraft beim Hustenstoß verfügt, ganz erheblich im Nachteil; nach mißlungenem Pneuversuch sollte die Erwägung nicht „Phrenikus oder Plastik“, sondern umgekehrt, „Plastik oder Phrenikus“ lauten.

    Mit diesen Ausführungen zur Technik der chirurgischen Kollapsverfahren soll nicht einem noch weiteren Abgleiten der Therapie der Lungentuberkulose nach der chirurgischen Seite hin das Wort geredet werden.

    Die Tuberkulose gehört als Allgemeinerkrankung zu den Problemen und in die Hand des inneren Arztes. Der Chirurg kann nur der Beauftragte des Internisten sein, der unter bestimmten Bedingungen Fehlleitungen im Heilgeschehen einer sequestrierenden Entzündung aufhalten bzw. umkehren soll und die endgültige Ausheilung durch Kollaps und Funktionsausschaltung zu ermöglichen hat.

    So, wie der Chirurg über die Probleme der Allgemeinkrankheit Tuberkulose unterrichtet sein muß, wenn er sich mit ihrer Erscheinungsform als kavernöse Phthise im besonderen beschäftigt, so muß aber auch der innere Arzt über die bei dieser Tätigkeit vorliegenden technischen Probleme und Möglichkeiten unterrichtet und über die Aufgaben seines chirurgischen Helfers im Bild sein.

    Deshalb wird auch die große Kollapstherapie der Lungentuberkulose sich aus dem chirurgischen Großbetrieb auf die personell und technisch einwandfrei versorgte Lungenheilstätte, die heute vorwiegend Tuberkulosekrankenhaus ist und unter internistischer Führung stehen sollte, zurückziehen und dort ihre Heimstätte finden.


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    * Erstveröffentlichung in Sonderdruck Deutsches Tuberkulose-Blatt. Tuberkulose-Praxis. Schriftleitung: Prof. Dr. Kurt Klare, Scheidegg im Allgäu. Verlag Georg Thieme/Leipzig. 11. Jahrg. (1937) Heft 4.



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