1 Anforderungen an eine optimale Wundbehandlung bzw. Wundauflage
Jede Wunde ist einzigartig. Daher gibt es keine Standardtherapie für alle Wunden.
Insbesondere chronische Wunden müssen individuell unter Berücksichtigung der Ursache,
Wundheilungsphase und Komorbiditäten reevaluiert und therapiert werden.
Die Heilung solcher Wunden wird dadurch gefördert, dass ein dem jeweiligen Heilungsstadium
entsprechendes Wundmilieu geschaffen wird. Je geeigneter das Wundmilieu, desto effektiver
ist die Wundheilung.
1.1 Therapieziele
-
Erkennung und Beseitigung der Ursache der Wunde → Diagnosestellung
-
Minimierung von Risikofaktoren:
-
Minderdurchblutung
-
Immobilität
-
Adipositas
-
Lymphödem
-
Stauungsdermatitis
-
lokale Infektion
-
metabolische Noxen (Diabetes mellitus) etc.
-
phasengerechte Wundbehandlung
-
stadiengerechte Wundauflage
-
Wundreinigung/Wunddébridement
-
Förderung der Granulation und Epithelisierung bis zum Wundverschluss
-
Dokumentation
-
Steigerung der Lebensqualität.
1.2 Phasen der Wundheilung
Man unterscheidet vier Wundheilungsphasen. In einer Wunde können an unterschiedlichen
Stellen gleichzeitig verschiedene Phasen vorkommen.
1.2.1 Exsudationsphase/Reinigungsphase
Diese aktive Wundreinigungsphase ist gekennzeichnet durch ein ausgeprägtes Wundödem
und eine starke Exsudatbildung. Letztere unterstützt die Wundsäuberung durch die in
das Wundgebiet einwandernden Leukozyten, Monozyten und Makrophagen. Aufgelöster Wundschorf,
Zelltrümmer, Fremdkörper und Bakterien werden beseitigt.

Abb. 1.1 Exsudationsphase 1.

Abb. 1.2 Exsudationsphase 2.
Blickdiagnose: Wundschorf, Nekrosen, Fibrinbeläge, Zelldetritus und starke Exsudation (Abb. 1.1, Abb. 1.2).
Geeigneter Wundverband:
Hohe Flüssigkeitsaufnahmekapazität, um Mazerationen zu vermeiden. Die optimale Auflage
sollte nicht häufiger als einmal täglich gewechselt werden, da im Exsudat wichtige
für die Abheilung notwendige körpereigene Zytokine vorhanden sind. Bei extremer Exsudation
mit mehrmals täglich erforderlichen Verbandwechseln muss ggf. auf Präparate der feuchten
Wundbehandlung verzichtet werden (Kostenfaktor!). Stattdessen ist dann die mehrmalige
Anwendung von Kompressen/Saugkompressen oder eine lokale Unterdrucktherapie (NPWT)
angezeigt.
Empfehlenswert sind Wundauflagen, die über mehrere Tage belassen werden können.
1.2.2 Granulationsphase/Proliferationsphase
Nach Abschluss der Reinigungsphase erfolgt die Auffüllung des Volumendefektes. In
dieser Phase sprossen neue Gefäße in das Wundgebiet ein. Fibroblasten und Endothelzellen
proliferieren, Granulationsgewebe füllt den Wundgrund (Abb. 1.3).

Abb. 1.3 Granulationsphase.
Blickdiagnose: Die Wunde erscheint sauber mit rotem Wundgrund (gut durchblutetes Granulationsgewebe).
Geeigneter Wundverband:
Die optimale Wundabdeckung saugt vorhandenes Wundexsudat unter gleichzeitigem Feuchthalten
der Wundoberfläche auf. Ein Austrocknen der Wunde würde die Wundheilung verzögern.
Der Verband ist atmungsaktiv und schützt die Wunde vor Kontamination. Ein Anhaften
am Wundgrund sollte vermieden werden, um die Zerstörung von frisch gebildetem Granulationsgewebe
zu vermeiden.
1.2.3 Epithelisierungsphase
Mit Einsetzen der Wundkontraktion kommt es zur vermehrten Kollagenbildung. Vom Wundrand
her, bei flachen Wunden auch vom Wundgrund aus (aus verbliebenen, mit Epithel ausgekleideten
Haarfollikeln), wandern die Epithelzellen konzentrisch zur Mitte hin und verschließen
die Wunde.

Abb. 1.4 Epithelisierungsphase.
Blickdiagnose: Deutliche Wundverkleinerung durch Kontraktion und durch zartrosa Farbe erkennbare
Epithelisierung (Abb. 1.4).
Geeigneter Wundverband:
Die Exsudation ist beendet. Die Wundabdeckung hat die Aufgabe, das empfindliche neugebildete
Gewebe zu schützen (z. B. durch ein Pflaster).
1.2.4 Regenerationsphase/Reifung
Innerhalb der nächsten Monate (bis zwei Jahre) blasst die Wunde ab und verfestigt
sich gleichzeitig (Gefäßrarefizierung und Kollagenumbau), Abb. 1.5. Dadurch wird das Gewebe belastbarer.

Abb. 1.5 Regenerationsphase.
1.3 Einteilung der Wunden
Es gibt keine einheitliche Definition für chronische Wunden sowie für ihre Abheilungsdauer.
Zum Beispiel definiert die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung
und Wundbehandlung e.V. (DGfW):
Als primäre Wundheilung wird die zeit- und phasengerechte Wundheilung bezeichnet.
Von sekundärer Wundheilung spricht man bei verzögerter Wundheilung z. B. durch Wundheilungsstörung
oder Stillstand in einer Phase.
1.4 Wundheilungsstörung
Der Ablauf der Wundheilung kann durch lokale und/oder allgemeine Faktoren gestört
werden.
Lokale Faktoren der Wundheilungsstörung:
-
Infektionen
-
schlecht durchblutete oder nekrotische Wundränder
-
Austrocknung und Unterkühlung der Wunde
-
Hämatome, Wundmanipulation
-
verbliebene Fremdkörper
-
zu hohe Nahtspannung
-
Bewegung im Wundgebiet
-
Vorschädigung des Gewebes (Bestrahlung) etc.
Systemische Faktoren der Wundheilungsstörung:
-
Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus)
-
Patientenalter
-
Eiweiß- und Vitaminmangel (Mangelernährung)
-
herabgesetzte Immunitätslage
-
Durchblutungs- und Gerinnungsstörungen
-
Neuropathien
-
Anämie und Medikamente (z. B. Kortison, Zytostatika, Immunsuppressiva, NSAR) etc.
Merke
Welche Wundheilungsstörung liegt vor, ist eine exakte Diagnose gestellt?
1.5 Wundreinigung: mechanisch – enzymatisch – chirurgisch
Wundreinigung und Débridement sind nicht nur eine Unterstützung, sondern eine Voraussetzung
für die Wundtherapie. Sie dienen der Reduzierung von schädlichen Keimen, der Entfernung
von Fremdkörpern und bereits abgestorbenem Gewebe. Dadurch wird die Wunde für weitere
Behandlungsmaßnahmen vorbereitet.
Wundreinigung und Débridement können autolytisch, mechanisch, chirurgisch, enzymatisch
oder biochirurgisch erfolgen.
Bei Verdacht auf eine Wundinfektion sind in der Regel ein Abstrich aus der Tiefe,
ggf. mit Gewebeentnahme zum Erregernachweis, und ein Antibiogramm indiziert. Es ist
dann zu entscheiden, ob zusätzlich eine systemische Antibiotikatherapie notwendig
ist.
Gegen eine lokale Antibiotikatherapie bestehen erhebliche Bedenken:
Durch eine lokale Anwendung von Wundantiseptika (z. B. Lavasept) oder auch sonstige
geeignete Maßnahmen wie Débridement, ultraschallassistierte Wundreinigung (UAW) oder
Jet-Lavage (Wasserstrahl-Hochdruckspülung) lässt sich die „bakterielle Last“ der Wunde
reduzieren.
1.5.1 Autolytische Wundreinigung

Abb. 1.6 Autolytische Wundreinigung.
Beschreibung
Die vom Körper selbst durchgeführte Reinigung der Wunde wird als autolytische Wundreinigung
bezeichnet. Sie ist eine schonende, aber auch zeitintensive Débridementform. Sie lässt
sich durch geeignete Wundauflagen beschleunigen und verstärken (Übersicht s. Abb. 1.6).
Bei der autolytischen Wundreinigung wird die physikalische Wirkung von Exsudat auf
Beläge genutzt, indem z. B. Hydrokolloide oder Polyurethanschäume auf die Wunde aufgebracht
werden. Ziel ist dabei, ein feuchtes Wundmilieu zu erreichen.
Bei unzureichender Exsudatmenge kann die autolytische Wundreinigung z. B. durch Hydrogele,
die aus 60–95 % Wasser bestehen, gefördert werden. Diese Hydrogele weichen durch ihre
Feuchtigkeit Nekrosen und Beläge auf. Diese Behandlungsmethode nutzt die Wirkung der
körpereigenen proteolytischen Enzyme auf abgestorbenem Gewebe, die im eingeschlossenen
Wundexsudat vorhanden sind. Die autolytische Wundreinigung fördert durch die zugeführte
Feuchtigkeit das Zellwachstum. Nekrosen und Beläge verlieren durch Rehydration ihre
innere Festigkeit.
Indikation
-
schwach, mäßig oder stark exsudierende Wunden
-
Fibrinbeläge, oberflächige Nekrosen
-
kleine einsehbare Wundhöhlen/-taschen.
Anwendungsweise
Die Auswahl der Wundprodukte hängt von Wundzustand und Exsudatmenge ab. Sie sind so
auszuwählen, dass einerseits die Wunde nicht austrocknet, andererseits die Wundränder
und die wundumgebende Haut nicht mazerieren.
Sekundärabdeckung:
-
bei trockenen Nekrosen: semipermeable Wundfolie, Pflaster etc.
-
Beläge, stärkeres Exsudat: imprägnierte Wundgaze plus Saugkompresse
-
Granulation mit wenig Exsudat: z. B. Polyurethanschaum.
1.5.2 Mechanische Wundreinigung – Entfernen von Belägen mit stumpfen Materialien
Beschreibung
Soll die Wunde während des Verbandwechsels gereinigt werden, sind vorsichtiges Auswischen,
Abtupfen mit Kompressen oder Spülen mit Ringerlösung (eventuell physiologischer Kochsalzlösung
oder Antiseptika) Mittel der Wahl (Übersicht s. Abb. 1.7. Dies kann durch Wundputzer (Abb. 2.66) unterstützt werden. Alternativ ist zur Grobreinigung auch ein Ausduschen mit steril
filtriertem Leitungswasser möglich (Cave: immunsupprimierte Patienten etc.).

Abb. 1.7 Mechanische Wundreinigung.
Indikation
Gewebeschonende Maßnahmen zur Entfernung von nicht festhaftenden Zellbestandteilen
und/oder Biofilm.
Kontraindikation
Großflächige, tiefe Nekrosen.
Anwendungsweise
-
Nur sterile Materialien verwenden.
-
Laut Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) „Infektionsprävention in Heimen“ (2005)
dürfen zum Spülen von Wunden nur sterile Lösungen verwendet werden (Leitungswasser
nur mit Sterilfilter).
1.5.3 Chirurgische Wundreinigung (mit scharfen Instrumenten) – Wunddébridement
Beschreibung
Standardbehandlung ist die mechanische und/oder die chirurgische Wundreinigung. Bei
der chirurgischen Wundreinigung werden mit scharfen Instrumenten Fremdkörper, nekrotisches
oder infiziertes Gewebe und schmierige Beläge entfernt (Übersicht s. Abb. 1.8).
Merke
Im Gegensatz zur mechanischen Reinigung erfolgt beim Wunddébridement der Eingriff
bis in vitales Gewebe.
Es werden Wundtaschen eröffnet und es wird für saubere und glatt begrenzte Wundränder
gesorgt.

Abb. 1.8 Chirurgische Wundreinigung.
Indikation und Anwendungsweise
-
Es ist auf eine ausreichende Schmerzausschaltung zu achten.
-
Zum Betäuben eignet sich ein topisches Analgetikum (z. B. Emla Creme unter Folie),
wenn es früh genug aufgetragen wird (ca. eine Stunde vorher).
-
Bei Neuropathie wie bei Diabetes mellitus ist dies auch ohne Betäubung gut möglich.
-
Abtragen von ausgedehnten/festsitzenden Nekrosen (Abb. 1.9a) etc. mit Skalpell, Ringkürette o.ä., ggf. auch unter Voll- oder Teilnarkose.
Kontraindikationen
Cave: periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Blutungsgefahr bei Gerinnungsstörung/Antikoagulation.
Merke
Ein frühzeitiges chirurgisches Débridement spart Zeit und Geld!

Vor dem Débridement.

Nach dem Débridement.
Abb. 1.9 Chirurgisches Débridement.
1.5.4 Ultraschallassistierte Wundreinigung (UAW) – Sonderform des chirurgischen Wunddébridements
Produkte
Sonoca 185 speziell für das Wunddébridement mit integrierter Spülpumpe und 25 kHz
Arbeitsfrequenz (SÖR).
Indikation
Kontraindikationen
Keine.
Anwendungsweise
Die UAW bedarf in der Regel einer Allgemein-, Regional- oder Lokalanästhesie. Die
Durchführung erfolgt unter sterilen Bedingungen ggf. im Eingriffsraum/OP inkl. Schutzkleidung
(OP-Haube, Mundschutz, Schutzbrille, OP-Kittel, OP-Handschuhe, OP-Tücher).
Die Auswahl der Sonotrode (Doppelkugel-, Huf-und Spatel-Sonotrode) muss passend zur
Wunde erfolgen.
Cave
Sonotrode immer in Bewegung halten, sonst besteht die Gefahr einer Verbrennung bei
hoher Arbeitsfrequenz.
Als Spülflüssigkeit darf nur physiologische Kochsalzlösung oder Ringerlösung verwendet
werden. Wenn medizinisch angezeigt, dürfen der Spülflüssigkeit PHMB-haltige Antiseptika
mit einer Konzentration von 0,04 % zugeführt werden.
Wiederanwendung: 2–3 Behandlungen mit UAW in Folge.
1.5.5 Enzymatische Wundreinigung
Produkte
Iruxol N Salbe 30 g (S&N).
Beschreibung
Körpereigene Enzyme in der Wunde spalten Fibrin und Kollagen (autolytisches Débridement).
Enzympräparate (Übersicht s. Abb. 1.13) können diesen Vorgang unterstützen, z. B. Iruxol N (mindestens einmal täglich dünn
auftragen).
Die Enzympräparate können auch chirurgische Maßnahmen ergänzen. Sie lösen kleine Nekrosen
und Fibrinbeläge. Auf trockenen Nekrosen sind Enzyme wirkungslos.
Da Enzympräparate relativ hohe Kosten verursachen und nur eine begrenzte Effektivität
aufweisen, sind sie in der Wundversorgung nur zweite Wahl.
Anwendung im Pflegeheim, bei nicht narkosefähigen Patienten, in der Palliativmedizin
etc.

Abb. 1.13 Enzymatische Wundreinigung.
Indikation
-
exsudierende Wunden, Fibrinbeläge, oberflächige Nekrosen
-
kleine einsehbare Wundhöhlen/-taschen
-
eignen sich auch für verschmutzte und ggf. kolonisierte Wunden.
Anwendungsweise
-
Die mit enzymatischen Präparaten behandelten Hautstellen sollen nicht gleichzeitig
mit den folgenden Mitteln in Kontakt kommen, da die Enzymwirkung dadurch beeinträchtigt
werden kann: Desinfektionsmittel, Alkohol, Seife, Wundbenzin, lokal angewandte Antibiotikapräparate.
-
Ein- bis zweimal täglich auf die gesamte Wundfläche auftragen. Aseptisch arbeiten!
Die Therapie wird solange fortgesetzt, bis eine Granulation und Reepithelisierung
sichtbar wird (normalerweise nach 1–2 Wochen).
Sekundärabdeckung:
-
bei geringer Exsudation: Fettgaze, sterile Kompressen, Fixomull
-
bei mäßiger bis starker Exsudation: sterile Kompressen, Saugkompressen, Fixomull.
1.5.6 Biochirurgische Wundreinigung – Fliegenmaden (aus Lucilia sericata)

Abb. 1.14 BioBag.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der BioMonde GmbH

Abb. 1.15 Maden im Größenvergleich zu einem Skalpell.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der BioMonde GmbH
Beschreibung
In der Madentherapie kommt die Goldfliegenart Lucilia sericata zum Einsatz. Die auch als Biochirurgie bezeichnete Therapie eignet sich zum Débridement
von chronischen Wunden mit nekrotischem, auch bakteriell infiziertem Gewebe (Übersicht
s. Abb. 1.16).
Die Goldfliegenmaden ernähren sich selektiv von abgestorbenem Gewebe, wobei intaktes
Gewebe geschont wird. Das Prinzip beruht auf der Ausscheidung von Enzymen, die das
abgestorbene Gewebe verflüssigen. Im Anschluss daran wird das dabei entstehende Gemisch
wieder von den Maden aufgenommen und verdaut.
Selektive bakterizide Wirkung
Die Goldfliegenmaden setzen antibakterielle Stoffe frei und erhöhen den pH-Wert in
der Wunde. Danach werden die hierdurch abgetöteten Bakterien zusammen mit dem angedauten,
abgestorbenen Gewebe aufgesaugt und verdaut. Dabei ist unerheblich, ob die Bakterien
gegen einzelne Antibiotika resistent sind oder gar Multiresistenzen besitzen. Aus
diesem Grund wird die Madentherapie auch bei Wunden angewandt, die mit MRSA-Stämmen
oder anderen multiresistenten Bakterien infiziert sind.
Eine Ausnahme stellen Wunden dar, die mit Pseudomonas aeruginosa besiedelt sind. Diese Bakterien werden von den Maden nicht vernichtet, bei höheren
Keimkonzentrationen können die Maden sogar absterben.

Abb. 1.16 Biochirurgische Wundreinigung.
Indikation
-
exsudierende Wunden, Fibrinbeläge
-
kleine Wundhöhlen/-taschen
-
fibrinbelegte und ggf. kolonisierte Wunden
-
gut bei diabetischen Läsionen einsetzbar, auch im Vorfußbereich, da oft nicht vollständig
einsehbar
-
Abgrenzung der Kompartimente gelingt bisweilen besser durch Maden als durch Skalpell/Ringkürette.
Cave
Beim Einsatz auf rein ischämischen Wunden sterben die Larven häufig ab. Zudem beobachtet
man häufig eine Reizung der Wundränder.
(Relative) Kontraindikationen
Anwendungsweise
-
Die Larven werden unter sterilen Bedingungen gezüchtet und ausgeliefert.
-
Die Larven sind auch in semipermeablen (halbdurchlässigen) Beuteln erhältlich (Biobags
aus PVA). Dabei verbleiben die Maden im Beutel, was eine höhere Compliance der Patienten
mit sich bringt. Jedoch werden zerklüftete Areale von dem produzierten Sekret dann
nicht immer erreicht.
-
Die Anlieferung der Maden erfolgt gekühlt (4–8 °C) und lichtgeschützt. Nach Verlassen
der Kühlkette sollten diese innerhalb von 12 Stunden auf die Wunde aufgetragen werden.
Der Chargen-Aufkleber verbleibt in der Patientenakte.
-
Es erfolgt eine lockere Abdeckung, kein okklusiver Verband, da die Maden sonst absterben
(Sauerstoffmangel/Ertrinken). Es ist auf regelmäßige Wechsel zu achten, da der Verband
bei stärkerer Exsudation verklebt und damit okkludiert.
-
Die Maden sollten vormittags in der Apotheke bestellt werden, um zu gewährleisten,
dass sie als Lieferung am Folgetag zur Verfügung stehen.
Sekundärabdeckung: Fixierung der Biobags mit Mullbinden, keine okklusiven Verbände.
Verbandwechsel:
-
Die Maden werden 2–3, max. 5 Tage auf der Wunde belassen. Ihre Größe nimmt dabei um
das 10- bis 20-Fache zu.
-
Die Anwendung kann mehrfach wiederholt werden.
-
Der Verband sollte täglich kontrolliert werden.
Merke
Manchmal geben die Patienten ein für sie unangenehmes Kribbeln oder starken Juckreiz
in dem betreffenden Wundbereich an (Linderung durch Analgetika).
1.5.7 Wundspülung
Mit der aktiven periodischen Wundspülung sollen avitales Gewebe, Nekrosen, Fremdkörper,
Bakterien, Pus und Exsudat bis an intakte anatomische Strukturen heran unter Erhalt
des Granulationsgewebes entfernt werden (DGfW 2012). Eine effektive Beurteilung der
Wunde ist nur möglich, wenn makroskopisch alle Wundbeläge entfernt wurden → der Spülvorgang
kann durch ein Débridement unterstützt werden.
Eigenschaften:
-
physiologisch
-
steril
-
nicht resorbierbar
-
farblos
-
nicht reizend oder ätzend
-
möglichst wenig oder nicht schmerzauslösend
-
ohne Eiweißfehler
-
mindestens 28 °C warm bis körperwarm.
Anwendung:
-
Anwendung der Spüllösung (Übersicht s. Abb. 1.17) bei Körpertemperatur, da kalte Spüllösung Schmerzen hervorrufen und die Wundheilung
negativ beeinflussen kann.
-
Tiefe Wunden (Ulzera) werden mehrmals ohne Druck ausgespült. Bei Taschen oder Fisteln
kann ein Katheter zur Hilfe genommen werden. Restanteile von Hydrokolloiden, Hydrogelen
oder Kalziumalginaten, die die Beurteilung der Wundsituation stören, werden durch
die Spülung mit entfernt.
-
Angebrochene Lösungen müssen nach Angaben der Hersteller zeitnah verworfen werden.

Abb. 1.17 Wundspülung.
Wundspüllösungen und antiseptische Lösungen
Produkte
-
Ringerlösung
-
0,9 % NaCl Spüllösung 1000 ml
-
LAVANOX-Serag 250 ml, 1000 ml 0,08% (SER)
-
Lavasorb Wundspüllösung 250 ml, 1000 ml (FRE)
-
Octenisept Lösung 250 ml, 1000 ml (S&W) → Cave bei Octenidin (s. )
-
Prontosan Wundspüllösung 350 ml (BBR).
Einfache Wundspüllösungen (WSL)
Beschreibung
Einfache Wundspüllösungen (WSL) sind Ringerlösung oder 0,9%ige NaCl-Lösung. Diese
werden zur Säuberung in der Primärversorgung einer Wunde eingesetzt. Steril filtriertes
Leitungswasser kann zum Befeuchten diverser Reinigungspads eingesetzt werden; gleichzeitig
ist ein intensives Ausduschen der Wunde mit den endständigen Sterilfiltern („Wundduschen“)
möglich.
Ausduschen von Wunden
Leitungswasser ist nicht keimfrei, weswegen das Spülen von Wunden ohne Filter nicht
zugelassen ist. Die Verwendung von ungefiltertem Wasser kann zu Kolonisationen/Infektionen
und somit zu massiven Wundheilungsstörungen, z. B. durch Pseudomonaden, führen. Das
RKI empfiehlt daher neben sterilen Spüllösungen den Einsatz von endständigen Sterilwasserfiltern.
Anwendungsweise
-
Bei Anwendung von silberhaltigen Wundprodukten im Wundbereich darf 0,9%ige NaCl-Lösung
nicht verwendet werden, da diese zu chemischen Reaktionen führen kann.
-
Ringerlösung verringert im Gegensatz zu 0,9%iger NaCl-Lösung die Gefahr von Elektrolytverschiebungen
und ist daher zum dauerhaften Feuchthalten besser geeignet.
WundPen
-
Der WundPen ist ein transportabler, endständiger Sterilfilter mit integriertem Gewinde
zum einfachen Installieren am vorhandenen Duschschlauch (Abb. 1.18).
-
Patientenbezogene Verwendung.
-
Die Duschstrahlen des WundPens bestehen aus 200 Einzelstrahlen und gewährleisten eine
nahezu schmerzfreie, aber sehr intensive Wundreinigung. Der Duschstrahl ist auf eine
sehr kleine Anwendungsfläche zentriert. Auch schwer zugängliche Wunden (z. B. Sinus
pilonidalis) können somit gezielt gereinigt werden.

Abb. 1.18 WundPen.
a, b
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der i3 Membrane GmbH
Anwendung:
-
Ärztliche Indikationsstellung.
-
Gebrauchsanweisung beachten.
-
Duschdauer 2–4 Minuten.
-
Bei pAVK-Patienten sollte der Duschstrahl bei den ersten Anwendungen nicht massiv
auf die Wunde gehalten werden. Es empfiehlt sich ein Start auf vitalem Gewebe oberhalb
der Wunde, sodass steril filtriertes Leitungswasser zuerst nur über die Wunde fließt.
-
Wunden kühlen nach der Reinigung sehr schnell aus. Die sofortige Versorgung muss sichergestellt
werden.
-
Die Wunden müssen nach der Reinigung nicht getrocknet werden. Je nach Bedarf kann
ein vorsichtiges Abtupfen mit sterilen Kompressen erfolgen.
-
Nach dem Ausduschen der Wunde: Trocknen des WundPens mit Papiertuch und komplette
Wischdesinfektion (auch über den Auslass und die Verschlusskappen).
Konservierte und antiseptische Wundspüllösungen
Produkte
-
Lavasorb Wundspüllösung 250 ml, 1000 ml (FRE)
-
Prontosan Wundspüllösung 350 ml (BBR)
-
Octenisept Lösung 250 ml, 1000 ml (S&M).
-
LAVANOX-Serag 0,08% 250 ml, 1000 ml (SER)

Abb. 1.19 Lavanox: Wundspüllösung.

Abb. 1.20 Octenisept: Wundspüllösung.

Abb. 1.21 Lavasorb und Prontosan.
Beschreibung
Bei verschmutzten und chronisch infizierten Wunden können auch antiseptische Lösungen
(ASL) eingesetzt werden, mit den Wirkstoffen Polyhexanid, 0,08 % Natriumhypochlorit
und Octenidin (Übersicht s. Abb. 1.22).
Die ASL sind antiseptische Substanzen, die eine effiziente Keimreduktion (bakterizid) einschließlich der Wirkung gegen MRSA bei ausgezeichneter Verträglichkeit aufweisen.
Polyhexanid (PHMB) besitzt einen langsamen Wirkungseintritt (15–20 Minuten). Es ist auf eine vollständige
Benetzung des Wundgrundes und Einhaltung der Mindesteinwirkungszeit zu achten.
Octenidin hat eine kurze Einwirkzeit von 1–2 Minuten bei vollständiger Benetzung der Wunde.
Es darf nicht mit Antiseptika auf PVP-Jod-Basis auf benachbarten Hautarealen angewendet
werden, da es zu starken braunen bis violetten Verfärbungen kommen kann. Die Lösung
brennt kaum auf der Schleimhaut.
Natriumhypochlorit hat eine kurze Einwirkzeit. Es arbeitet rein physikalisch und enthält keinen Alkohol.
Zudem werden unangenehme Wundgerüche schnell und zuverlässig beseitigt. Nicht gleichzeitig
mit anderen wundreinigenden Sprays, Lösungen, Gels und vorgetränkten Kompressen anwenden.
Nicht gleichzeitig mit chlorhexidinhaltigen Produkten anwenden.
Cave bei Octenidin
Keine Anwendung unter Druck!
Ein vollständiger Abfluss aus den Körper-/Wundhöhlen ist sicherzustellen → Drainage,
Lasche.

Abb. 1.22 Konservierte und antiseptische Wundspüllösung.
Eigenschaften
-
breite antimikrobielle Wirkung
-
Remanenz (verlängerte Wirkdauer)
-
Förderung der Wundheilung
-
antientzündliche Eigenschaften
-
keine bekannte Resistenzentwicklung
-
Reduktion von Biofilmen und Fibrinbildung
-
geringe resorptive oder toxische Risiken
-
niedriges Risiko der Kontaktsensibilisierung
-
einfache Anwendung
-
gute Verträglichkeit.
Indikationen
-
akute, verschmutzte, eiternde Wunden
-
kritisch kolonisierte oder klinisch infizierte Wunden
-
Infektionsprophylaxe.
Kontraindikationen
Allergie gegen den Wirkstoff.
Anwendungsweise
-
Polyhexanid: Mindesteinwirkungszeit von 15–20 Minuten einhalten
-
Octenidin: kurze Einwirkzeit von 1–2 Minuten
-
Natriumhypochlorit: kurze Einwirkzeit von 1-2 Minuten, kann mehrmals wiederholt werden.
Nach der Anwendung muss nicht nachgespült werden.
Antiseptische Gele
Produkte
-
Lavanid
Wundgel V+ 40 g (SER) (Abb. 1.23)
-
Prontosan Wound Gel X 50 g (BBR)
-
Excilon AMD Schlitzkompresse 0,2 % (COV); Schlitzkompresse für kritische
Drainagestellen nicht für den Wundeinsatz
-
Lavanox Wundsprühgel 75ml (SER)

Abb. 1.23 Lavanid Wundgel.

Abb. 1.24 Antiseptische Gele.
Anmerkung zu PVP-Jod-Präparaten
Die Anwendung von PVP-Jod-Präparaten wird trotz zuverlässiger Wirkung gegen Pilze,
Bakterien und Viren bei großflächigen oder chronischen Wunden nicht empfohlen. Erhebliche
Nachteile sind Verfärbungen der Wunden, die die Beurteilbarkeit der Wunde behindern.
Beschrieben sind Allergien, Schmerz und Hyperthyreose-Risiko sowie Wundheilungshemmung.
Der sogenannte Eiweißfehler von Jod führt zu Inaktivität bei Vorhandensein von Fibrin,
Eiter, Exsudat. Die Folge sind Gewebedestruktion und Wirksamkeitsverlust.
Indikation
Desinfektion intakter Haut und Schleimhaut vor Eingriffen (Übersicht s. Abb. 1.24).
Bei infizierten Wunden nur, wenn farblose moderne Produkte nicht vorhanden sind.
Kontraindikationen
Schilddrüsenerkrankungen, Jodallergie, Neugeborene, Säuglinge, Schwangerschaft und
Stillzeit.
1.6 Hygienische Aspekte der Wundversorgung/Verbandwechsel
Merke
Generell gilt der Leitfaden der Krankenhaushygiene der Helios-Kliniken!
1.6.1 Begrifflichkeiten
Antiseptik
Umfasst alle Maßnahmen, die zur Eliminierung bzw. Inaktivierung von Krankheitserregern
in Wunden/auf der Haut führen; dazu gehören z. B. die Desinfektion der Haut, Wundspülungen
mit Antiseptika.
Asepsis
Umfasst alle Maßnahmen, die den Eintrag von Krankheitserregern in z. B. Wunden verhindern
(z. B. Händedesinfektion, sachgerechter Umgang mit Sterilgut). Grundlage bildet die
strikte Umsetzung der Basishygienemaßnahmen.
Kolonisation (Besiedlung)
Bedeutet die vorübergehende oder auch dauerhafte Anwesenheit von Mikroorganismen auf
intakter Haut/Schleimhaut oder Wunden ohne Infektionszeichen und ohne Beeinträchtigung
der Wundheilung.
Kontamination
Bedeutet im Rahmen der Wundversorgung die Verunreinigung mit Krankheitserregern, die
– wenn nicht über antiseptische Maßnahmen beseitigt – zu einer längerfristigen Kolonisation
oder zu einer Infektion führen kann.
Kritische Kolonisation (Besiedlung)
Bedeutet die dauerhafte Anwesenheit von Mikroorganismen auf Wunden ohne Infektionszeichen,
jedoch mit Beeinträchtigung der Wundheilung.
Wundinfektion
Eine Wundinfektion kann vorliegen, wenn eines der folgenden klinischen Symptome auftritt:
Wundinfektion mit systemischer Allgemeinreaktion
Kriterien sind:
-
Fieber (≥ 38,0 °C) oder Hypothermie (≤ 36,0 °C)
-
ggf. Schüttelfrost
-
Tachykardie (Herzfrequenz ≥ 90/min)
-
Tachypnoe (Frequenz ≥ 20/min) oder Hyperventilation
-
Leukozytose (≥ 12 000/mm³) oder Leukopenie (≤ 4000/mm3)
-
ansteigende Entzündungsparameter wie z. B. CRP, PCT.
Infektionswege/Eintrittsstelle Mikroorganismen/Krankheitserreger
-
endogen: Erreger stammen aus der körpereigenen Flora des Patienten
-
exogen: Erregereintrag aus der Umgebung in die Wunde (Personal, andere Patienten,
Instrumente etc.).
Beachte
Präventive Basishygienemaßnahmen.
No-Touch-Technik
Bei der No-Touch-Technik (engl. no touch = keine Berührung) darf die Haut oder Wunde
eines Patienten oder ein Gegenstand/Verbandmaterial/Katheter nicht mit bloßen Händen
oder unsterilen Instrumenten berührt werden. Es gibt zwei Arten der No-Touch-Technik:
1.6.2 Sachgerechte Entnahme von Material zur mikrobiologischen Untersuchung
Mikrobiologische Untersuchungen sind anzustreben, wenn Infektionszeichen vorliegen
und eine antibiotische Therapie sinnvoll erscheint sowie bei Vorliegen einer verzögerten
Wundheilung, im Rahmen des MRGN-Screenings etc.
Wundabstriche/Ulzera-/Fistelabstriche:
-
Material aus der Tiefe entnehmen: oberflächlichen Schorf und Nekrosen abheben, Exsudat
mit sterilem Tupfer abwischen
-
Eiter oder Exsudat sind bezüglich der Materialausbeute stets günstiger als Abstriche
-
Material von den frisch in den Infektionsprozess einbezogenen Wundrändern entnehmen
(Wundzentrum enthält viele abgestorbene Erreger), Kontakt mit der Außenhaut vermeiden,
ggf. Tupfer mit physiologischer Kochsalzlösung anfeuchten
-
grundsätzlich können in verschiedenen Wundarealen verschiedene Keimpopulationen auftreten
→ daher sind abstreichende Verfahren, wie der „Essener Kreisel“ (Abb. 1.25), einer isolierten punktförmigen Entnahme vorzuziehen.

Abb. 1.25 Essener Kreisel.
1.6.3 Häufigste Infektionserreger
-
Akute und wenige Wochen alte Wunden sind mit Keimen der physiologischen Hautflora
besiedelt.
-
Chronische Wunden (älter als sechs Wochen) erleben häufig einen Wechsel des Keimspektrums
zu gramnegativen Keimen wie z. B. Pseudomonas aeruginosa, Proteus vulgaris, Enterobacter cloacae und anderen sowie zu Anaerobiern der Bacteroides-Gruppe.
-
Je länger Wunden bestehen, umso häufiger sind diese auch mit resistenten Keimen besiedelt.
1.6.4 Der Verbandwagen
Der Verbandwagen dient der Lagerung und dem Transport von Verbandmaterialien.
-
Vor Materialentnahme grundsätzlich hygienische Händedesinfektion.
-
Die Arbeitsfläche muss frei und wischdesinfizierbar sein.
-
Ungeschützt gelagerte sterile Materialien stellen den zu verbrauchenden Tagesbedarf
dar.
-
Wischdesinfektion der Arbeitsflächen vor/nach Benutzung.
-
Mindestens regelmäßige monatliche Wischdesinfektion des gesamten Verbandwagens.
-
Sichtbare Verschmutzungen werden sofort desinfizierend beseitigt.
-
Mitnahme in das Patientenzimmer (kein Isolationszimmer!) kann erfolgen, auf Abstand
zu Patientenumgebung/Patientenbett achten.
1.6.5 Allgemeine Hinweise zum Verbandwechsel
-
Der Verbandwechsel hat zu erfolgen bei z. B. Infektionsverdacht, bei Verschmutzung,
Ablösung, Durchfeuchtung oder Infektionsverdacht bei primär aseptischen Wunden sowie
bei Palpationsschmerz.
-
Größere Verbandwechsel möglichst mit zwei Personen durchführen.
-
Arbeitsmaterialien wie Desinfektionsmittelflaschen, Pflasterrollen, Klemmen sind grundsätzlich
nicht im Bett abzustellen. Schaffung einer sterilen Arbeitsfläche zur Ablage der Arbeitsmaterialien,
die sich möglichst außerhalb des Patientenbettes befindet.
-
Kein Verbandwechsel bei gleichzeitigen Reinigungsarbeiten und/oder andauerndem Luftzug
(z. B. auch Ventilatoren), Besuch im Zimmer etc.
-
Durchführung in kurzärmeliger Dienstkleidung.
-
Bei Gefahr von Kontaminationen und bei der Versorgung größerer Wunden ist Schutzkleidung
(Einmalschutzkittel oder Schürze) anzulegen, ggf. sind weitere Barrieremaßnahmen zu
beachten.
-
Einhaltung aseptischer Bedingungen im Patientenzimmer, Untersuchungs- und Behandlungsraum.
1.6.6 Ablauf des Verbandwechsels
Praktische Durchführung:
-
Desinfektion der Arbeitsfläche und Bereitlegen des Materials
-
hygienische Händedesinfektion
-
keimarme Einmalhandschuhe (Arbeitsschutz!)
-
Entfernen des alten Verbandes ohne Kontamination der Umgebung und Berühren der Wunde
-
Entsorgung der Handschuhe und des Verbands in mitgeführtem Abfallbehältnis
-
hygienische Händedesinfektion
-
ggf. Entfernung von angetrocknetem Blut oder Exsudat mit 0,9%iger Kochsalzlösung in
No-touch-Technik
-
Achtung: Ein Wundabstrich muss immer nach einer neutralen Wundreinigung und vor der
Desinfektion erfolgen.
-
neutrale/antiseptische Wundreinigung nach ärztlicher Anordnung
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Auflegen/-kleben einer sterilen Wundauflage, wenn nötig (aseptische Tätigkeit);
das Pflaster kann mit frisch desinfizierten Händen aufgebracht werden, wenn dabei
nur die Klebeflächen berührt werden.
-
hygienische Händedesinfektion
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Dokumentation des Verbandwechsels mit Befund in der Patientenakte
Hinweise zu Umgebung und Material:
-
Anlage oder Wechsel von Unterdrucktherapieverbänden oder große Verbandwechsel mit
Wunddébridement sollten bevorzugt in Eingriffsräumen oder im OP
unter sterilen Barrieremaßnahmen erfolgen.
-
Einhaltung aseptischer Bedingungen im Patientenzimmer, Untersuchungs- und Behandlungsraum
-
ausreichend große sterile Arbeitsflächen, Barrieremaßnahmen wie Handschuhe, Einmalschutzkittel,
Mund-Nasen-Schutz, Haarschutz
-
Verbandsets bevorzugen
-
Durchführung nach Möglichkeit mit zwei Personen
-
sachgerechte Materialentsorgung.
1.7 Wunddokumentation
1.7.1 Grundlagen
Das bloße Vorliegen einer Wunde und jede Behandlung erfordern zwingend eine Dokumentation.
Gründe zur Durchführung einer Dokumentation:
-
nachvollziehbare Verlaufsbeurteilung von Wunden auch bei Behandlerwechsel
-
Leistungserfassung (vollständige Erfassung aller durch Wundversorgung erbrachten und
abrechenbaren GOÄ- oder OPS-Ziffern)
-
Standardisierung sowie Transparenz und damit Reproduzierbarkeit der Behandlungsschritte
(wichtig aus forensischen Gesichtspunkten)
-
Erfassung Ressource Zeit und Arbeit (Stellenplan, Personalaufwand etc.)
-
wissenschaftliche Fragestellung/Auswertung, Versorgungsforschung
Unabhängig von der Art zu dokumentieren, sind einige Basisdaten unverzichtbar. Hierzu zählen:
-
Stammdaten (Alter, Geschlecht etc.)
-
Behandler mit Behandlungsdatum
-
Wunddaten (Wundart, Wundgröße, Anzahl, Lokalisation, Therapie, Verlauf)
Dies kann handschriftlich, elektronisch oder auch durch Kombination dieser Verfahren
erfolgen. Eine Fotodokumentation ist wünschenswert und sollte angestrebt werden.
1.7.2 Empfehlung zur Wunddokumentation
Siehe Tab. 1.1.
Tab. 1.1 Empfehlung zur Wunddokumentation.
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Parameter
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Anmerkungen
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1.
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Wundart
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Dekubitalulzera, Ulcus cruris venosum (UCV), Ulcus cruris arteriosum (UCA), Ulcus
cruris mixtum (UCM), Diabetisches Fußsyndrom (DFS), Inkontinenz-assoziierte Dermatitis
(IAD) etc.
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2.
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Lokalisation
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genaue Beschreibung des Wundortes
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3.
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Ausmaß (Größe in cm)
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Länge (z. B. Kopf-Fuß-Ausrichtung)
Breite (z. B. Rechts-links-Ausrichtung)
Tiefe
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4.
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Stadienangabe
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Dekubitus z. B. nach EPUAP
Diabetisches Fußsyndrom nach Wagner–Armstrong
chronisch venöse Insuffizienz nach CEAP
Ulcus cruris nach Widmer
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5.
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Wundphase
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Exsudationsphase/Reinigungsphase
Granulationsphase/Proliferationsphase
Epithelisierungsphase
Regenerationsphase
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6.
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Wundrand
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Taschenbildung, Allergien, Infektionen, Mazerationen, Ödementwicklung
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7.
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Wundgrund
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Beläge wie Fibrin, Nekrose etc.
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8.
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Exsudat
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Menge (stark, mäßig, wenig), Aussehen
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9.
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Wundumgebung
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Ödembildung, Mazeration, Allergien, Infektionen, Hautprobleme
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10.
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Wundinfektion
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Rubor, Tumor, Calor, Dolor und Functio laesa
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11.
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Geruch
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Ja/Nein
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12.
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Schmerz
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nach Visuell-analog-Skala (VAS) erheben und therapieren
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13.
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Ernährungsstatus
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Fehl- oder Mangelernährung → Ernährungsberatung
chronische Wunde → erhöhter Energieumsatz
großflächige Wunde oder vermehrte Exsudation → erhöhter Flüssigkeitsbedarf
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1.7.3 Fotodokumentation
Einwilligungserklärung
Zur Fotodokumentation muss eine schriftliche Zustimmung des Patienten bzw. dessen
Vertreters vorliegen. Der Patient ist über den Zweck (Dokumentation des Krankheitsverlaufes,
Verwendung bei Vorträgen, für Veröffentlichungen oder wissenschaftliche Untersuchungen)
zu informieren.
Ist der Patient nicht in der Lage zuzustimmen, dürfen im Notfall erste Fotos angefertigt
werden. Diese bleiben bei den Akten, auch wenn die Zustimmung später versagt wird.
Die Zustimmung kann jederzeit durch den Patienten oder Betreuer widerrufen werden.
Das Einverständnis bzw. die Ablehnung ist in den Patientenunterlagen zu dokumentieren
und gegenzuzeichnen.
Technische Voraussetzungen
Fotografieren mit digitalen Medien ist Standard. Die Aufbewahrungspflicht beträgt
30 Jahre.
Das Aufnahmemedium sollte folgende Merkmale besitzen:
Die Digitalbilder werden entweder automatisch im Krankenhausinformationssystem der
Klinik archiviert oder taggleich manuell von der Kamera in das System überspielt und
danach von der Kamera gelöscht, siehe Datenschutzrichtlinie.
Rechtliche Aspekte
Zur Wahrung der Rechtssicherheit sollte das Foto/die Fotodatei folgende Daten enthalten:
Häufigkeit der Fotodokumentation
-
bei Aufnahme und Entlassung
-
Folgeaufnahmen bei stationärem Aufenthalt alle 7–14 Tage
-
ergänzend bei wichtigen Wundveränderungen.
Praktische Hinweise
Allgemeine Standardeinstellungen der Digitalkamera
In manchen Fällen (z. B. bei Gegenlicht) kann es sinnvoll sein, die Standardeinstellung
auszuschalten und individuelle Einstellungen vorzunehmen. Für diese Fälle sollten
sich ausgewählte Mitarbeiter in den Einrichtungen intensiv mit der Kamera beschäftigen
und zum Ansprechpartner für alle Probleme werden.
Vorbereitungen durch den Fotografen
Die Ablichtung der Wunde erfolgt während eines durchzuführenden Verbandwechsels nach
der Wundreinigung. Ergänzend ist es manchmal sinnvoll, den noch liegenden alten Verband
und die Wunde vor der Reinigung zu dokumentieren.
Die Kamera wird nicht mit den Handschuhen während des Verbandwechsels geführt. Das
Foto wird von einer weiteren Person oder nach Handschuhwechsel erstellt → keine Keimverschleppung!
Motivwahl
Sollte ein Patient mehrere Wunden haben oder ist eine Wunde klein und eine genaue
Zuordnung zum betroffenen Körperteil anhand des Fotos nicht möglich, ist es ratsam,
erst eine Übersichtsaufnahme der betroffenen Körperpartie zu machen.
Die eigentliche Wunde sollte immer aus dem gleichen Abstand und dem gleichen Winkel
aufgenommen werden. Nur so lassen sich Veränderungen der Wunde genau erkennen.
Umgang mit der Kamera
Unmittelbare Überprüfung der Bildqualität, sonst Wiederholung.
Bildausschnitt
Die Wunde sollte mindestens ein Drittel des Bildes ausfüllen. Es ist darauf zu achten,
nicht das Gesicht des Patienten oder anderer im Raum befindlicher Personen bzw. die
Patientenumgebung zu fotografieren. Auch das Schamgefühl des Patienten sollte gewahrt
bleiben. Entsprechende Stellen sind abzudecken.
Belichtung
Beim Fotografieren ist eine ausreichende und gleichmäßige Ausleuchtung nötig.
Ein einfarbiger Hintergrund (z. B. grünes Tuch) lenkt nicht von der eigentlichen Aufnahme
ab, auch die Farbwiedergabe lässt sich dadurch verbessern. Der Hintergrund sollte
allerdings nicht weiß oder zu hell sein, um eine Über- bzw. Unterbelichtung zu vermeiden.
Das Fotografieren gegen das Licht (z. B. von der Zimmermitte in Richtung Fenster)
führt zu Fehlbelichtungen.
Sondert die Wunde viel Exsudat ab oder wird die Kamera exakt senkrecht zur Wunde gehalten,
spiegelt sich das Blitzlicht in der Wunde und das Foto wird oft unbrauchbar.
Sonstiges
Für eine präzise Erfassung der Wundgröße ist es nötig, dass das Zentimetermaß auf
dem Bild möglichst gerade dargestellt wird.
Merke
Alle hygienischen Standards sind einzuhalten!