Pneumologie 2007; 61(6): 347-348
DOI: 10.1055/s-2007-982587
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Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin - Thoraxonkologie in Deutschland - Update 2007

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14 June 2007 (online)

 
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Zum 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. trafen sich Pneumologen aus ganz Deutschland unter der Leitung von Prof. Gerhard W. Sybrecht, Homburg/Saar, im März 2007 in Mannheim. In der Thoraxonkologie wurden die aktuellen "Targeted Therapies" und der Übergang von der Therapie zur Palliation diskutiert.

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1. Targeted Therapies

Unter Targeted Therapies versteht man die gerichtete Antagonisierung oder Inhibition von diversen biologischen Zielstrukturen der Krebszelle. Zu diesen Zielstrukturen gehören Wachstumsfaktoren und Rezeptoren für Wachstumsfaktoren, die Angiogenesehemmung, die Blockade von Signalübertragungswegen in der Zelle, die Proteasomenhemmung, tumorassoziierte Antigene und Marker und die Inhibition von Mechanismen des Zellüberlebens.

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Antagonisierung multipler Pathways mit Multikinase-Inhibitoren

Einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand der targeted Therapies bot Dr. Berthold Fischer, Mainz. Insbesondere die Antagonisierung multipler Pathways mit Multikinase-Inhibitoren sei ein erfolgsversprechender Ansatz der zielgerichteten Therapien. Dabei führe die Hemmung der Angiogenese dazu, das lokale Tumorwachstum und die Metastasierung von soliden Tumoren zu verhindern, sagte Fischer. Der Pneumologe beschränkte sich auf Substanzen, die für die Indikation Lungenkrebs noch nicht zugelassen sind. PTK/ZK ist ein neu entwickelter, oral verfügbarer, antiangiogenetischer Tyrosinkinase-Inhibitor, der gegen die VEGFR (Vascular Endothelial Growth Factor Receptor)-Tyrosinkinasen 1-3 sowie gegen die Tyrosinkinasen PDGFR-b (Platelet Derived Growth Factor Receptor beta) und c-KIT (Stammzellfaktor Rezeptor) gerichtet ist. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von PTK/ZK beim fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC, Stadium IIIB/IV) wurde in der Zweitlinientherapie nach einer platinbasierten Erstlinientherapie in einer internationalen, multizentrischen, prospektiven, einarmigen, Proof-of-Concept Phase-II-Studie (GOAL-Studie) geprüft. Dabei zeigte sich, dass die Therapie mit der neuen Substanz gut vertäglich war und die Rate an Krankheitsstabilisierungen bei Patienten mit redzidiviertem oder refraktärem NSCLC hoch war.

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Schwere Hämorrhagien als Nebenwirkung

Sunitinib inhibiert oral verabreicht VEGFR 1 und 2, c-KIT, PDGFR sowie FLT-3 (FMS-like Tyrosine Kinase 3). Im Rahmen von klinischen Studien wurde Sunitinib in der Zweit- und Drittlinientherapie vom nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) geprüft. Dabei zeigte sich, dass es bei kleinen Patientenpopulationen (n = 63) in etwa 9,5% der Fälle zu einer partiellen Remission kam. Unter der Therapie traten jedoch schwere Nebenwirkungen (Grad 5, n = 3) in Form von Hämorrhagien in Lunge und Hirn auf (M. A. Socinski et al., J Clin Oncol 2006; 24/18S:7001). Hier bestehe laut Fischer weiterer Forschungsbedarf.

Der orale Multikinase-Inhibitor Sorafinib hemmt den Signalübertragungsweg der RAF-Kinasen C und B sowie die Angiogenese über eine Inhibition von VEGFR-2, VEGFR-3 und PDGFR. Gatzemeier et al. führten 2006 eine multizentrische, unkontrollierte Phase-II-Studie durch, die die Effektivität und Sicherheit bei Patienten mit rezidivierendem und refraktärem NSCLC untersuchte. Unter der Therapie kam es zu einem medianen Gesamtüberleben von 7,3 Monaten. "Es laufen im Moment weitere Studien zur NSCLC-Therapie mit Sorafinib, darunter auch eine Phase-III-Studie," erklärte Fischer. ZD6474, auch Vandetanib genannt, wirkt als dualer Inhibitor von VEGFR-2 und EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor). Oral verabreicht konnte es in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem refraktärem NSCLC das progressionsfreie Überleben verbessern (um 2,8 Monate). Aktuell beginnt eine große Phase-III-Studie, bei der die Substanz als Zweitlinientherapie bei fortschreitendem oder metastasiertem NSCLC in Kombination mit dem Multienzymhemmer Permetrexed eingesetzt werden soll. Der Proteasominhibitor Bortezomib ist als Zweitlinientherapie beim progressiven multiplen Myelom zugelassen. Die Injektionslösung wurde 2006 von Fanucchi et al. in einer randomisierten Phase-II-Studie alleine oder in Kombination mit Docetaxel als Zweitlinientherapie beim fortgeschrittenem refraktärem NSCLC verabreicht. Das progressionsfreie Überleben besserte sich unter der alleinigen Bortezomibtherapie nur mäßig (um 1,5 Monate), unter der Kombinationstherapie kam es zu einem Anstieg des progressionsfreien Überlebens auf durchschnittlich 4 Monate.

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Kombination von mehreren targeted Therapies?

In der Kombination von verschiedenen Arzneimitteln aus dem Bereich der targeted Therapies sah Fischer einen weiteren Ansatz in der Therapie des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms. So könne sich in laufenden Studien auch die Kombination aus Sunitinib und den EGFR-1-Blocker Erlotinib als erfolgreich erweisen. Wie solche kombinierten, individualisierten und sehr teuren Therapien künftig bezahlt werden sollen, sei eine wichtige und offene Frage.

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Impfstoff gegen NSCLC

Das liposomale Vakzin L-BLP-25 richtet sich gegen das von Krebszellen überexprimierte und aberrant glykolisierte Muzin MUC 1. In der randomisierten Phase-IIB-Studie durch Butts et al. (2005) wurden NSCLC-Patienten im Stadium IIIB oder IV mit einer Best-Supportive-Care-Therapie plus L-BLP-25 oder mit L-BLB-25 alleine behandelt. Unter der kombinierten Therapie zeigte sich ein verbessertes medianes Überleben um 4,4 Monate (p = n.s.). Der größte Effekt mit 13,3 Monaten trat bei Patienten mit lokoregionalen Tumoren im Stadium IIIB auf. Der erste Patient wurde im Februar 2007 in die globale Phase-III-Studie START (Stimulating Targeted Antigenic Responses to NSCLC) aufgenommen. Nach Fischers Meinung bringe die Vielzahl an Substanzen bisher nur einen begrenzten praktischen Nutzen. Weitere randomisierte Studien müssten zeigen,

  • ob neue prädiktive Faktoren fassbar würden,

  • ob eine standardisierte Mutationsanalyse eine individualisierte Therapie bedinge,

  • ob sich andere Alternativen erschlössen oder

  • ob der kombinierte Einsatz von targeted Therapies einen Therapievorteil für die Patienten brächte.

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2. Palliativmedizin in der Thoraxonkologie

Bei Erstdiagnose eines Lungenkarzinoms weisen ca. 45% der Patienten Fernmetastasen auf. Die mediane Überlebenszeit liegt dann unter einem Jahr und die Therapie ist palliativ orientiert. Welche Möglichkeiten und welche Probleme diese Therapie bedingt, wurde im Rahmen eines Symposiums diskutiert.

Dr. Susanne Riha, Coswig, stellte die besondere Situation der Lungenkrebspatienten, die einer Palliation bedürfen, in den Vordergrund. Die Patienten empfinden ihre Situation oft als lebensbedrohlich, weil die Atemfunktion beim Lungenkrebs beeinträchtigt sein kann. Dies führe zu einer verminderten Sprechmöglichkeit und zu einer starken Angst vor Atemnot und Erstickung. Im Rahmen einer Befragung der Ärzte und Pfleger zum Thema "Ersticken" wurde deutlich, dass diese Angst eine Urangst ist, die auch diesen Berufsgruppen inne wohnt. Aus der Umfrage zog Riha den Schluss, dass Krebspatienten mit eingeschränkter Atemfunktion verstärkt psychoonkologisch betreut werden müssten, damit diese Angst nicht übermächtig wird.

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Verbesserte Lebensqualität ist das Ziel

Symptomkontrolle, Akzeptanz der Patientenentscheidung und die Berücksichtigung des Wunsches nach dem Ausbleiben von lebensverlängernden Maßnahmen seien die Grundkonstellationen der palliativen Therapie, die eine verbesserte Lebensqualität für den Patienten bedinge. Sehr wichtig sei die ausgiebige Kommunikation mit dem Patienten, dessen Wünsche in der palliativen Phase sehr wandelbar sein können. Dabei gerate der Arzt in einen Konflikt zwischen dem Wunsch zu heilen und der Erkenntnis, dass nicht mehr viel für den Patienten getan werden kann und dies auch gar nicht im Sinne des Patienten ist. Um diesen Konflikt als Arzt oder Pfleger zu verarbeiten, könne der Austausch mit anderen Mitarbeitern, die ebensolche Situationen kennen, sehr hilfreich sein, sagte Riha.

Die Basiselemente einer symptomatischen Therapie im Rahmen des Active Supportive Care (ASC) benannte Dr. Karl-Matthias Deppermann, Neuruppin. Ziele seien dabei:

  • eine maximale Lebensqualität,

  • eine Symptombefreiung,

  • eine Minimierung der Toxizität und

  • die Kommunikation mit dem Patienten.

Dabei könne die Lebensqualität anhand des LCSS (Lung Cancer Symptom Scale) oder des EORTC QLQ LC 13 gemessen und eingeschätzt werden (ETORC - European Organization for Research and Treatment of Cancer, QLQ - Quality of Life Questionnaire, LC - Lung Cancer Module). Die Therapiemodalitäten umfassten dabei die medikamentöse Therapie des Schmerz- und Dyspnoemanagements (sowie die Therapie von Husten und Kachexie), die systemische Chemotherapie inklusive der targeted Therapie als Zweitlinientherapie und die palliative Strahlentherapie. "Zunächst muss der Arzt die tumorspezifischen Symptome prospektiv erfassen", womit Deppermann die Kommunikation mit dem Patienten an den Therapieanfang stellte.

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Wege zur Symptombefreiung

Erfasst würden Schmerzen anhand von Schmerzkurven, wobei sich die Therapie am WHO-Stufenplan orientiere. In Stufe 1 bedeute dies die Gabe von nichtopioid-Analgetika, in Stufe 2 werden schwache Opioid-Analgetika verabreicht und in Stufe 3 starke Opioid-Analgetika sowie Kombinationen aus Stufe 2 und 3. Für die Patienten hat die Zufuhr von Sauerstoff eine große Bedeutung beim Dyspnoemanagement. Die Gabe von Morphin hat bei Luftnot einen positiven Effekt, der 45 Minuten bis 2 Stunden anhalten kann. Eine Polychemotherapie mit einer neueren Platinkomponente kann den Patienten nicht nur einen moderaten Überlebensvorteil bieten, sondern auch zu einer Reduktion der tumorassoziierten Symptome führen. Zusätzlich seien als Zweitlinientherapie beim NSCLC auch die zugelassenen targeted Therapies Doxetaxel (Taxotere®) und Erlotinib (Tarceva®) eine Option, um eine Symptombefreiung zu erreichen. Die palliativ-symptomatische Bestrahlung sollte eine kurze Radiotherapie beinhalten, wobei die Fraktionierung gering bleiben kann. Einmal 10 Gy oder 2-mal 16-17 Gy ist ausreichend. Dies führt zu einer Schmerzreduktion von 60-80%, die für etwa 2 Drittel der verbleibenden Lebensspanne anhält. Dabei sinkt auch bei symptomatischen Knochenmetastasen die Rate an pathologischen Knochenbrüchen.

Dr. Stefanie Bock, Stuttgart

 
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