Aktuelle Urol 2017; 48(04): 274-276
DOI: 10.1055/s-0043-111112
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom: Überwachung nach negativer Biopsie mit MRT-basierten Verfahren

Rosenkrantz AB. et al.
Prostate Magnetic Resonance Imaging and Magnetic Resonance Imaging Targeted Biopsy in Patients with a Prior Negative Biopsy: A Consensus Statement by AUA and SAR.

J Urol 2016;
196: 1613-1618
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Publication History

Publication Date:
27 July 2017 (online)

 

    Immer häufiger beziehen Mediziner die MRT in die Diagnostik des Prostatakarzinoms ein. Sie könnte auch bei Patienten mit Karzinomverdacht, aber negativem histologischem Befund bei der Biopsie einen Stellenwert haben. US-amerikanische Urologen und Radiologen haben nun ein Konsensus-Papier veröffentlicht, das Hilfestellung zum Einsatz von MRT-basierten Verfahren in dieser Situation geben soll.


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    Insgesamt gibt es für Männer mit klinischem Verdacht auf ein Prostatakarzinom, aber ohne entsprechenden Nachweis in einer Prostatabiopsie eine Reihe von Optionen. Dabei könnte die MRT-gestützte Biopsie der wiederholten systematischen Standardbiopsie überlegen seine, was die Entdeckung klinisch relevanter Karzinome betrifft. Das gilt vor allem bei Patienten mit anhaltend erhöhten Werten des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum, unabhängig davon, wie viele vorherige Biopsien negativ ausgefallen waren.

    Für die MRT-gestützte Biopsie gibt es im Wesentlichen 3 Möglichkeiten:

    • Identifizierung der verdächtigen Läsionen auf den MRT-Aufnahmen und bei der anschließenden Biopsie unter sonografischer Kontrolle die gedankliche „Übersetzung“ der MRT-Lokalisation in das Sonografiebild

    • Durchführung der Biopsie in der MRT-Gantry, um so die korrekte Positionierung der Biopsienadel innerhalb der Läsion im MRT-Bild zu sichern

    • Fusionierung der „Live“-Sonografiebilder während der Biopsie mit präinterventionell angefertigten MRT-Aufnahmen mithilfe einer speziellen Software, sodass die Läsion direkt ins sonografische Bild projiziert wird

    Für alle 3 Ansätze existieren Studien, die den Nachweis klinisch relevanter Karzinome belegen. Es gibt aber bislang keine Arbeiten, die 2 oder 3 Ansätze direkt miteinander vergleichen, sodass die Wahl von der Erfahrung des Untersuchers und der Lokalisation der verdächtigen Befunde abhängen sollte. Vor allem die Biopsie kleiner und/oder schwierig erreichbarer Läsionen im anterioren oder apikalen Bereich der Prostata könnte von einer direkten Kontrolle durch die MRT profitieren. Auf jeden Fall sollten dabei aus jeder Läsion ≥ 2 Stanzzylinder entnommen werden.

    Ob zusätzlich zur MRT-gestützten Biopsie systematisch Sextantenbiopsien notwendig sind, ist umstritten. Die Experten raten zu einem Verzicht nur dann, wenn Qualitätssicherungsmaßnahmen die Aussagekraft der MRT-gestützten Proben bestätigt haben.

    Darüber hinaus sollten MRT-Aufnahmen auf jeden Fall mithilfe des PI-RADS (Prostate Imaging – Reporting and Data System, Version 2) klassifiziert werden. Bei einem PI-RADS-Score von 1 oder 2 (klinisch relevantes Karzinom ist sehr unwahrscheinlich oder unwahrscheinlich) kann auf eine sofortige Re-Biopsie zunächst verzichtet werden, bei Befunden mit einem Score von 4 oder 5 (klinisch relevantes Karzinom ist wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich) ist die sofortige Re-Biopsie indiziert. Für unklare Befunde (PI-RADS-Score 3) scheint eine sofortige Kontrollbiopsie nicht zwingend erforderlich, die in der Literatur angegebenen Karzinomnachweisraten bei diesem Befund sind uneinheitlich.
    Auf alle Fälle sollten die Patienten, bei denen man sich gegen eine sofortige Re-Biopsie entscheidet, engmaschig überwacht werden. Diese Überwachung umfasst serielle Bestimmungen der PSA-Konzentrationen, digital-rektale Untersuchungen und ggf. auch Kontroll-MRTs.

    Fazit

    Bei der Entscheidung zur Kontrollbiopsie bei Verdacht auf Prostatakarzinom und negativer Biopsie sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Die MRT und MRT-gestützte Biopsie können eine wertvolle Hilfe sein, aber wie in anderen Disziplinen hängt auch ihr Wert von der Erfahrung der Untersucher ab. Zusätzliche Marker wie das Prostate Cancer Antigen 3 (PCA3) oder Scores wie der Prostate Health Index könnten zukünftig bei der Entscheidung über Art und Zeitpunkt von Kontrollbiopsien helfen.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

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    Multiparametrische Prostata-MRT bei einem Prostatakarzinom. Das Karzinom ist biologisch durch typische „Cancer-Hallmarks“ gekennzeichnet (erhöhte Tumorzelldichte und verstärke Durchblutung aufgrund Neovaskularisation). Entsprechend ist die Kontrastdarstellung hypointens auf der T2w Aufnahme (Verlust des Drüsenaufbaus), hyperintens auf der DWI mit hohen b-Werten bzw. hypointens auf der ADCKarte (erhöhte Zelldichte). Bei der DCE ist eine frühe arterielle Kontrastmittelaufnahme nachzuweisen (Neovaskularisation) (Quelle: Schlemmer, H-P. Multiparametrische MR-Bildgebung beim Prostatakarzinom. Radiologie up2date 2017; 17: 43–60).
    Kommentar

    Nach der wissenschaftlichen Untersuchung von Biomarkern und Risikokalkulatoren für Patienten nach negativer systematischer Prostatabiopsie – leider ohne wegweisendes „Patentrezept“ – wächst die Datenlage für Re-Biopsien gestützt auf multiparametrischen MRTs (mpMRT) der Prostata. Dieses Konsensus-Statement auf Basis einer systematischen Literaturrecherche ist eine wertvolle Arbeit zur Beratung von Patienten.


    Das Statement unterstreicht, dass die diagnostische Kette von der Bildgebung über die gezielte Biopsie bis zur pathologischen Beurteilung einer regelmäßigen Qualitätssicherung bedarf. Dies zeigen beispielweise für das mpMRT eine Reihe von Arbeiten [1, 2]. Möglicherweise muss die Qualitätssicherung dieser Kette zukünftig in die fachliche Anforderung für OnkoZert-Prostatakarzinomzentren und Praxen aufgenommen werden, um einen Qualitätsstandard zu gewährleisten. Wir brauchen urologische und radiologische Experten. Diese neue Diagnostik-Kette verbraucht schließlich nicht unerhebliche Gesundheitsressourcen.


    Die Arbeit geht zu wenig auf einen zentralen Punkt ein: Die Fusionsbiopsie gibt uns Informationen über Tumore, deren klinische Einordnung schwierig ist. Für welchen Patienten ist welches Karzinom klinisch signifikant? Die meisten Definitionen basieren auf der systematischen Prostatabiopsie [3]. Um nicht zahlreiche Karzinome zu überschätzen, müssen neue Definitionen entwickelt werden. Solange es die nicht gibt, muss in unklaren Fällen mit dem Patienten eine Therapie durch ein fachurologisches Gespräch individuell abgewogen werden.


    Für die Praxis ist abzuleiten:

    1. Die Fusionsbiopsie kombiniert mit einer systematischen Biopsie nach negativer Erstbiopsie und weiterem Tumorverdacht ist die diagnostische Methode der Wahl bei PIRADS 3-Läsion oder höher.

    2. Patienten mit PIRADS IV oder V Läsionen ohne Tumornachweis in einer Kombination von systematischer und Fusionsbiopsie nach negativer Erstbiopsie bedürfen einer sehr engen fachurologischen Anbindung mit niedriger Schwelle zur erneuten Biopsie.

    3. Trotz negativem mpMRT werden in der systematischen Biopsie teilweise bis zu 23 % klinisch signifikante Karzinome entdeckt.


    Der Autor

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    Dr. Jost von Hardenberg, Klinik für Urologie der Universitätsmedizin Mannheim der Universität Heidelberg

    Literatur


    [1] Scheidler J, Weöres I, Brinkschmidt C, Zeitler H, Panzer S, Scharf M, Heuck A, Siebels M. Diagnosis of prostate cancer in patients with persistently elevated PSA and tumor-negative biopsy in ambulatory care: performance of MR imaging in a multi-reader environment. Rofo 2012; 184: 130 – 135.


    [2] Garcia-Reyes K, Passoni NM, Palmeri ML, Kauffman CR, Choudhury KR, Polascik TJ, Gupta RT. Detection of prostate cancer with multiparametric MRI (mpMRI): effect of dedicated reader education on accuracy and confidence of index and anterior cancer diagnosis. Abdom Imaging 2015, 40: 134 – 142.


    [3] Ploussard G, Epstein JI, Montironi R, Carroll PR, Wirth M, Grimm M-O, Bjartell AS, Montorsi F, Freedland SJ, Erbersdobler A, van der Kwast TH. The contemporary concept of significant versus insignificant prostate cancer. Eur Urol 2011; 60: 291 – 303.


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    Multiparametrische Prostata-MRT bei einem Prostatakarzinom. Das Karzinom ist biologisch durch typische „Cancer-Hallmarks“ gekennzeichnet (erhöhte Tumorzelldichte und verstärke Durchblutung aufgrund Neovaskularisation). Entsprechend ist die Kontrastdarstellung hypointens auf der T2w Aufnahme (Verlust des Drüsenaufbaus), hyperintens auf der DWI mit hohen b-Werten bzw. hypointens auf der ADCKarte (erhöhte Zelldichte). Bei der DCE ist eine frühe arterielle Kontrastmittelaufnahme nachzuweisen (Neovaskularisation) (Quelle: Schlemmer, H-P. Multiparametrische MR-Bildgebung beim Prostatakarzinom. Radiologie up2date 2017; 17: 43–60).
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    Dr. Jost von Hardenberg, Klinik für Urologie der Universitätsmedizin Mannheim der Universität Heidelberg