Pneumologie 2016; 70(10): 621-622
DOI: 10.1055/s-0042-117053
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulant erworbene Pneumonie durch Haemophilus influenzae – Neue Einblicke durch die CAPNETZ-Studie

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Publication Date:
10 October 2016 (online)

 

    Haemophilus influenzae ist nach Pneumokokken, Influenza und Mykoplasmen der häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP). Spezifische Daten zum klinischen Verlauf der H. influenzae-CAP beim Erwachsenen, basierend auf größeren Fallzahlen, fehlten jedoch bislang [1].

    H. influenzae als Pneumonieerreger findet sich insbesondere bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, Patienten ab 65 Jahren und Patienten mit rezidivierenden Pneumonien. Da die Resistenzraten von H. influenzae gegenüber den bei CAP häufig eingesetzten Aminopenicillinen +/- Betalaktamase-Inhibitor und Cephalosporinen der 2. und 3. Generation ansteigen [1–3] und die Wirksamkeit von Makroliden aufgrund eines intrinsischen Effluxmechanismus unsicher ist [4, 5], kann die H. influenzae-CAP eine therapeutische Herausforderung darstellen. Bislang liegen allerdings keine prospektiven Studien vor, die das Therapieansprechen unterschiedlicher empirischer Antibiotika-Regime bei H. influenzae-CAP untersucht haben.

    Ziel der vorliegenden CAPNETZ-Studie [6] war es daher, klinische Charakteristika, Schwere der Erkrankung und Mortalität bei erwachsenen Patienten mit gesicherter H. influenzae-Monoinfektion (n = 127) im Vergleich zu Patienten mit CAP durch einen anderen gesicherten Erreger (n = 2614) sowie zu Patienten mit CAP ohne Erregernachweis (n = 6558) anhand der CAPNETZ-Kohorte von 2002 bis 2013 statistisch auszuwerten. Eine gesicherte H. influenzae-Infektion wurde bei einer positiven Kultur aus sterilem Material (Blut oder Pleuraflüssigkeit) oder bei einem signifikanten Nachweis in respiratorischem Material angenommen. Hierfür wurde nur Sputum von hoher Qualität (entsprechend den Bartlett-Kriterien ab Gruppe 4) und hoher Keimzahl ≥ 100 000 koloniebildende Einheiten pro Milliliter (KBE/ml) akzeptiert. Bei Vorliegen einer bronchoalveolären Lavage mussten zumindest 10 000 KBE/ml nachgewiesen sein.

    Der Großteil der H. influenzae-CAP wurde über respiratorisches Material diagnostiziert (n = 173/176). Bei 7 von 42 Patienten, bei denen Blutkulturen entnommen wurden, zeigte sich eine Bakteriämie. Um den Einfluss von zusätzlichen Ko-Pathogenen auszuschließen, wurden Patienten mit H. influenzae Ko-Infektionen bei der statistischen Analyse der klinischen Charakteristika ausgeschlossen (n = 49). Patienten mit Monoinfektion wurden im Vergleich zu Patienten mit anderem Erreger oder unklarer Ätiologie seltener stationär aufgenommen (42,5 vs. 70,5 vs. 69,9 %; p < 0,001). Zudem hatten die hospitalisierten Patienten niedrigere 30- und 90-Tages-Mortalitätsraten von 2 und 5,9 % (p > 0,05). Als Hauptrisikofaktor für H. influenzae wurde das Vorliegen einer chronischen Atemwegserkrankung identifiziert.

    Seit Dezember 2009 werden bei CAPNETZ die unterschiedlichen respiratorischen Komorbiditäten differenziert. Hierbei zeigte sich, dass nur COPD mit einem erhöhten Risiko für H. influenzae-Monoinfektion assoziiert war. Darüber hinaus hatten Patienten mit H. influenzae-Pneumonie häufiger ein purulentes Sputum, waren häufiger mit der 23-valenten Pneumokokken-Polysaccharidvakzine geimpft und hatten seltener chronische Nieren- oder cerebrovaskuläre Erkrankungen. Pneumokokken-Impfung und chronische Atemwegserkrankung korrelierten schwach aber signifikant miteinander. Es bleibt unklar, ob es durch die Impfung mit der Pneumokokken-Polysaccharidvakzine tatsächlich zu einem Erregerwechsel von Pneumokokken zu H. influenzae kommt oder, ob die Pneumokokken-Impfung nur ein Surrogatparameter für eine respiratorische Komorbidität/COPD ist.

    Zur Beurteilung der klinischen Wirksamkeit unterschiedlicher empirischer Therapieregime bei Patienten mit Monoinfektion wurde das frühe klinische Ansprechen am Tag 4 (definiert als klinische Stabilität nach FDA-Kriterien [7]) und eine Heilung am Tag 14 evaluiert. Daten zur empirischen Therapie bei Monoinfektion und dem Outcome lagen für 124 Patienten vor. Die numerisch höchsten klinischen Ansprechraten wurden unter einer Fluorchinolon-Therapie (96,7 %) und die niedrigsten Ansprechraten unter einer Makrolid-Monotherapie (70 %) detektiert. Die niedrigere Ansprechrate scheint vor dem Hintergrund, dass die mit Makrolid-Monotherapie behandelten Patienten durchschnittlich jünger waren, den niedrigsten CAP-Schweregrad zeigten und seltener nicht-respiratorische Komorbiditäten hatten, besonders relevant.

    Damit liefert unsere Studie erstmals klinische Daten zur Pneumonie, die die kritische Positionierung des Europäischen Komitees für antimikrobielle Resistenztestung (EUCAST) hinsichtlich der eingeschränkten klinischen Wirksamkeit von Makroliden gegen H. influenzae unterstützen. In der multivariaten logistischen Regressionsanalyse konnte ein signifikanter Einfluss des Antibiotikaregimes auf die frühe klinische Ansprechrate am Tag 4 nicht mehr nachgewiesen werden. Nur noch der initiale Schweregrad (CURB65-Score) und das Vorhandensein einer chronischen Lebererkrankung waren unabhängig mit einem verzögerten frühen Therapieansprechen assoziiert.

    Es ist nicht erstaunlich, dass diese beiden Parameter als Risikofaktoren für ein frühes Therapieversagen identifiziert wurden, da beide als Prädiktoren für einen schweren Verlauf bekannt sind. Wurden in der multivariaten Analyse jedoch alle Patienten mit H. influenzae-Pneumonie (einschließlich Mischinfektionen) berücksichtigt, war auch die Makrolid-Monotherapie unabhängig mit einem verzögertem klinischen Ansprechen assoziiert [6]. Die Sensibilitätsraten der H. influenzae-Isolate lagen bei 97,9 % für Ciprofloxacin, 95,7 % für Imipenem, 90,4 % für Doxycyclin, 89,4 % für Ceftriaxon und Amoxicillin/Clavulansäure, 75,5 % für Ampicillin und 9,6 % für Clarithromycin entsprechend den Grenzwerten nach EUCAST.

    Bei über einem Viertel der Patienten (33 von 124) mit H. influenzae-Pneumonie wurde die initiale empirische Therapie umgestellt, allerdings erfolgte nur bei 12 % aller Patienten die Umstellung aufgrund eines Therapieversagens. Die klinische Heilung am Tag 14 war mit 91,9 % hoch.

    Resümee

    Zusammenfassend zeigte eine CAP durch H. influenzae einen eher milden Verlauf. Hauptrisikofaktor für diesen Erreger ist eine COPD. Darüber hinaus gibt die vorliegende CAPNETZ-Studie erstmals Hinweise auf ein verzögertes klinisches Ansprechen bei H. influenzae-CAP unter einer empirischen Makrolid-Monotherapie. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nationale und internationale CAP-Leitlinien eine Makrolid-Monotherapie bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen nicht empfehlen.

    Dr. Christina Forstner, Prof. Mathias W. Pletz und die CAPNETZ Study Group

    Literatur

    1. Van Eldere J, Slack MP, Ladhani S et al. Non-typeable Haemophilus influenzae, an under-recognised pathogen. Lancet Infect Dis 2014; 14: 1281–1292

    2. Cherkaoui A, Diene SM, Emonet S et al. Ampicillin-resistant Haemophilus influenzae isolates in Geneva: serotype, antimicrobial susceptibility, and β-lactam resistance mechanisms. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2015; 34: 1937–1945

    3. Skaare D, Anthonisen IL, Kahlmeter G et al. Emergence of clonally related multidrug resistant Haemophilus influenzae with penicillin-binding protein 3-mediated resistance to extended-spectrum cephalosporins, Norway, 2006-2013. Euro Surveill 2014; 19 (49)

    4. Bogdanovich T, Bozdogan B, Appelbaum PC. Effect of efflux on telithromycin and macrolide susceptibility in Haemophilus influenzae. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 893–898

    5. Jacobs MR, Johnson CE. Macrolide resistance: an increasing concern for treatment failure in children. Pediatr Infect Dis J 2003; 22 (Suppl. 8): S131–138

    6. Forstner C, Rohde G, Rupp J, Schuette H, Ott SR, Hagel S, Harrison N, Thalhammer F, von Baum H, Suttorp N, Welte T, Pletz MW, the CAPNETZ Study Group . Community-acquired Haemophilus influenzae pneumonia - New insights from the CAPNETZ study. J Infect 2016; 72: 554–563

    7. Food and Drug Administration, Division of Anti-Infective Products. Office of Antimicrobial. Briefing document. Endpoints and clinical trial issues in community-acquired bacterial pneumonia. Food and Drug Administration, Division of Anti-Infective Products, Office of Antimicrobial Products. www.fda.gov/downloads/advisorycommittees/committeesmeeting materials/drugs/anti-infectivedrugsadvisorycommittee/ucm275823.pdf; Stand: November 2011


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