Transfusionsmedizin 2019; 9(01): 18-23
DOI: 10.1055/a-0720-7394
Übersicht
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Präoperative Anämie: Bedeutung, Diagnostik und Therapie

Preoperative Anemia: Relevance, Diagnostic, Therapy
Lutz Kaufner
1   Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin and Berlin Institute of Health, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
,
Christian von Heymann
2   Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. März 2019 (online)

Zusammenfassung

Die präoperative Anämie, definiert durch ein Unterschreiten eines präoperativen Hämoglobinwerts (Hb-Wert) von 12 g/dl für Frauen und 13 g/dl für Männer, stellt mit einer Prävalenz von 25 – 30% der Patienten vor einem elektiven operativen Eingriff einen unabhängigen Risikofaktor für perioperative Transfusion, Morbidität und Mortalität dar. Nach einer Metaanalyse in der S3-Leitlinie „Präoperative Anämie“ besteht für präoperativ anäme Patienten vor elektiven kardiochirurgischen und nicht kardiochirurgischen Eingriffen sowohl ein signifikant erhöhtes Risiko, perioperativ zu versterben, als auch, perioperativ transfundiert zu werden. Häufigste Ursachen einer präoperativen Anämie sind ein Eisenmangel, eine Niereninsuffizienz bzw. eine Anämie der chronischen Erkrankung. Über ein Blutbild ca. 4 – 6 Wochen vor der Operation können der Hb-Wert und die Erythrozytenparameter, vor allem das mittlere korpuskuläre Erythrozytenvolumen (MCV) sowie die Retikulozytenzahl (ggf. Sonderanforderung), bereits erste relevante Hinweise auf die Genese einer Anämie liefern. Die Therapie der präoperativen Anämie sollte immer ursachengerecht, d. h. nach einer präoperativen Anämiediagnostik, durchgeführt werden. Bei nachgewiesenem Eisenmangel sollte die Behandlung mit oralem oder, bei enteraler Resorptionsstörung und/oder gastrointestinaler Unverträglichkeit und/oder mangelnder Behandlungszeit, mit i. v. Eisen indiziert werden. Bei einer Anämie der chronischen Erkrankung oder renalen Anämie kann eine Behandlung mit Erythropoietin erfolgen. Liegt zusätzlich ein Eisenmangel vor, kann Erythropoietin in Verbindung mit Eisen verabreicht werden. Grundsätzlich sollten potenzielle Unverträglichkeitsreaktionen, insbesondere bei i. v. Eisen, sowie mögliche Interaktionen des Erythropoietins und Tumorerkrankungen berücksichtigt werden. Unabhängig vom Geschlecht sollte ein Hb > 12 g/dl durch die Gabe von Erythropoietin und/oder Eisen nicht überschritten werden.

Abstract

Preoperative anemia with a preoperative hemoglobin level < 12 g/dl in female and < 13 g/dl in male is an independent risk factor for morbidity and mortality. A metaanalysis of the German guideline on Preoperative Anemia identified a significant increased risk for mortality and for perioperative red blood cell transfusion in preoperative anemic patients undergoing elective cardiac- or non-cardiac surgery. If preoperative anemia is diagnosed, differential blood screening should be performed timely, usually 4 – 6 weeks before elective surgery. Most common cause of preoperative anemia are iron deficiency, renal failure as well as anemia of chronic diseases. Preoperative anemia should only be started after diagnosis. Oral iron therapy in preoperative anemia is recommend in case of existing iron deficiency while intravenous administration of iron is only recommended if the preoperative time interval for oral therapy is too short, or if there is an intolerance or resorption disorder for oral iron treatment. Erythropoietin might be indicated when renal anemia or anemia due to chronic diseases has been diagnosed. If concomitant iron deficiency is present, therapy with erythropoietin in combination with iron is recommended. Possible non-hematopoietic effects of erythropoietin, e.g. the potential impact on angiogenesis and tumor growth or rare severe cutaneous reactions requiring a differentiated and cautious use of erythropoietin. In the treatment with erythropoietin and/or iron it has to be considered not to exceed a preoperative hemoglobin value of 12 g/dl.