Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(06): 386
DOI: 10.1055/s-0042-100942
Aktuell publiziert
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Lungenembolie: Wirksamkeit alter und neuer Antikoagulanzien vergleichbar

Old and new anticoagulants are similarly effective
Jochen Müller-Ehmsen
1   3. Medizinischen Abteilung, Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Asklepios Klinik Altona
› Author Affiliations
Robertson et al.
Oral direct thrombin ….

Cochrane Database Syst Rev 2015; CD010957
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Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen
Chefarzt der 3. Medizinischen Abteilung, Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Asklepios Klinik Altona

Publication History

Publication Date:
16 March 2016 (online)

 

Die Therapie einer Lungenembolie mit Heparinen und Vitamin-K-Antagonisten erfordert eine regelmäßige Überwachung, besonders wegen des hohen Risikos für schwere Blutungen und des engen therapeutischen Fensters. Direkte orale Antikoagulanzien sollen diesen Probleme vorbeugen. Ein Cochrane-Review hat nun die Wirksamkeit der direkten Thrombin-Inhibitoren und Faktor-Xa-Inhibitoren mit der Standardtherapie verglichen.


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In das Review wurden 5 Studien mit insgesamt 7897 Patienten mit gesicherter Lungenembolie eingeschlossen. Die Patienten erhielten über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten entweder Dabigatran (2 Studien) oder einen Faktor-Xa-Inhibitor (Rivaroxaban, Edoxaban oder Apixaban, jeweils eine Studie).

Die Wirksamkeit von Dabigatran war vergleichbar mit der Standardtherapie: Sowohl Rezidive der Lungenembolie als auch Rezidive der venösen Thromboembolie schienen in beiden Gruppen gleich häufig aufzutreten (Odds ratio 1,02, 95 %-Konfidenzintervall [0,5–2,04]; bzw. OR 0,93, [0,52–1,66], beides hohe Qualität der Evidenz). Für die sekundären Endpunkte tiefe Venenthrombose und schwere Blutungen wurden ebenfalls keine Unterschiede gefunden (hohe Qualität der Evidenz).

Die Studien zu Faktor-Xa-Inhibitoren waren heterogen. Hier betrug das Odds ratio für rezidivierende Lungenembolie 1,08 ([0,63–1,15], moderate Qualität der Evidenz). Auch für die Endpunkte Rezidiv einer venösen Thromboembolie und schwere Blutungen zeigte sich kein Unterschied zwischen der Standardtherapie und den Faktor-Xa-Inhibitoren.

Bei Lungenembolie war die Wirksamkeit direkter oraler Antikoagulanzien vergleichbar mit der Standardtherapie. Die neuen Wirkstoffe sind daher eine mögliche Behandlungsalternative, da sie unproblematisch oral verabreicht werden und keine regelmäßige Überwachung erfordern, betonen die Autoren.

Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen

Kommentar aus der Praxis

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Prof. Dr. med. J. Müller-Ehmsen

Die hier zusammengefasste Cochrane-Analyse kommt zu dem Schluss, dass die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) bei Lungenembolie eine effektive und sichere Alternative zur früheren Standardtherapie mit Heparinen und Vitamin-K-Antagonisten sind. Das ist ein klares Ergebnis und gibt Sicherheit für den verordnenden Arzt: Mit den neuen oralen Antikoagulanzien liegt man bei Lungenembolie nicht falsch.

Interessanter ist allerdings die Frage, ob der Einsatz der DOAK bei Lungenembolie vorteilhaft ist gegenüber dem herkömmlichen Therapieregime. Dieses Ergebnis zeigt uns die vorliegende Analyse leider nicht – kann sie auch gar nicht. Wie alle Cochrane-Reviews zeichnet sich auch die hier vorgestellte Meta-Analyse durch ein hohes Maß an formaler Korrektheit und methodischer Exaktheit aus.

Genau diese methodische Exaktheit verhindert aber auch ein „zwischen den Zeilen (also den Studien) lesen“, welches für den Arzt bei seiner konkreten Therapieentscheidung manchmal besonders wichtig ist: Welcher Patient profitiert wirklich von welcher Therapie?

Zwar waren die Designs der zusammengefassten Studien ähnlich, aber sie waren nicht identisch. In einigen der Studien wurde zunächst parenteral mit Heparin vorbehandelt, bei anderen konnte direkt mit dem DOAK (aber in erhöhter Dosis) begonnen werden. Manche der in der Cochrane-Analyse erfassten Endpunkte, z. B. Rezidiv einer Lungenembolie, wurden nicht in allen der analysierten Studien isoliert erfasst. Das mindert die Aussagekraft. Zusätzlich wurden dann aber auch aus (korrekten) methodischen Gründen die Blutungskomplikationen aus der AMPLIFY-Studie nicht berücksichtigt. Diese Ergebnisse zeigten aber einen Vorteil von DOAK.

Insgesamt ist es gut und richtig, dass Cochrane versucht, sehr frühzeitig zu einem Gesamturteil über den Einsatz neuer Medikamente zu gelangen. Allerdings ist dieses Gesamturteil im konkreten Fall nicht viel mehr als die Bestätigung dessen, was wir schon aus den einzelnen Studien wussten: DOAK sind genauso effektiv und sicher bei der Behandlung einer Lungenembolie wie die konventionelle Antikoagulation. Nicht berücksichtigt wurden allerdings Daten zur Verträglichkeit, Therapietreue, Lebensqualität und Kosteneffektivität.


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Interessenkonflikte

Vortragshonorare von Pfizer, Bristol-Meyer-Squibb, Bayer und Boehringer Ingelheim.


Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen
Chefarzt der 3. Medizinischen Abteilung, Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Asklepios Klinik Altona


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