Pneumologie 2008; 62(3): 121
DOI: 10.1055/s-2008-1075045
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Idiopathische Lungenfibrose - Telomerase-Mutationen bei der familiär gehäuften Form

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Publication Date:
28 March 2008 (online)

 
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Die idiopathische Lungenfibrose tritt mit einer gewissen familiären Häufung auf. Forscher haben jetzt Mutationen in Telomerase-Genen identifiziert, die sich in Form einer solchen erblichen Lungenfibrose manifestieren können. N Engl J Med 2007; 356: 1317-1326

Die Telomere der Chromosomen werden bei jeder Zellteilung verkürzt. Dies kann bei Unterschreiten einer kritischen Grenze zur Apoptose führen. Teilweise ausgeglichen wird die Verkürzung durch das Enzym Telomerase, das kurze DNA-Wiederholungseinheiten an die Enden der Chromosomen fügt. Das Enzym selbst besteht aus 2 Untereinheiten: einer katalytischen Komponente mit Reverse-Transkriptase-Aktivität (hTERT) und einer RNA-Komponente (hTR).

Laut Mary Armanios, Baltimore, USA, und Mitarbeiter spielen Mutationen der Telomerase-Gene hTERT und hTR eine Rolle in der Pathogenese der idiopathischen Lungenfibrose, die in 2-20% der Fälle mit familiärer Häufung auftritt. Den Anstoß zur vorliegenden Studie gab eine Untersuchung, in der Armanios et al. den Stammbaum einer Familie mit Dyskeratosis congenita untersuchten (Proc Natl Acad Sci USA 2005; 102: 15 960-15 964). Diese seltene Erbkrankheit ist üblicherweise durch die Trias Hyperpigmentierung der Haut, orale Leukoplakie und Nageldystrophie charakterisiert. Häufigste Todesursache ist Knochenmarksversagen gefolgt von pulmonalen Komplikationen. Bei den Patienten der untersuchten Familie fehlten jedoch die mukokutanen Manifestationen. Stattdessen wiesen sie eine Lungenfibrose auf, die klinisch und morphologisch der idiopathischen Lungenfibrose glich. Die Genanalyse ergab, dass die Betroffenen keine aktive Telomerase produzierten.

Die familiäre Form der idiopathischen Lungenfibrose wird ebenfalls autosomal-dominant vererbt. Armanios et al. stellten deshalb die Hypothese auf, dass die Erkrankung durch verkürzte Telomere verursacht wird und Mutationen der Telomerase-Gene eine Rolle spielen. Zur Überprüfung durchmusterten sie 73 Probanden (Patienten und Angehörige) aus 6 Familien des Vanderbilt Familial Pulmonary Fibrosis Registry. 19 Probanden litten an einer manifesten Lungenfibrose. Bei 6 Patienten fand sich eine heterozygote Mutation des Genes hTERT (n = 5) oder hTR (n = 1). Die Telomere waren bei ihnen signifikant kürzer als bei Verwandten ohne Mutation (p = 0,006). Bei asymptomatischen Trägern waren die Telomere ebenfalls verkürzt, das heißt sie könnten ein erhöhtes Risiko für die spätere Manifestation der Erkrankung haben. Die Vererbung erfolgte autosomal-dominant. In 5 der 6 Familien fehlten klassische Merkmale der Dyskeratosis congenita.

Verkürzte Telomere aktivieren Prozesse der DNA-Schädigung. Dies führt zum Zelltod bzw. stoppt den Zellzyklus. In der Folge kommt es bei Patienten mit Dyskeratosis congenita zum Organversagen in Geweben mit hoher Regenerations- bzw. Umsatzrate (Knochenmark, Haut, Gastrointestinaltrakt). Das Vorkommen einer Lungenfibrose bei Patienten mit Dyskeratosis congenita sowie der Nachweis von Telomerase-Mutationen in Familien mit idiopathischer Lungenfibrose legt nahe, dass verkürzte Telomere den kontinuierlichen Ersatz des bronchoalveolären Epithels limitieren.

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Fazit

Weisen Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose Mutationen der Gene hTERT oder hTR auf, sind die fibrotischen Veränderungen infolge verkürzter Telomere möglicherweise eher durch den Verlust an Alveolarzellen bedingt als durch direkte fibrotische Veränderungen. Dies würde das Versagen therapeutischer Ansätze erklären, die in Immun- und Entzündungskaskaden eingreifen. Stattdessen sollten zumindest in bestimmten Fällen Strategien verfolgt werden, die den Verlust der Alveolarzellen verhindern.

Dr. Matthias Herrmann, Berlin