Z Orthop Unfall 2017; 155(05): 507-509
DOI: 10.1055/s-0043-116224
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Brandschutz im Krankenhaus: keine technische Lösung von der Stange

Bernhard Epping
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 October 2017 (online)

 

Immer wieder kommt es auch in Krankenhäusern zu Bränden mit Todesopfern. Danach oft erhobene Forderungen, durch einzelne technische Verbesserungen auf einen Schlag die Sicherheit zu erhöhen, entpuppen sich zumeist als voreilig. Experten mahnen zu einer Sicherheitskultur auf allen Ebenen.


#

Bochum, 30.09.2016, Brand im Bettenhaus 1 des Klinikums Bergmannsheil in den frühen Morgenstunden. Zwei Tote, 16 Verletzte, ein Sachschaden im 3-stelligen Millionenbereich. Und bundesweite Schlagzeilen. Der Grund für das Feuer war eine Tragödie: Eine 69-jährige Patientin hatte sich im 6. Stock des Klinikums mit brennbarem Desinfektionsmittel übergossen und gegen 02:30 Uhr angezündet. Das Feuer griff schnell auf das darüberliegende Dachgeschoss über.

Wochen später herrschte im Klinikum durchaus auch die Erleichterung darüber, dass keine Fehler nachweisbar waren. „Die Kernbotschaft für uns ist, dass alle Bedingungen eingehalten wurden“, erklärt Pressesprecher Robin Jopp vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil gGmbH.

Bochum ist kein Einzelfall, immer wieder mal brennt es in hiesigen Kliniken.

14.02.2017, Brand in der Rotkreuzklinik in Lindenberg im Westallgäu: 1 Toter, 7 Verletzte.

18.02.2017, Brand im Josefinum in Augsburg, einer Klinik für Psychiatrie. Zum Glück keine Todesopfer, die Rettungskräfte können eine bereits bewusstlose Patientin retten.

Eine valide Statistik zu Bränden in Krankenhäusern gibt es nicht. Wohl eine Übersicht vom Bundesverband Technischer Brandschutz e. V. (bvfa). Mitarbeiter des Branchenverbands in Würzburg werten dafür die allgemein zugänglichen Nachrichten aus. Und dokumentierten damit rund 40 Brände in hiesigen Krankenhäusern für das Jahr 2013, in den Jahren seither allerdings deutlich weniger.

Nach gleichem Vorgehen zählt der Verband auch die Brände in Alten- und Pflegeheimen. 111 Zwischenfälle mit 251 Verletzten und 16 Toten seien im Jahr 2016 in diesen „sozialen Einrichtungen“ zu beklagen, erklärt der bvfa am 17. Januar 2017 per Pressemeldung. Veränderungen zum Vorjahr seien nicht erkennbar.

Schicksalhaft? Fälle wie im Bergmannsheil unvermeidbar, da Brandstiftung? Alles getan, um Brände bestmöglich zu verhindern?

Das bleibt umstritten. Schon wenige Tage nach dem Brand im Bergmannsheil tauchten erneut Forderungen nach mehr technischen Schutzmaßnahmen auf, diesmal ging es besonders um den flächendeckendem Einbau von Sprinkleranlagen in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen. Im Bergmannsheil gab es sie nicht.

Der Brandschutz in Kliniken müsse verbessert werden, fordert der bvfa. Noch immer, so der Geschäftsführer des Verbands, Dr. Wolfram Krause, kämen zu selten Sprinkleranlagen in Alten- und Pflegeheimen zum Einsatz. Gesetzlich vorgeschrieben sind sie nicht. Doch zumindest in „Bereichen mit hohem Gefährdungspotenzial“ wie Patientenzimmer, Bettenlagern, Diagnosestationen und Ähnlichem sei der Einbau selbsttätiger Feuerlöschanlagen geboten, meint man bei den Herstellern.

Ähnlich sieht es die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Es werde Zeit, dass den 2000 Krankenhäusern und 13 000 Pflegeheimen selbstständige Löschanlagen gesetzlich vorgeschrieben werden, erklärte die Stiftung unmittelbar nach dem Bochumer Brand. Rund 40 Mal im Jahr brenne es in deutschen Krankenhäusern, noch häufiger in Behinderten- und Pflegeeinrichtungen. Doch Krankenhaus- wie Pflegeheimbetreiber reagierten ebenso halbherzig wie die Politik in den Ländern – kritisiert der Vorsitzende der Stiftung Eugen Brysch.

Die Protagonisten sehen den Vorteil der Anlagen darin, dass sie einen Brand an der Ursache bekämpfen, so lange in Schach halten, bis die Feuerwehr da ist und – auch die Entwicklung von Rauch, dessen Einatmen die eigentliche Todesursache bei vielen Opfern sei, zumindest bremst. „Bis dato ist uns kein Fall eines Brandes in einem Wohn- oder Pflegegebäude mit einer Sprinkleranlage bekannt, in dem es zu einem Todesfall kam“, erklärt Wolfram Krause per Pressemeldung des bvfa.

Auch einige Versicherer vergrößern das Lager der Befürworter der Anlagen. Allen voran der Konzern FM Global, der weltweit Firmen gegen die Folgen von Bränden versichert. Die Schadenshöhe sei dort, wo kein „ausreichender Sprinklerschutz“ installiert ist, 4- bis 5-fach erhöht, dies unterstreiche, dass ein ausreichender Sprinklerschutz die „wirksamste Form der Brandbekämpfung“ sei, wirbt das Unternehmen in einer Broschüre. Sprinkler würden helfen, einen Brand zu begrenzen oder gar zu löschen, bis die Feuerwehr eintrifft. Die ist nach FM Global-Zahlen im Schnitt 6 Minuten nach Auslösung eines Alarms vor Ort, doch schon 6 bis 8 Minuten nach Feuerentstehung hätten sich Brände bereits massiv ausgeweitet. Diese Zahlen stammen allerdings von der National Fire Protection Association in den USA und beziehen sich auf Brände in Hotels, sie sind nicht eins zu eins auf hiesige Krankenhäuser übertragbar.

Die Kosten eines Einbaus von Sprinkleranlagen taxiert der Versicherer mit 16 bis 32 Euro je Quadratmeter Neubau. Der nachträgliche Einbau im Altbau kommt allerdings deutlich teurer. Leider gab es von der hiesigen Dependance von FM Global auf Nachfrage kein konkretes Statement zum Nutzen für hiesige Kliniken oder eine Kosten-Nutzen-Abschätzung eines Einbaus.

Fest steht: Nur eine Minderheit der Krankenhäuser hat solche Anlagen. Mit 22 554 Sprinklern schützt das Johannes Wesling Klinikum Minden alle wichtigen Bereiche, lobt das Heft BrandschutzKompakt 2014 des bvfa. Motto: „Pro Bett mehr als 26 Sprinkler“. Das Klinikum mit rund 900 Betten ist eins von mehreren Häusern der Mühlenkreiskliniken in Westfalen, zugleich Uniklinik der Ruhr-Universität Bochum. Man habe dort in der Tat Sprinkleranlagen flächendeckend installiert, bestätigt Menhard Schoof, Abteilungsleiter Technik bei den Mühlenkreiskliniken. Allerdings sind sie für ihn kein universelles Allheilmittel, eine Forderung nach grundsätzlichem Einbau solcher Anlagen in Krankenhäusern lasse sich aus einem Einzelfall nicht ableiten, stellt Schoof klar. Die Sprinkler seien vielmehr Teil eines individuellen Brandkonzepts, für das man sich in Kooperation mit der Baugenehmigungsbehörde im konkreten Fall entschieden habe. Schoof: „Ein Brandschutzkonzept ist kein Standardprodukt, welches 1 : 1 für verschiedene Gebäude identisch umgesetzt werden kann. Eine pauschale Antwort zum generellen Einbau von Sprinklern gibt es daher nicht.“ Brandmelder, die direkt zur Feuerwehr geschaltet sind, sind hingegen in allen Kliniken des Unternehmens installiert.

Mehr Schutz durch technische Lösungen wie Sprinkleranlagen im Einzelfall Ja – nicht aber als Lösung per se für präventiven Brandschutz, ist der Tenor auch bei einer Reihe weiterer Experten. Entgegen ersten Presseberichten sah man Mitte 2017 bei der Bochumer Feuerwehr keinen Anlass, in einem Klinikaltbau wie dem Bergmannsheil den flächendeckenden Einbau von Sprinkleranlagen nach dem Brand nachträglich vorzuschreiben. Zu teuer und am Ende auch keine Garantie auf mehr Schutz bei solchen Brandstiftungen (siehe das Interview ab S. 509).

Ähnlich war bereits Anfang 2017 die Reaktion aus dem damals noch SPD-geführten Düsseldorfer Bauministerium. „Bei einem Brandereignis dieser Art, bei dem sich das Feuer durch den Einsatz von Brandbeschleunigern in kürzester Zeit zu einem Vollbrand entwickelt hat, helfen die baulichen und technischen Vorkehrungen, die für Sonderbauten aufgrund der Bauvorschriften vorzusehen sind, in der Regel nicht“, betonte der damalige Bauminister Michael Groschek in einer Ausschussvorlage.

Die Forderung nach einer Verschärfung der Standards müsse sich einer Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen, legte Pressesprecher Bernhard Meier im April 2017 auf Anfrage nach. Alle bestehenden Krankenhäuser mit Sprinkleranlagen nachzurüsten, würde die Budgets der Krankenhausbetreiber und letztlich die Versicherten massiv belasten. Und ein weiterer Hinweis solle „nicht zynisch klingen“, sei aber zu beachten: In Deutschland kämen pro Jahr etwa 400 Menschen durch Brände um, insgesamt, in allen Gebäuden einschließlich Krankenhäusern. In gleicher Zeit sterben nach Schätzungen 10 000 bis 15 000 Menschen infolge von Krankenhausinfektionen. Daher, so Meier, sei eine pauschale Forderung nach technisch maximalen Lösungen nicht unbedingt zielführend. Fazit für ihn: „Die gesetzlichen Bestimmungen zum anlagentechnischen Brandschutz sind auf effiziente Brandschutzkonzepte ausgerichtet.“

Die Brandschutzexpertin Petra Winkler hält eine flächendeckende Ausstattung von Krankenhäusern mit Brandmeldeanlagen für vorrangig. Sprinkleranlagen hätten nicht per se Priorität. Lebensbedrohlich für ans Bett gefesselte Patienten sei meist nicht das Feuer an sich, sondern eine Rauchvergiftung. Und dieser Rauch sei oft zeitlich lange vor dem Feuer da, erklärt Winkler im ZfOU-Interview. Eine Sprinkleranlage vermöge da wenig auszurichten, da sie erst bei hohen Temperaturen anspringt, wenn sich unter Umständen bereits viel Rauch entwickelt hat (siehe das Interview ab S. 511). Die Expertin moniert daher, dass Brandmeldeanlagen in den meisten Bundesländern nicht zwingend in Krankenhäusern vorgeschrieben sind. Der Gesetzgeber solle für präzisere Standards sorgen.

16 Bundesländer – Brandschutz mit Variationen

Brandschutz ist in Deutschland Sache der Bundesländer. „Es brennt offenbar in Deutschland in jedem Bundesland unterschiedlich“, bemängelt eine Insiderin beim bvfa diese seltsame Situation aufgrund des Föderalismus.

Doch nur einige wenige Bundesländer, allen voran Brandenburg, haben heute überhaupt ihre eigene Verordnung für Mindeststandards beim Bau von Krankenhäusern, einschließlich Standards für den Brandschutz. Etliche haben früher bestehende Vorschriften für Krankenhäuser sogar abgeschafft, als Beitrag für Abbau von Bürokratie.

So ist in NRW eine dort 1978 aufgelegte Krankenhausbauverordnung seit Ende 2009 nicht mehr gültig. Stattdessen greifen die allgemeinen Vorschriften des Baurechts.

Krankenhäuser definiert die Landesbauordnung in NRW als „große“ Sonderbauten, die beim Baugenehmigungsverfahren durch die Bauaufsichtsbehörde geprüft werden. Dabei müsse ein Bauträger von einem „staatlich anerkannten Sachverständigen“ zwingend ein Brandschutzkonzept vorlegen, das im Vorfeld von zuständigen Architekten und Ingenieuren der Bauaufsicht überprüft wird. Beteiligt sind auch die Brandschutzdienststellen, alias Feuerwehren.

Was der Brandschutz für Sonderbauten wie Krankenhäuser alles liefern muss, listet in NRW detailliert ein § 9 der Verordnung über bautechnische Prüfungen auf (BauPrüfVO). Von der Anlage der Leitungen für Löschwasser bis zur Einrichtung von Brandschutzzonen, Lage von Rettungswegen, maximalen Anzahl der Nutzer einer Einrichtung, Lage und Anzahl von Rauchabzugsanlagen, Anlagen zum Schutz elektrischer Leitungen, Angaben zur Ausstattung der Werksfeuerwehr, etc. etc. Auch „Angaben zur Lage und Anordnung von Brandmeldeanlagen“ sind nötig. Mindestens 2 Brandabschnitte seien schon in der Krankenhausbauverordnung von 1978 für jedes Obergeschoss im Pflegebereich generell Pflicht gewesen und nach wie vor „Grundsatz“ im Krankenhausbau, so das Düsseldorfer Ministerium.

Außerdem ginge es im Krankenhausbau heutzutage meistens um Umbauten bestehender Häuser, selten um Neubauten. Die komplexen Probleme aber, die bei Um- und Erweiterungsbauten zum Brandschutz auftreten, seien nicht in einer Rechtsverordnung zu regeln, vielmehr sei eine Prüfung in jedem Einzelfall nötig, klärt die Pressestelle des Düsseldorfer Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr auf. Und genau diese Prüfung in jedem Einzelfall sei heute Standard in NRW.

Zumindest manchen Experten sind die bestehenden Anforderungen nicht eindeutig genug. Petra Winkler fordert eine striktere Verankerung von Vorschriften für den Klinikbau in neuen Verordnungen. Hausaufgaben sieht die Expertin von der Firma hhpberlin bei einer veralteten Muster-Krankenhausbauverordnung (KhBauV) aus dem Jahr 1976. Aufgelegt von den Landesbauministern und Senatoren in einer Arbeitsgemeinschaft Bau (ARGEBAU). Diese Muster-Verordnung soll den Bundesländern als Vorlage für eigene Landesverordnungen dienen. Doch mit Baujahr 1976 wirkt das Muster in der Tat etwas angestaubt.

Für Hotels zum Beispiel gibt es eine aktuellere Musterverordnung aus dem Jahr 2000. Hotels mit mehr als 60 Betten müssen danach zwingend eine Brandmeldeanlage haben, die auf Rauch anspricht, Aufzüge brauchen eine Brandfallsteuerung, die auf Brandmeldeanlagen reagiert und schnell Aufzüge stilllegt, die sonst zur tödlichen Falle werden könnten.

Verglichen mit einem Hotel sind im Krankenhaus mehr Menschen gefährdet, sind ans Bett gefesselt, und können nicht fliehen. Die Muster-Krankenhausbauverordnung von anno 1976 bleibt im Vergleich trotzdem vage: „Krankenhäuser müssen eine ihrer Zweckbestimmung, Größe und Lage entsprechende Feuermeldeanlage haben.“ Aufzüge müssten Schächte in „feuerbeständiger Bauart“ aufweisen, und mindestens einer der Bettenaufzüge müsse als Feuerwehraufzug hergestellt sein.

Sieht schon so aus, als könnte man da noch ein wenig schärfen und präzisieren.


#
#