Pneumologie 2007; 61(4): 212
DOI: 10.1055/s-2007-974623
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Asthma - Pränataler Vitaminmangel als Ursache?

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Publication Date:
24 April 2007 (online)

 
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Die steigende Inzidenz von Asthmaerkrankungen bei Kindern ist in der Vergangenheit schon oft mit einem Vitaminmangel in Verbindung gebracht worden, konnte aber niemals in Studien belegt werden. Jetzt kommt eine prospektive Beobachtungsstudie zu dem Ergebnis, dass Kinder 5-mal häufiger an persistierendem Asthma erkranken, wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft mit Vitamin E unterversorgt waren. Auch für Zink wird eine - wenn auch schwächere Assoziation - beschrieben. Am J Respir Crit Care Med 2006;174:499-507

Im Jahr 1994 stellte Prof. Anthony Seaton von der Universität Aberdeen die Hypothese auf, dass die in den Industrieländern verbreitete Unterversorgung mit antioxidativen Vitaminen und Spurenelementen für die steigende Asthmaprävalenz verantwortlich sei. Hierfür wurde später auch eine Reihe von Hinweisen aus epidemiologischen Studien gefunden: Asthmaerkrankungen traten häufiger bei Kindern und Erwachsenen auf, die sich vitamin- und spurenelementearm ernährten und deshalb niedrige Plasmaspiegel dieser lebenswichtigen Substanzen hatten. Trotzdem fehlt der Beweis dafür, dass eine Supplementierung hilfreich ist. Denn die wenigen randomisierten Studien hierzu verliefen alle negativ.

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Zeitpunkt der Einnahme entscheidend?

G. Devereux et al. vertreten in ihrer Publikation die These, dass der Zeitpunkt der Einnahme entscheidend sei, nämlich während der pränatalen Entwicklungsphase der Lungen. Um ihre Hypothese zu stützen, stellten sie jetzt die Ergebnisse einer prospektiven Beobachtungsstudie vor. Bei 1856 Schwangeren wurden in der 12. Gestationswoche Blutproben zur Bestimmung der Vitaminkonzentration entnommen. In der 32. Woche füllten die Schwangeren einen Diätfragebogen aus, aus dem die Zufuhr mit Vitaminen und Spurenelementen berechnet wurde. Diese Untersuchungen fanden 1997-1999 statt. Seitdem untersucht die Gruppe, ob die Unterversorgung mit Vitaminen und Spurenelementen mit späteren Atopien oder allergischen Erkrankungen der Kindern korreliert. Die erste Untersuchung fand nach der Geburt statt: Eine abnorme zelluläre Antwort der Monozyten im Nabelschnurblut, die auf eine "allergische" Prädisposition hindeuten könnte, fand das von G. Devereux geleitete Team nicht. Danach wurden die Kinder im Alter von 2 Jahren untersucht. Auch zu diesem Zeitpunkt deutete nichts auf eine allergische Störung hin.

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Negative Assoziation bei 5-Jährigen gefunden

Erst im Alter von 5 Jahren fanden die Autoren, wonach sie suchten: Eine negative Assoziation zwischen Vitamin E bei den Müttern und Asthmaerkrankungen der Kinder. Bei einer Vitamin-E-Unterversorgung der Mütter während der Schwangerschaft stieg das Risiko der Kinder auf eine persistierende Asthmaerkrankung um den Faktor 5,14 (95%-Konfidenzintervall von 1,49-17,7; p = 0,01).

Die Assoziation betraf dabei nur die mangelnde Vitamin-E-Zufuhr in der 32. Schwangerschaftswoche und nicht die Serumkonzentration. Damit war eine unsichere Angabe der Mütter (Ernährungsfragebogen) mit einer ebenso unsicheren Diagnose "persistierendes Asthma" assoziiert, denn die Diagnosen wurden nicht den Krankenakten entnommen, sondern von den Müttern erfragt.

Bei den "härteren" Daten war die Assoziation weniger deutlich und nur in wenigen Punkten signifikant: Die Plasmawerte von α-Tocopherol in der 12. Gestationswoche waren mit einer Sensitivierung im Hautpricktest negativ assoziiert. Die Autoren errechneten eine Odds Ratio (OR) von 0,60 (95%-Konfidenzintervall 0,40-0,91; p = 0,02), also eine Reduktion um etwa 40%.

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Signifikant negative Assoziation mit α-Tocoferol-Spiegeln während der Geburt

Für die Bestimmung der NO-Exhalation (als Parameter für Entzündungen in den Atemwegen) fanden sich widersprüchliche Angaben. Eine signifikante negative Assoziation bestand nur mit den a-Tocoferol-Spiegeln während der Geburt, nicht aber mit den Werten während der Schwangerschaft, wie man erwarten sollte. Die Autoren versuchten diesen Widerspruch aufzulösen, indem sie einen "dualen Effekt" postulierten. Danach soll sich die Vitamin-E-Versorgung während der Schwangerschaft auf die Lungenfunktion auswirken. Hierfür spricht auch eine Assoziation der post-bronchodilatorischen FEV1-Werte der 5-jährigen Kinder mit der Vitamin-E-Versorgung der Schwangeren. Für die allergische Seite der Erkrankung, also die NO-Exhalation, sollte hingegen die Vitamin-E-Versorgung des Kindes in der Postnatalphase von Bedeutung sein.

Für Zink ergaben sich ebenfalls nur wenige, die Hypothese bestätigende, signifikante Assoziationen, die ausschließlich die klinische Diagnose (in der Mitteilung der Mütter) betrafen, nämlich eine negative Beziehung zwischen der Zufuhr in der Schwangerschaft und einer Asthmadiagnose (OR 0,83; 0,71-0,78) und aktivem Asthma (OR 0,72; 0,59-0,89).

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Fazit

Dass diese Befunde allgemein als Beleg für die Vitaminmangelhypothese der Asthmaentstehung anerkannt werden, muss bezweifelt werden, zumal der eigentliche Beweis, die Durchführung einer randomisierten, kontrollierten Studie, noch aussteht. Und dieser konnte in früheren Untersuchungen nicht erbracht werden.

Rüdiger Meyer, Hannover