Aktuelle Urol 2018; 49(06): 451-452
DOI: 10.1055/a-0634-2803
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Arkadiusz Miernik
,
Thomas R. W. Herrmann
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Publication Date:
06 December 2018 (online)

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Prof. Dr. Dr. med. univ. Arkadiusz Miernik
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Prof. Dr. Thomas R. W. Herrmann

Bereits seit Anbeginn der Urologie als eigenständige medizinische Fachdisziplin spielt die technische Innovation eine entscheidende und wegbereitende Rolle. Allein die Vorstellung, die Körperhöhlen mithilfe von technischen Instrumenten zu inspizieren, hat die Urologie entscheidend und radikal von anderen „schneidenden“ Fächern abgegrenzt. Ein Blick in die Entwicklung von neuen Behandlungsverfahren veranschaulicht mit größter Deutlichkeit, wie stark die technischen Wissenschaften unsere Fachdisziplin beeinflusst haben. Insbesondere in Deutschland hat der Schulterschluss der Medizintechnik mit der Urologie eine lange und erfolgreiche Tradition. Die Konstruktion des ersten Zystoskops durch Maximilian Nitze wäre ohne Kooperation mit dem Ingenieur und Instrumentenbauer Joseph Leitner vermutlich nicht möglich gewesen.

Bis zum heutigen Tag ist eine ununterbrochene Innovationsbereitschaft in der Urologie zu sehen. Zwei Sonderausgaben des Journals „Aktuelle Urologie“ widmen sich dieser Thematik. Hinter dem Begriff Urotechnologie verbirgt sich eine Reihe von Entwicklungen und Prozessen, die den Alltag eines Urologen sowie die Versorgung der Patienten nach und nach verbessern. Es ist zu erwarten, dass technische Neuerungen in einer noch zunehmenden Dynamik unsere Berufswelt prägen werden. Die Urotechnologie gehört zu den jüngsten Bereichen der Urologie. Hier ändert sich der Betrachtungswinkel auf ein klinisches Problem, weg von der Organsystemologie hin zum technischen Aspekt und damit verbundenen Herausforderungen.

Der Schwerpunkt Urotechnologie wurde in zwei Themenhefte aufgegliedert. Im ersten thematischen Block werden Aspekte der schnell fortschreitenden Modernisierung der minimalinvasiven Techniken sowie des Operationssaals präsentiert. Die Urologie war eine der Pionierdisziplinen für die klinische Anwendung der Laparoskopie. In den letzten Jahren hat die roboterbasierte Chirurgie die Laparoskopie als den Innovationstreiber abgelöst. Aktuell wird intensiv an unterschiedlichen Roboterplattformen gearbeitet und es ist zu hoffen, dass diese Systeme in den nächsten Jahren ihren Eingang in die Klinik finden. Aber auch die Laparoskopie hat nach wie vor einen festen Stellenwert für bestimmte urologische Indikationen und hat ebenfalls eine beachtliche Weiterentwicklung erfahren. Insbesondere die Verbesserung der Videotechnik sowie Einführung von optimierten Instrumenten haben hierzu die wesentlichen Beiträge geleistet. Des Weiteren werden Technologien wie virtuelle und erweiterte Realität in den chirurgischen Disziplinen erforscht und ausprobiert. Sie erfahren derzeit eine rasante Entwicklung, die insbesondere durch die Fusion von weiteren Technologien wie dem Cloud Computing oder der künstlichen Intelligenz ermöglicht werden. Derzeit sind bereits Anwendungen in der perioperativen Planung, während eines chirurgischen Eingriffes sowie in der postoperativen Versorgung des Patienten möglich. Ein weiteres, derzeit auch politisch intensiv diskutiertes Thema ist die Telemedizin. Durch Änderungen der Gesetzeslage werden solche Anwendungen auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen und den klinischen Alltag entsprechend beeinflussen. Diese technologischen Trends können als eine Antwort auf sich dramatisch verändernde gesellschaftliche Modelle mit Alterung der Gesellschaft sowie Rationierung von medizinischen Leistungen verstanden werden. Im Zeitalter des Ärztemangels und der fortschreitenden Intensivierung und Komplexitätssteigerung der medizinischen Versorgung erscheinen telemedizinische Lösungen als eine willkommene Alternative und Ergänzung.

Einen weiteren Schwerpunkt des ersten Heftes stellen die Erkrankungen der Prostata dar. Dieses Organ wird seit eh und je am stärksten mit der Urologie assoziiert. Im Bereich der neuen Behandlungsverfahren ist eine erhebliche Innovationsdynamik sowohl auf dem Gebiet der gutartigen Erkrankung als auch beim Prostatakarzinom sichtbar. Die minimalinvasiven Behandlungsmethoden gewinnen eine vergleichbare Bedeutung wie die klassische offenchirurgische Operation. In vielen Bereichen wurde die klassische Chirurgie bereits abgelöst. Auf dem Gebiet der operativen Behandlung des benignen Prostatasyndroms wurden einige interessante und vielversprechende Technologiemodalitäten in die klinische Anwendung eingeführt. Die Einsatzmöglichkeit von permanenten intraprostalischen Implantaten (UroLift®) ist eine neue Methode zur Therapie von BPS-assoziierten Beschwerden. Durch die mechanische Kompression des Adenomgewebes können in bestimmten Patientengruppen gute Ergebnisse erreicht werden. Ein weiteres Verfahren, das kürzlich eingeführt wurde, ist die wasserbasierte Applikation von Wärmeenergie in das Prostatagewebe. In der Folge wird eine nahezu sofortige und gezielt lokal begrenzte Nekrose erzeugt. Die sogenannte konvektive interstitielle Wasserdampfablation (Rezüm®) stellt eine vielversprechende Technik zur raschen und kosteneffektiven Therapie des BPS dar.

Der Bereich der Prostatakarzinomtherapie ist ebenfalls durch ununterbrochene Innovationsschübe geprägt. Im aktuellen Heft „Urotechnologie“ der Sonderausgabe von „Aktuelle Urologie“ werden Themen zum genetischen Profilieren in der PCA-Diagnostik diskutiert. Das Prostatakarzinom gehört bekanntlich zu den onkologischen Erkrankungen mit einer sehr hohen klinischen Variabilität. Bisher sind prognostische Modelle zur Analyse und Abschätzung des individuellen Krankheitsverlaufes eingeschränkt. Durch neue Methoden der Biotechnologie, insbesondere der Genetik, besteht die Hoffnung, zumindest manche der noch offenen Fragen beantworten zu können. Ähnlich wie die Einführung der PSA-Bestimmung in den 1990er-Jahren können bestimmte genetische Prädiktionsmodelle unser Verständnis und das klinische Management des PCA nachhaltig verändern. Auch wenn die genetische Untersuchung noch nicht die PSA-Wert-Bestimmung, die MRT-Untersuchung sowie eine Biopsie im Rahmen der Diagnostik und Therapie ersetzen kann, bestehen interessante und zukunftsweisende Ansätze, die in einem weiteren Artikel dieser Ausgabe thematisiert werden.

Insgesamt stellen wir Ihnen sechs Veröffentlichungen vor und hoffen, damit zu interessanten Denkansätzen, Diskussionen sowie einem besseren Verständnis bestimmter technologischer Trends in der Urologie beizutragen.

Arkadiusz Miernik
Thomas R. W. Herrmann