Aktuelle Urol 2017; 48(05): 398-400
DOI: 10.1055/s-0043-110110
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Komplikationen nach kontinenter Harnableitung im Kindesalter

Jacobson DL. et al.
Update on Continent Catheterizable Channels and the Timing of their Complications.

J Urol 2017;
197: 871-876
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Publication Date:
30 August 2017 (online)

 

    Die chirurgische Rekonstruktion komplexer Fehlbildungen der unteren Harnwege bei Kindern erfordert häufig die Schaffung einer kontinenten Harnableitung. US-amerikanische Wissenschaftler haben untersucht, über welchen Zeitraum nach der Anlage eines katheterisierbaren Stomas mit spezifischen Komplikationen – beispielsweise einer erschwerten Katheterisierbarkeit, einer Stenose oder einer Stoma-Inkontinenz – gerechnet werden muss.


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    Umfangreiche peri- und postoperative Daten von 81 Patienten (Alter < 20 Jahre), die zwischen 2002 und 2014 aufgrund schwerer urogenitaler Fehlbildungen an der Vanderbilt University in Nashville/Tennessee chirurgisch behandelt worden waren, wurden ausgewertet. Der operative Eingriff umfasste neben komplexen rekonstruktiven Maßnahmen die Anlage eines MACE- (Malone antegrade continence enema) und/oder eines Mitrofanoff-Stomas. Über einen Zeitraum von durchschnittlich 80,1 Monaten wurden alle postoperativen Komplikationen erfasst und ihr Schweregrad mit Hilfe der Methode nach Clavien-Dindo klassifiziert.

    Ergebnisse Das mediane Alter der Patienten zum Operationszeitpunkt betrug 8,4 Jahre. In mehr als der Hälfte der Fälle war die zugrunde liegende Fehlbildung eine Spina bifida. Im Studienkollektiv wurden 119 katheterisierbare Stomata angelegt. In 45 Fällen (37,8 %) handelte es sich um ein MACE- und in 74 Fällen (62,2 %) um ein Mitrofanoff-Stoma. Bei 38 Kindern (46,9 %) kamen beide Stoma-Formen zum Einsatz. Die MACE-Stomata wurden zu 95 % aus der Appendix und seltener aus Zökum-Anteilen gebildet. Zur Anlage der Mitrofanoff-Stomata wurden in je rund 45 % der Fälle die Appendix bzw. das Ileum herangezogen.

    Im Studienkollektiv traten – mit einem Abstand zur Operation von durchschnittlich 24,2 Monaten – 48 spezifische, Stoma-assoziierte Komplikationen auf und machten 70 Interventionen erforderlich. Eine erschwerte Katheterisierung stellte die häufigste Komplikation dar. Hiervon waren nach durchschnittlich 29,9 Monaten 20,1 % der Stomata betroffen. Diesbezüglich wurden 41 Interventionen notwendig. Aus Ileumanteilen modellierte Stomata verursachten signifikant häufiger Schwierigkeiten bei der Katheterisierung als Appendix-Stomata. Eine Stenose trat bei 12,6 % der Stomata nach durchschnittlich 19,9 Monaten auf und führte zu 18 Interventionen. Eine Stoma-Inkontinenz, die in 4,2 % der Fälle nach durchschnittlich 23,1 Monaten diagnostiziert wurde, machte 7 Interventionen erforderlich.

    Innerhalb der ersten zwei Jahre nach Anlage einer kontinenten Harnableitung war eine statistisch signifikante Häufung Stoma-assoziierter Komplikationen nachweisbar. Im weiteren Zeitverlauf nahm die Gesamtrate der Komplikationen jedoch signifikant ab. Schwere Komplikationen traten ebenfalls gehäuft innerhalb von zwei Jahren nach der Operation auf und wurden im weiteren Zeitverlauf seltener. Leichtgradige Komplikationen nahmen hingegen mit zunehmendem Abstand vom Operationszeitpunkt nicht ab. Spezifische Komplikationen wurden bis zu acht Jahre nach dem Eingriff beobachtet.

    Fazit

    Die Ergebnisse der retrospektiven Untersuchung, so die Schlussfolgerung der Autoren, ermöglichen eine differenzierte Beratung betroffener Familien: Die Inzidenz Stoma-assoziierter postoperativer Komplikationen ist in den ersten zwei Jahren nach einer komplexen urogenitalen Rekonstruktion am höchsten. Mit leichteren Problemen muss jedoch auch im weiteren Verlauf gerechnet werden.

    Dr. med. Judith Lorenz, Künzell

    Kommentar

    In dieser sehr gelungenen Darstellung berichten die Autoren über ihre Erfahrungen mit katheterisierbaren Stomata (MACE sowie Mitrofanoff). Die Autoren führten diese Stomaanlagen im Rahmen komplexer rekonstruktiver Eingriffe durch. Die Klassifizierung der Komplikationen erfolgte nach Clavien-Dindo.

    Kaplan-Meier-Kurven wurden erstellt, die die Rate der Komplikationen im postoperativen Zeitverlauf stratifiziert nach Jahren darstellen. Daraus folgt, dass interventionsbedürftige postoperative Komplikationen (Clavien-Dindo 3A und 3B) besonders in den ersten beiden Jahren auftreten, in der vorgestellten Serie traten hier ungefähr 50 % der Komplikationen auf. Einfache Komplikationen (Clavien-Dindo 1) traten über den gesamten Beobachtungszeitraum in gleicher Häufigkeit auf.

    Zusätzlich ergab sich bei der Aufarbeitung der Daten, dass bei Verwendung der Appendix als kontinentem Kanal deutlich weniger Komplikationen auftraten als bei Neubildung eines kontinenten Kanals aus Ileum (Monti).

    Es ist es wert, diesen Artikel genau zu studieren. Er enthält viele Informationen, die uns helfen können Patienten und ihre Familien vor einem geplanten komplexen rekonstruktiven Eingriff zu beraten. Die Autoren haben ihre Daten sehr sorgfältig analysiert und in einer nachvollziehbaren Form dargestellt. Die Kaplan-Meier-Kurven zeigen sehr klar, auf welche Komplikationen Betroffene und Therapeuten vorbereitet sein sollten.

    Der Autor

    Prof. Dr. Dorothea Rohrmann, Sektion Kinderurologie, Universitätsklinikum Aachen


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