Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(05): 314
DOI: 10.1055/s-0042-100941
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Plötzlicher Herztod: Primärprävention: Amiodaron wirksamer als andere Antiarrhythmika

Primary prevention of sudden cardiac death: Amiodarone is more effective than other antiarrhythmics
Thomas Meinertz
1   Klinikum Stephansplatz, Hamburg
2   Deutsche Herzstiftung, Frankfurt/Main
› Author Affiliations
Claro et al.
Amiodarone versus other ….

Cochrane Database Syst Rev 2015; CD008093
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Klinikum Stephansplatz, Hamburg
Deutsche Herzstiftung, Frankfurt / Main

Publication History

Publication Date:
03 March 2016 (online)

 

Obwohl die Sterblichkeit an kardiovaskulären Erkrankungen insgesamt rückläufig ist, erliegen in Deutschland jährlich 100 000 bis 200 000 Menschen einem plötzlichen Herztod. Zur Prävention wird in erster Linie ein implantierter kardialer Defibrillator eingesetzt. Da diese Option teuer ist, werden in ärmeren Ländern auch Medikamente verwendet. Ein Cochrane-Review befasst sich daher mit der Wirksamkeit von Amiodaron zur Prävention des plötzlichen Herztodes.


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In das Review wurden 24 randomisierte oder quasi-randomisierte Studien mit 9997 Patienten eingeschlossen. In 18 Studien wurde Amiodaron zur Primär- und in 6 Studien zur Sekundärprävention eingesetzt.

Im Rahmen der Primärprävention reduzierte Amiodaron das Risiko für plötzlichen Herztod (SCD). Im Vergleich mit keiner Intervention oder Placebo betrug das relative Risiko von 0,76 (95 %-Konfidenzintervall [0,66-0,88]). Im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika zeigt sich unter Amiodaron ein deutlich niedrigeres Risiko eines SCD (RR 0,44; [0,19–1,00]). Die Qualität der Evidenz zur Primärprävention des plötzlichen Herztodes war niedrig bzw. moderat.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich in der Sekundärprävention. Amiodaron scheint hier im Vergleich zu keiner Intervention oder Placebo das SCD-Risiko zu erhöhen (RR 4,32; [0,87–21,49]). Auch im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika zeigte Amiodaron in der Sekundärprävention keinen Nutzen, das relative Risiko für SCD betrug 1,40 ([0,56–3,52]). Die Autoren wiesen hier aber explizit auf die sehr niedrige bzw. niedrige Qualität der Studien zur Sekundärprävention hin.

Unter Amiodaron traten vermehrt Komplikationen der Atmungsorgane und der Schilddrüse auf.

Amiodaron verringert in der Primärprävention das Risiko für plötzlichen Herztod. Die Effekte in der Sekundärprävention sind unklar.

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar aus der Praxis

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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz

Die Thematik dieser Meta-Analyse ist zwar ein „alter Hut“, das hier praktizierte methodische Vorgehen aber durchaus nicht. Es ist die erste Arbeit, die gezielt Defizite und Fehler bisheriger Publikationen zu vermeiden versucht. Im Gegensatz zu früheren Meta-Analysen werden sämtliche bislang zu dieser Thematik vorliegenden Studien berücksichtigt bzw. ein Ausschluss begründet. Zum zweiten wird im Gegensatz zu bisherigen Meta-Analysen systematisch zwischen Primär- und Sekundärprävention des plötzlichen Herztodes unterschieden.

Bemerkenswert und plausibel ist die Gewichtung der Ergebnisse der Meta-Analyse nach der Qualität der Evidenz. Nach der sogenannten GRADE-Klassifikation wird die Qualität der Evidenz folgendermaßen gewichtet:

  • hohe Qualität,

  • moderate Qualität,

  • niedrige Qualität und

  • sehr niedrige Qualität.

Obwohl der Amiodaron-Einsatz in mehr als 20 kontrollierten Studien mit fast 10 000 Patienten untersucht wurde, wird die Qualität der Evidenz als sehr niedrig, niedrig oder allenfalls moderat eingeschätzt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und liegen u. a. in der in Heterogenität der untersuchten Patientenpopulationen.

Implikationen für die Praxis | In der Prävention des plötzlichen Herztodes ist Amiodaron deutlich weniger effektiv als der implantierbare Defibrillator. Es sollte nur dann zur Primärprävention des plötzlichen Herztodes eingesetzt werden, wenn ein Defibrillator z. B. aus Kostengründen nicht zur Verfügung steht. In der Sekundärprävention des plötzlichen Herztodes sollte Amiodaron derzeit nicht eingesetzt werden.

Bei moderater Dosierung (200–300 mg täglich) ist es auch bei längerfristiger Therapiedauer ausreichend gut verträglich. Zu bedenken ist, dass innerhalb der zitierten kontrollierten Studien die Amiodaron-Therapie engmaschig überwacht wurde.

Insgesamt sind die Ergebnisse dieser Meta-Analyse weder neu noch überraschend. Sie bestätigen vielmehr die derzeitigen Leitlinien zur Prävention des plötzlichen Herztodes.


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Interessenkonflikte

keine.


Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Klinikum Stephansplatz, Hamburg
Deutsche Herzstiftung, Frankfurt / Main


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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz