Kardiologie up2date 2015; 11(04): 225-235
DOI: 10.1055/s-0041-108643
Herzklappenerkrankungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erkrankungen der thorakalen Aorta – welche Therapie für welchen Abschnitt?

Utz Kappert
,
Tamer Ghazy
,
Ahmed Mashour
,
Klaus Matschke
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Utz Kappert
Herzzentrum Dresden
Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 76
01307 Dresden

Publication History

Publication Date:
22 December 2015 (online)

 

Abstract

The management of thoracic aortic pathology has been evolving to be truly interdisciplinary. The last few years have witnessed the increasing interplay between the open-surgical and endovascular therapy. Based on this, an interdisciplinary approach to diagnosis and therapy is highly recommended. The localization and extent of the pathology is currently the main indicator of the preferred therapy, whether complete surgical, hybrid or complete endovascular. For the aortic root and the ascending aorta, the surgical therapy is the first choice. Pathology of the aortic arch and proximal descending aorta are now preferably treated using a hybrid approach, this means a surgical debranching of the aortic arch with endovascular stenting of the aortic arch and the descending aorta. For the descending aorta, the endovascular stenting is considered the therapy of choice.

The management of the thoracic aorta is undergoing continuous development. Aortic arch pathology has been traditionally treated with complete surgical arch replacement under hypothermic circulatory arrest, which was correlated with high cerebrovascular events. The evolution of aortic arch therapy into arch debranching with selective antegrade cerebral perfusion and endovascular stenting of the aorta improved the neurological results and patient survival substantially. The cardiac surgeons are now working on a transapical endovascular therapy for Stanford Type-A aortic dissection. This therapy form is still in an early phase with a few published case reports but it is considered to be an effective adjuvant to the standard surgical therapy of the aorta in the near future.


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Einleitung

Die Erkrankung der thorakalen Aorta ist ein interdisziplinäres Krankheitsbild. In den letzten Jahren hat der endovaskuläre Ansatz die chirurgische Therapie ergänzt. Durch den Fortschritt in der standardisierten Durchführung von Operationen an der thorakalen Aorta ist zudem das Risiko der Eingriffe wesentlich gesenkt worden.

Aufgrund der komplexen Therapieformen thorakaler Aortenerkrankungen haben sich im Lauf der letzten Jahre zunehmend Gefäßzentren gebildet, um den unterschiedlichen Therapieansätzen bei der Behandlung gerecht zu werden. Hier sind die rein konventionellen (chirurgischen), die hybriden (chirurgisch-interventionell) und die endovaskulären Formen zu nennen. In diesem Rahmen vereinigen sich die Fachdisziplinen Herzchirurgie, Gefäßchirurgie, Angiologie und Radiologie unter dem Dach interdisziplinärer Gefäßmedizin. Auf dieser Basis sind die Fachexpertise in Diagnostik und Therapie gewährleistet und eine strukturierte Nachsorge der behandelten Patienten gesichert.

Die im Folgenden genannten Erkrankungen der thorakalen Aorta können nahezu in jedem Abschnitt vorkommen und definieren nicht die sich anschließende Prozedur:

  • thorakales Aortenaneurysma – verum, falsum, Prävalenz = 6/100 000/Jahr

  • Aortendissektion – Typ-A/B-Dissektion, Prävalenz = 3/100 000/Jahr

  • intramurales Hämatom – Einblutung in die Gefäßwand

  • Arteriosklerose der Aorta – Verkalkung der Hauptschlagader

  • Aortenwandulkus – penetrierendes Aortenulkus (PAU)

  • entzündliche Erkrankungen – Lues, Takayasu-Arteriitis

  • angeborene Anomalien – Isthmusstenose, Commerell-Divertikel, Lusoria

Aus der heutigen Sicht gibt vor allem die Lokalisierung und Ausdehnung der Schädigung die optimale Therapieoption vor. Hierfür ist die isolierte Betrachtung der einzelnen Abschnitte der thorakalen Aorta unabdingbar.

In Deutschland werden pro Jahr ca. 6000 Eingriffe im Bereich der Aorta ascendens und des Aortenbogens durchgeführt. Größtenteils konzentrieren sich die Maßnahmen auf die Aorta ascendens und nur zu ca. 16 % auf den Aortenbogen.


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Systematische Einteilung der thorakalen Aorta

Die thorakale Aorta ist anatomisch in 3 grundlegende Abschnitte unterteilt (Abb. [1]):

  • Aorta ascendens (AA)

  • Aortenbogen (AB)

  • Aorta descendens (AD)

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Abb. 1 Systematische Einteilung der thorakalen Aorta (AA = Aorta ascendens, AA I = Aortenklappe, AA II = Koronararterienabgänge, AA III = sinutubulärer Übergang, AA IV = Aorta ascendens bis Abgang Truncus brachiocephalicus, AB = Aortenbogen, AB I = Truncus brachiocephalicus, AB II = A. carotis communis sinistra, AB III = A. subclavia sinistra, AD = Aorta descendens.

Aorta ascendens. Der aufsteigende Teil umfasst die Aortenklappe (AA I), die unmittelbar oberhalb abgehenden Koronararterien (AA II), den sinutubulären Übergang (AA III), der in seiner Ausdehnung und Form maßgeblich für die Indikationsstellung bei den chronischen Aneurysmata der aszendierenden Aorta wichtig ist, und schließlich den weiteren Bereich der Aorta ascendens bis zum Abgang des Truncus brachiocephalicus (AA IV).

Aortenbogen. Der Truncus brachiocephalicus definiert den Beginn des Aortenbogens (AB) mit seinen supraaortalen Gefäßen. Dazu gehören der Truncus brachiocephalicus selbst (AB I), die A. carotis communis sinistra (AB II) sowie die A. subclavia sinistra (AB III). Ventral der A. subclavia befindet sich das Lig. arteriosum. Auf dieser Höhe ist der Aortenbogen fixiert. Hier findet sich oft der Ausgangspunkt der traumatischen Aortendissektion (Dezelerationstrauma).

Aorta descendens. Unmittelbar im Anschluss findet sich der absteigende deszendierende Abschnitt (AD) der thorakalen Aorta. Dieser beinhaltet die arterielle Versorgung des Rückenmarks und ist nach distal begrenzt vom Durchtritt durch das Zwerchfell.

Die im Folgenden beschriebenen unterschiedlichen Therapieansätze sind nach den beschriebenen thorakalen Abschnitten sortiert und beinhalten konventionelle, interventionelle und endovaskuläre Verfahren.


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Therapieoptionen

Aorta ascendens. Die Therapieformen im Bereich der thorakalen Aorta sind sehr vielfältig und gekennzeichnet durch einen unterschiedlichen Grad der Invasivität. So konzentrieren sich vor allem die konventionell chirurgischen Verfahren auf die Aorta ascendens. Vereinzelt finden sich erste Ansätze, auch in diesem Bereich interventionelle Lösungen anzubieten. Dennoch sind die Problemzonen in der Aorta ascendens noch nicht eindeutig identifiziert.

Aortenbogen. Die Behandlung der pathologischen Veränderungen des Aortenbogens sind geprägt durch hybride Therapieformen. Bei dieser Art von Behandlung vereinen sich chirurgische und interventionelle Verfahren. Rein endovaskuläre Lösungen gibt es bereits, sie sind aber noch nicht in der klinischen Routine etabliert.

Aorta descendens. Für die Aorta descendens sind es vorrangig endovaskuläre Verfahren, die zur Therapie eingesetzt werden. Im Folgenden sind die unterschiedlichen Therapieformen näher beschrieben und den verschiedenen thorakalen Aortenabschnitten zugeordnet.

Aorta ascendens

Operationsverfahren. Die sich auf diesen Abschnitt konzentrierenden Operationstechniken sind auch heute noch vor allem mit ersetzenden oder rekonstruktiven Verfahren zu beschreiben (Tab. [1]). Neben diesen etablierten und standardisierten Operationen haben sich jedoch in den letzten Jahren auch erste endovaskuläre Ansätze im Bereich der Aorta ascendens entwickelt. In diesem Zusammenhang ist die transapikale Implantation thorakaler Stents hervorzuheben.

Tabelle 1

Systematische Darstellung der unterschiedlichen Therapieoptionen bei Erkrankungen der Aorta ascendens.

Betroffener Abschnitt

Therapie

Bestandteile der OP

AA I/II/III (von Aortenklappe bis zum sinutubulären Übergang)

Bentall-Operation [1]

Aortenklappenersatz + infrakoronarer Aszendensersatz + Reimplantation der Koronarostien

Cabrol-Operation [2] [3]

Aortenklappenersatz + infrakoronarer Aszendensersatz + Transposition der Koronarostien

David-Operation [4]

Aortenklappenrekonstruktion + infrakoronarer Aszendensersatz + Reimplantation der Koronarostien

Yacoub-Operation [5]

Aortenklappenrekonstruktion + infrakoronarer Aszendensersatz + Reimplantation der Koronarostien

AA IV

Transkatheter-Aszendensstent [6]

Stentimplantation Aorta ascendens (transapikal/transfemoral)

Acar-Operation [7]

suprakoronarer Aszendensersatz + Rekonstruktion (Sinus)

Aszendensersatz

suprakoronarer Aszendensersatz

AA I/IV

Wheat-Operation [8]

Aortenklappenersatz + suprakoronarer Aszendensersatz

Endo-Wheat [9]

TAVI + Stentimplantation Aorta ascendens (transapikal/transfemoral)

AA = Aorta ascendens, AA I = Aortenklappe, AA II = Koronarostien, AA III = sinutubulärer Übergang, AA IV = Aorta ascendens bis Truncus brachiocephalicus, TAVI = „transcatheter aortic valve implantation“

Zugangswege. Zugangsweg ist hierbei der Apex des Herzens, der in vielen Zentren zur klinischen Routine bei den katheterbasierten Herzklappenimplantationen gehört und neben dem transfemoralen Zugang eine sichere Alternative bietet. Bei einer Typ-A-Dissektion hat der Zugang zum einen den Vorteil, dass er stets den Eingang zum wahren Lumen gewährleistet. Zum anderen ist mit dem sehr kurzen Interventionsabstand eine sehr gute Steuerbarkeit und Positionierung gegeben.

Fallbeispiele. Die beiden Fallbeispiele zeigen den Entwicklungsstand der Interventionen im Bereich der Aorta ascendens und, dass diese Interventionen prinzipiell machbar sind – führen aber zugleich die Limitationen dieser Eingriffe auf. Es ist in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung der Medizinprodukte zu fordern, um den diffizilen Problemen der Aorta ascendens gerecht zu werden. Im Bereich der Aorta ascendens ist die konventionelle Herzoperation nach wie vor „Goldstandard“.

Fallbeispiele

Endovaskuläre Therapie eines penetrierenden Aortenulkus

Nach erfolgreicher Implantation eines transapikalen Stents zeigt sich an der distalen Landezone ein persistierendes Typ-I-Endoleak, sodass hier ein weiterer Stent implantiert wird. Die Aorta ascendens ist jedoch stark verkalkt, weshalb dieser Therapieversuch misslingt. Weil das Endoleak weiter besteht, wird der Eingriff als offene Operation fortgesetzt (bei extensiv verkalkter Aorta im Kreislaufstillstand). Die Aorta ascendens wird bis in Höhe des Truncus brachiocephalicus reseziert und ersetzt (Abb. [2]) [6].

Endo-Wheat-Intervention bei Typ-A-Dissektion

Bei einem 82-jährigen Patienten mit Typ-A-Dissektion besteht ein sehr hohes Operationsrisiko, sodass man sich in der interdisziplinären Besprechung für ein interventionelles Vorgehen entscheidet. Bei dem Eingriff wird eine selbstexpandierende Aortenklappenprothese bei verkalkter Aortenklappenstenose implantiert. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist der erhaltene sinutubuläre Übergang, der als Landezone für die selbstexpandierende Klappe dient. Das Implantat wiederum dient als proximale Landezone für die Stentprothese, die im Anschluss an die Implantation im Bereich der Aorta ascendens gesetzt wird (Abb. [3]). Dieser Fall zeigt die Machbarkeit einer sog. „Endo-Wheat-Intervention“ [9].

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Abb. 2 Explantierte Aorta ascendens mit den 2 implantierten Stents. Der Eingang des Endoleaks ist sondiert. Ursache ist die sehr stark verkalkte Aortenwand, die verhindert hat, dass sich die Stents an die Wand anlegen konnten [6].
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Abb. 3 Typ-A-Dissektion. a CT-gesicherte Typ-A-Dissektion vor der Intervention. b, c Ergebnis noch während des Krankenhausaufenthalts (b) und nach 6 Monaten (c). Das kleine Endoleak Typ I ist weiterhin vorhanden, aber in stabilen Verhältnissen [9].

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Aortenbogen

Die pathologischen Veränderungen des Aortenbogens sind für den Herz- und Gefäßchirurgen aufgrund ihrer engen Lagebeziehung zu den supraaortalen Gefäßen eine besondere Herausforderung.

Operationsverfahren. Die Eingriffe erfordern eine interdisziplinäre Planung und können teilweise von 2 – 3 unterschiedlichen Fachdisziplinen gleichzeitig bewerkstelligt werden (Tab. [2]). Für die Durchführung dieser sehr komplexen Operationen ist ein Hybrid-Operationssaal unabdingbar.

Tabelle 2

Therapieoptionen bei Erkrankungen des Aortenbogens.

Betroffener Abschnitt

Therapie

Bestandteile der OP

AB I/II/III

konventioneller Bogenersatz [10] [11]

Ersatz des Aortenbogens mit Transposition der supraaortalen Gefäße („Elephant Trunc Operation“, ggf. „Frozen Elefant Trunc Technique“ – Debranching + Bogenersatz + Implantation Stentprothese)

komplettes Debranching [12] [13] [14]

Transposition der linken A. subclavia auf die Aorta ascendens, seitliche Insertion von A. carotis communis dextra und Truncus brachiocephalicus + Implantation Stentprothese

AB II – III

inkomplettes Debranching [13] [14]

Transposition der linken A. subclavia auf die Aorta ascendens, seitliche Insertion von A. carotis communis dextra + Implantation Stentprothese

AB III

inkomplettes Debranching [13] [14]

Transposition der linken A. subclavia auf die Aorta ascendens + Implantation Stentprothese

AB = Aortenbogen; AB I = Truncus brachiocephalicus; AB II = A. carotis communis sinistra, AB III = A. subclavia sinistra

Grundsätzlich stehen 3 unterschiedliche therapeutische Ansätze zur Verfügung:

  • der konventionelle Aortenbogenersatz

  • hybride Verfahren

  • endovaskuläre Verfahren

Bei den pathologischen Veränderungen des Aortenbogens haben sich im Gegensatz zu den Interventionsmöglichkeiten an der Aorta ascendens schon deutlich mehr „hybride“ Therapieformen etabliert. Diese bestehen in der chirurgischen Vorbereitung, d. h. Schaffung einer entsprechenden Landezone für eine Stentprothese (Debranching). Beim Debranching gibt es das inkomplette/partielle oder das komplette Verfahren. Im Anschluss erfolgt die endovaskuläre (transfemoral) oder die direkte aortale Implantation (Abb. [4]) der Stentprothese [14].

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Abb. 4 Intraoperativer Situs im Kreislaufstillstand mit direkt antegrad implantierter Stentprothese. Aorta ascendens und Aortenbogen sind reseziert. Die A. subclavia links ist mit einer Prothese verlängert. Truncus brachiocephalicus und A. carotis communis sinistra sind zur Insel-Re-Insertion vorbereitet.

Für die Eingriffe am Aortenbogen sind die hybriden Ansätze schon in der klinischen Routine etabliert. Die beteiligten Fachdisziplinen ergänzen sich in ihren therapeutischen Ansätzen.

Zugangswege. Alle Eingriffe können sicher über die mediane Sternotomie versorgt werden und sollten die Erhaltung der antegraden Durchblutung des linken Arms anstreben. Alternativ steht die partielle Sternotomie mit/ohne zusätzliche Hautinzisionen zur Verfügung.

Debranching. Für die sog. Debranching-Verfahren gibt es viele unterschiedliche Verfahren. Gemeinsames Ziel ist es letztlich, adäquate Landezonen für die Stentprothesen im Bogenbereich zu schaffen. Die linke A. subclavia ist gut kollateralisiert und verursacht selten eine Claudicatio (< 5 %), sodass es nicht zwingend erforderlich ist, die A. subclavia sinistra zu erhalten.

Entlastung. Oft sind die für den Aortenbogen beschriebenen Veränderungen nicht nur auf den Bogen begrenzt, sondern betreffen die gesamte Aorta. Ein seitliches Ausklemmen ohne Entlastung kann so zu einem erhöhten Operationsrisiko führen. Herz- und Lungenmaschine sowie die antegrade Kopfperfusion in moderater Hypothermie bieten daher eine Sicherheit, die sich vor allem in der Neuroprotektion und in der Protektion des Rückenmarks darstellt. Darüber hinaus sind damit jegliche Eingriffe im Bereich der Aorta (AA I, AB II, AD III) reproduzierbar und kontrolliert durchführbar. Es ist beim kompletten Debranching und bei angeborenen Fehlbildungen der thorakalen Aorta ist ein hybrides Vorgehen mit Sternotomie und Herz-Lungen-Maschine zu empfehlen.


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Aorta descendens

Operationsverfahren. Ein großer Anteil der Veränderungen an der Aorta descendens betreffen ihren proximalen Abschnitt. Für diesen Bereich der thorakalen Aorta wurde das therapeutische Vorgehen (Tab. [3]) in einem Expertenkonsensus von 2008 zusammengefasst [15].

Tabelle 3

Unterschiedliche Therapieoptionen bei Erkrankungen der Aorta descendens (AD).

Betroffener Abschnitt

Therapie

Bestandteile der OP

AD

endovaskuläre Stentimplantation

transfemorale/transapikale Stentimplantation mit/ohne partielles Debranching

Endoleaks. Obwohl dieses Vorgehen schon weitgehend standardisiert wurde und die endovaskuläre Stentimplantation bereits Bestandteil dieses Vorgehens ist, finden sich dennoch ungelöste Probleme. Dazu gehört z. B. der distale Aortenbogen (AB III), in dem sich gehäuft Typ-Ia/IIs-Lecks (Tab. [4]) der implantierten Stentprothese finden. Aufgrund der anatomischen Vorgaben des distalen Bogens liegen die Stents oft nicht direkt an und lassen das „Bird-Beak“-Phänomen entstehen [16].

Tabelle 4

Endoleak-Typen [15].

Endoleak-Typ

Beschreibung

I

Endoleak an der proximalen und/oder distalen Befestigungszone

  • Ia

Endoleak an der proximalen Landungszone

  • Ib

Endoleak an der distalen Landungszone

II

Endoleak durch retrograden Blutfluss aus abgedeckten Seitenästen

  • IIs

Endoleak der A. subclavia sinistra

  • IIo

Endoleak einer bronchialen oder Interkostalarterie

III

Endoleak durch Defekt des Endografts, z. B. durch defekte Verbindungen zwischen Graftbestandteilen oder durch defektes Graftmaterial

IV

Endoleak durch Porosität des Endografts

V

Vergrößerung des Aneurysmas ohne erkennbare Ursache des Endoleaks (Endotension)

Trotz der stetig weiterentwickelten thorakalen Stents ist bei der Anwendung im Bereich des distalen Aortenbogens und der proximalen Aorta descendens die Entstehung von Endoleaks (Typ Ia/IIs) noch nicht beherrscht. Die Endoleaks sind dabei entweder im Bereich der großen/kranialen oder kleinen/ventralen Kurvatur des Bogenausgangs zu finden. Ein maßgeblicher Fakt ist die fehlende Landezone, sodass die Implantate unmittelbar nach oder auf Höhe des Abgangs der A. subclavia sinistra (große Kurvatur) und der Mitte des Aortenbogens (kleine Kurvatur) zur Landung kommen (Bird-Beak-Formation). Dieses so umschriebene Phänomen Bird-Beak ist maßgeblich ein prognostischer Faktor für das Auftreten von Typ-Ia/IIs-Leaks: Eine Bird-Beak-Formation geht mit einer Inzidenz an Typ-I-Leaks von bis zu 40 % einher. Das Problem entsteht dadurch, dass der Stent zu steif ist und sich dem Bogen nicht anpassen kann. Somit ist der Anpressdruck in der großen/kranialen Kurvatur zu groß und in der kleinen/ventralen Kurvatur zu niedrig. Dementsprechend sind die klassischen Typ-Ia-Leaks ventral und die Abscherungen kranial im Bereich der Subklaviaabgänge lokalisiert (Abb. [5]).

Abb. 5 Endoleak-Typen Ia und IIs. Je nach anatomischem Aufbau des Bogens (gotischer Verlauf) können diese Komplikationen gehäuft beobachtet werden. a Endoleak-Typ Ia im OP-Situs. Der Anteil des proximalen Stents (kleine Kurvatur) ist nicht endothelialisiert, sodass hier oft erst eine Reoperation die Lösung ist. b Endoleak-Typ-IIs. Der Abgang der A. subclavia ist abgeschert.

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Zugangswege. Als standardisierter Zugangsweg für die thorakale Stentimplantation dienen die Leistengefäße. Doch sind diese z. T. bei sehr schwerer atherosklerotischer Veränderung verwehrt, sodass als Alternative der Zugang über den Apex des Herzens genutzt werden muss. Über diesen Zugang sind auch Pathologien bis in Höhe der mittleren Aorta descendens zu erreichen. In einem speziellen Fall eines penetrierenden Aortenulkus ist dieser transapikale Zugang für die Implantation einer Stentprothese gewählt worden [16].

Für die Therapie von Erkrankungen im Bereich der Aorta descendens sind die endovaskulären Verfahren als Therapiemethode erster Wahl zu sehen.


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Fazit

Die konventionelle Chirurgie ist bei Erkrankungen im Bereich der Aorta ascendens (mit und ohne Aortenklappe) und des Aortenbogens die Methode der Wahl. Im Bereich der Aorta descendens sind die Therapieverfahren weitgehend durch die endovaskulären Stentimplantationen abgedeckt.

Mit der Etablierung standardisierter Operationstechniken wurde das Risiko von Eingriffen im Bereich der thorakalen Aorta deutlich reduziert. Derzeit werden die Operationen im Kreislaufstillstand mit einer adäquaten Neuroprotektion (antegrade Kopfperfusion) in moderater Hypothermie (28 – 32 °C) sicher durchgeführt. Mortalität und neurologische Komplikationen sind nach elektiver Aortenbogenchirurgie auf unter 5 % gesenkt worden (vs. 14 % im Rahmen chirurgischer Notfalloperationen). Mit der Einführung der endovaskulären Therapieverfahren sind zudem Operationen am Aortenbogen auch ohne die Verwendung der Herz- und Lungenmaschine möglich. Insgesamt ist die chirurgische/endovaskuläre Therapie der thorakalen Aorta eine komplexe Thematik, die in ständiger Entwicklung begriffen ist.


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Ausblick

Zukünftig sind weitere interventionelle Verfahren in der Therapie der thorakalen Aorta zu erwarten. Auch die Auswahl des Zugangswegs steht hier im Vordergrund. So zeigt die Arbeitsgruppe in Dresden den transapikalen Zugang als Alternative zum transfemoralen Zugang, um einen thorakalen Stent zu implantieren [16]. Weiterführende Ansätze sind Überlegungen, diesen Zugang bei der Typ-A-Dissektion zu nutzen. Im speziellen Fall der Typ-A-Dissektion ist der transapikale Zugang immer mit einer Kanülierung des wahren Lumens verbunden und bietet somit optimale Voraussetzungen für die Therapie. Praktisch ist schon heute ein Herzklappenersatz und ein Ersatz der Aorta ascendens katheterbasiert möglich [9].

Kernaussagen
  • Die thorakale Aorta mit ihren Veränderungen und speziellen Erkrankungen ist nicht nur für den Herz- und Gefäßchirurgen eine therapeutische Herausforderung, sondern greift über in weitere Fachgebiete wie die Radiologie und die Angiologie.

  • Grundsätzlich stehen 3 therapeutische Optionen im klinischen Alltag zur Verfügung, insbesondere für den Aortenbogen mit seinen supraaortalen Gefäßen: die konventionellen, die hybriden und die rein endovaskulären Verfahren.

  • Die konventionelle Chirurgie ist die Methode der Wahl bei Erkrankungen der Aorta ascendens (mit und ohne Aortenklappe) und des Aortenbogens. Im Bereich der Aorta descendens werden vor allem endovaskuläre Stentimplantationen eingesetzt.

  • Für jeden Patienten muss ein maßgeschneidertes therapeutisches Konzept erarbeitet werden. Maßgeblich für den Erfolg der eigentlichen operativen/interventionellen Therapieform ist die korrekte Indikationsstellung.

  • Die noch sehr neuen Therapiestrategien sollten als ergänzende und nicht als konkurrierende Therapieoptionen bei Erkrankungen der thorakalen Aorta angesehen werden.


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Über die Autoren


Utz Kappert

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Jahrgang 1968. PD Dr. med. 1989 – 1995 Studium der Humanmedizin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Promotion 1999. Seit 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Dresden. 2011 Habilitation über die endoskopische Myokardrevaskularisation. Seit 2007 Leitender Oberarzt der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden, Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden. Wissenschaftliche/klinische Schwerpunkte: katheterbasierter/minimal-invasiver Aortenklappenersatz, Aortenchirurgie und Chirurgie der Herzinsuffizienz.


Tamer Ghazy

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Jahrgang 1978. 1995 – 2003 Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Fakultät der Tanta Universität, Ägypten. Seit 2005 Assistenzarzt in der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden, Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden, seit 2012 Facharzt der Herzchirurgie. 2013 Promotion über Myokardprotektion bei intermittierender Blutkardioplegie. Wissenschaftliche Schwerpunkte: Aortenchirurgie.


Ahmed Mashour

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Jahrgang 1985. 2002 – 2008 Studium der Humanmedizin in Benha, Ägypten. 2010 – 2011 Assistenzarzt Herz- und Thoraxchirurgie, Benha, Ägypten. Seit 2012 Assistenzarzt der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden, Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden. Wissenschaftlicher Schwerpunkt: Aortenchirurgie.


Klaus Matschke

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Jahrgang 1962. Univ.-Prof. Dr. med. habil. 1982 – 1985 Studium Biological Sciences an der Rutgers University New Brundswick, New Jersey. 1985 – 1991 Studium der Humanmedizin an der Freien Universität Berlin. 1999 Promotion. Seit 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Dresden. 2006 Habilitation über den myokardialen Gewebesauerstoffpartialdruck als Parameter der myokardialen Mikrozirkulation. 2006 Lehrbefugnis für das Fachgebiet Kardiochirurgie. Seit 2006 Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden, Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Bentall HH, DeBono A. A technique for complete replacement of the ascending aorta. Thorax 1968; 23: 338-339
  • 2 Cabrol C, Pavie A, Gandjbakhch I et al. Complete replacement of the ascending aorta with reimplantation of the coronary arteries. J Thorac Cardiovasc Surg 1981; 79: 309-315
  • 3 Wilbring M, Tugtekin S, Alexiou K et al. Composite aortic root replacement for complex prosthetic valve endocarditis: initial clinical results and long tern follow up of high risk patients. Ann Thorac Surg 2012; 94: 1967-1974
  • 4 David TE et al. An aortic valve sparing operation for patients with aortic incompetence and aneurysms of the ascending aorta. J Thorac Cardiovasc Surg 1992; 103: 617-622
  • 5 Yacoub M et al. Results of valve conserving operations for aortic regurgitation. Circulation 1983; 68: 314-321
  • 6 Kappert U, Ghazy T, Ouda A et al. Transapical endovascular stenting of penetrating atherosclerotic ulcer of ascending aorta. Ann Thorac Surg 2013; 96: e101-103
  • 7 Acar C, Jebara V, Chachques JC et al. Ascending aortic ectasia. New reinforcement technique. Presse Med 1990; 19: 2031-2033
  • 8 Wheat MW, Palmer RF. Dissecting aneurysms of the aorta. Review Article. Current Problems in Surgery 1971; 8: 3-43
  • 9 Wilbring M, Ghazy T, Matschke K et al. Complete endovascular treatment of acute proximal ascending aortic dissection and combined aortic valve pathology. J Thorac Cardiovasc Surg 2015; 149: e59-60
  • 10 Borst HG, Walterbusch G, Schaps D. Extensive aortic replacement using „elephant trunk“prothesis. J Thorac Cardiovasc Surg 1983; 31: 37-40
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  • 12 Kappert U, Ouda A, Ghazy T et al. Simultaneous debranching and endovascular repair of thoracic aortic aneurysm in a case with aberrant right subclavian artery. Zeitschrift für vaskuläre und endovaskuläre Medizin, Gefäßchirurgie 2014; 19: 56-59
  • 13 Ghazy T, Mashour M, Schmidt T et al. Off pump debranching and thoracic endovascular aortic repair for aortic arch pathology. Innovations (Phila) 2015; 10: 163-169
  • 14 Geisbüsch P, Schumacher H, Hyhlik-Dürr A et al. Hybridverfahren zur Therapie aortaler Bogenpathologien. Springer Link 2008; 13: 367-380
  • 15 Svensson LG, Kouchoukos NT, Miller DC et al. Expert consensus document on the treatment of descending thoracic aortic disease using endovascular stent grafts. Ann Thorac Surg 2008; 85: 1-41
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  • 17 Kappert U, Ouda A, Ghazy T et al. Transapical endovascular deployment of a stent graft in the thoracic descending aorta. Ann Thorac Surg 2012; 93: 2063-2065

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Utz Kappert
Herzzentrum Dresden
Universitätsklinik an der Technischen Universität Dresden
Fetscherstraße 76
01307 Dresden

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  • 13 Ghazy T, Mashour M, Schmidt T et al. Off pump debranching and thoracic endovascular aortic repair for aortic arch pathology. Innovations (Phila) 2015; 10: 163-169
  • 14 Geisbüsch P, Schumacher H, Hyhlik-Dürr A et al. Hybridverfahren zur Therapie aortaler Bogenpathologien. Springer Link 2008; 13: 367-380
  • 15 Svensson LG, Kouchoukos NT, Miller DC et al. Expert consensus document on the treatment of descending thoracic aortic disease using endovascular stent grafts. Ann Thorac Surg 2008; 85: 1-41
  • 16 Ueda K. Incomplete Endograft Apposition to the Aortic Arch: Bird-Beak Configuration Increases Risk of Endoleak Formation after Thoracic Endovascular Aortic Repair. Radiology 2010; 255: 645-652
  • 17 Kappert U, Ouda A, Ghazy T et al. Transapical endovascular deployment of a stent graft in the thoracic descending aorta. Ann Thorac Surg 2012; 93: 2063-2065

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Abb. 1 Systematische Einteilung der thorakalen Aorta (AA = Aorta ascendens, AA I = Aortenklappe, AA II = Koronararterienabgänge, AA III = sinutubulärer Übergang, AA IV = Aorta ascendens bis Abgang Truncus brachiocephalicus, AB = Aortenbogen, AB I = Truncus brachiocephalicus, AB II = A. carotis communis sinistra, AB III = A. subclavia sinistra, AD = Aorta descendens.
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Abb. 2 Explantierte Aorta ascendens mit den 2 implantierten Stents. Der Eingang des Endoleaks ist sondiert. Ursache ist die sehr stark verkalkte Aortenwand, die verhindert hat, dass sich die Stents an die Wand anlegen konnten [6].
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Abb. 3 Typ-A-Dissektion. a CT-gesicherte Typ-A-Dissektion vor der Intervention. b, c Ergebnis noch während des Krankenhausaufenthalts (b) und nach 6 Monaten (c). Das kleine Endoleak Typ I ist weiterhin vorhanden, aber in stabilen Verhältnissen [9].
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Abb. 4 Intraoperativer Situs im Kreislaufstillstand mit direkt antegrad implantierter Stentprothese. Aorta ascendens und Aortenbogen sind reseziert. Die A. subclavia links ist mit einer Prothese verlängert. Truncus brachiocephalicus und A. carotis communis sinistra sind zur Insel-Re-Insertion vorbereitet.
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