Zeitschrift für Phytotherapie 2019; 40(03): 127
DOI: 10.1055/a-0879-8896
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Nachruf Dr. Johannes Gottfried Mayer

19.11.1953 – 27.3.2019
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Publication Date:
10 July 2019 (online)

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Vollkommen unerwartet ist am 27. März der Gründer und Leiter der Würzburger Forschergruppe Klostermedizin verstorben. In der Zeitschrift für Phytotherapie erschienen in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Beiträge mit Beteiligung des Medizinhistorikers und Literaturwissenschaftlers.

„Der Sohn des Lehrers“, so der Titel einer Folge der TV-Reihe „Lebenslinien“ (BR, 2010), wurde am 19. November 1953 in Nürnberg geboren. In Bad Windsheim wuchs er als ältestes von sechs Kindern auf und wollte ursprünglich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Dieser, ein Gymnasiallehrer für Latein und Geschichte, hatte das historische Interesse seines Sohnes geweckt. An der Universität Würzburg studierte Johannes Mayer Germanistik, Geschichte, Sozialkunde und Philosophie für das Lehramt. Als Schüler von Kurt Ruh, dem Leiter der Würzburger Forschergruppe für deutsche Prosa des Mittelalters, begann er seine wissenschaftliche Laufbahn. Als Mitarbeiter des Sonderforschungsbereiches 226 (Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur des Mittelalters) der Universitäten Würzburg und Eichstätt kam er in Kontakt mit der Medizingeschichte. Die Doktorarbeit bei Georg Steer in Eichstätt sollte jedoch die Predigten von Johannes Tauler aus dem 14. Jahrhundert zum Inhalt haben. In den 1980er-Jahren arbeitete er parallel an seiner Dissertation und Handschriftenanalysen des Arzneibuches Ortolfs von Baierland (entstanden vor 1300). Dies führte ihn in zahlreiche Bibliotheken Deutschlands und des europäischen Auslandes. 1990 wurde er promoviert.

Als Mitarbeiter des Würzburger Instituts für Geschichte der Medizin befasste sich Johannes Mayer in den 1990er-Jahren vor allem mit der Geschichte der Arzneipflanzen in Europa, daneben aber auch mit Medizinethik. Wichtige Anregungen erhielt er von Prof. Franz-Christian Czygan, dem damaligen Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Pharmazeutische Biologie, langjähriges Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Phytotherapie und Mitherausgeber dieser Zeitschrift.

1999 wurden dann in Würzburg am Institut für Geschichte der Medizin unter Beteiligung von Czygan die interdisziplinäre Forschergruppe Klostermedizin sowie der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde gegründet. Während die Hauptaufgabe des Studienkreises bis heute darin besteht, jährlich eine Arzneipflanze des Jahres auszurufen, wurden die Tätigkeiten der Forschergruppe breiter aufgefächert – es gab ein interdisziplinäres Netz von Medizin- und Pharmaziehistorikern, Ethno- und Phytopharmakologen, Ärzten bis hin zu Medizinstatistikern. Im Rahmen einiger Dissertationen wurde die Übereinstimmung historischer Indikationen mit den heute üblichen Claims verglichen und mit statistischen Methoden analysiert. Das von Beginn an große öffentliche Interesse führte dazu, dass neben der eigentlichen Forschungsarbeit zu Werken der Klostermedizin, wie dem „Macer floridus“ oder den natur- und heilkundlichen Schriften Hildegards von Bingen, auch die Wissensvermittlung einen Raum einnahm. Als Lehrbeauftragter war Johannes Mayer zunächst in Würzburg und später auch in Erlangen tätig. Angesprochen wurden immer auch interessierte Laien, und das nicht nur durch Bücher wie das populäre „Handbuch der Klosterheilkunde“ (mit Bernhard Uehleke und Pater Kilian Saum erstmals 2002 erschienen).

Unermüdlich gab Johannes Mayer zahlreiche Interviews für Presse, Radio und Fernsehen. 2009 kam die Forschergruppe auf etwa 2500 Nennungen in deutschsprachigen Medien. Mehrfach hatte er große Auftritte bei TV-Reihen wie „Terra X“ oder „Planet Wissen“. Hervorzuheben sind hier insbesondere einige Produktionen für das ZDF: Über den persischen Arzt Avicenna drehte er im Iran „Die Ärzte der Kalifen“ (2004), für die Reihe „Die Deutschen“ zu „Hildegard von Bingen und die Macht der Frauen“ (2010) sowie zuletzt für „Drogen – eine Weltgeschichte“ mit Harald Lesch (2018).

Für Vorträge vor Fachleuten wie Laien war er in ganz Deutschland und darüber hinaus unterwegs. 2018 gipfelten die Aktivitäten in über 400 Veranstaltungen im Rahmen der Landesgartenschau in Würzburg, wo Johannes Mayer selbst über 170  Mal zu Themen wie pflanzliche Antiinfektiva und Hildegard von Bingen referierte.

Zuletzt arbeitete Johannes Mayer an einigen kleineren und größeren Publikationen, die zum überwiegenden Teil noch realisiert werden sollen. Dazu zählt auch der Beitrag über die Geschichte des Weißdorns in dieser Ausgabe.

Tobias Niedenthal und Bernhard Uehleke

Foto: Peter Raider