Klin Monbl Augenheilkd 2021; 238(05): 609-615
DOI: 10.1055/a-0958-9584
Übersicht

Das retrobulbäre Hämatom – eine potenziell visusbedrohende Komplikation

Retrobulbar Haematoma – a Complication that May Impair Vision
Adam Kopecky
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätskrankenhaus Ostrava, Ostrava, Tschechische Repubik
2   Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln
,
Alexander Christopher Rokohl
2   Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln
,
Jan Nemcansky
1   Klinik für Augenheilkunde, Universitätskrankenhaus Ostrava, Ostrava, Tschechische Repubik
3   Medizinische Fakultät, Universität Ostrava, Ostrava, Tschechische Republik
,
Konrad R. Koch
2   Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln
,
Petr Matousek
4   Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätskrankenhaus Ostrava, Ostrava, Tschechische Republik
,
Ludwig M. Heindl
2   Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln
5   Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Aachen – Bonn – Köln – Düsseldorf, Köln
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Das retrobulbäre Hämatom (RBH) ist eine seltene, aber potenziell visusbedrohende Komplikation nach einem Trauma oder auch nach einem chirurgischen Eingriff. Die Diagnose muss dabei zeitnah gestellt werden, da nur eine rasche chirurgische Intervention irreversible Visusminderungen adäquat verhindern kann. Da es aufgrund der knöchernen orbitalen Begrenzung kaum Raum für das zunehmende, intraorbitale Volumen durch die retrobulbäre Blutung gibt, kommt es zu einer Erhöhung des intraorbitalen Drucks und konsekutiv zu einer Kompression des N. opticus. Mögliche Symptome umfassen insbesondere Motilitätsstörungen bis zur Ophthalmoplegie, eine Diplopie, eine Bindehautchemose, subkonjunktivale Blutungen, einen Exophthalmus, einen erhöhten intraokulären Druck, eine Verschlechterung der Sehschärfe sowie eine reduzierte direkte Lichtreaktion und ein relatives afferentes Pupillendefizit. Wenn die Ursache traumatisch oder iatrogen bedingt ist, ist eine zeitnahe, laterale Kanthotomie mit Kantholyse das Mittel der Wahl und sorgt in den meisten Fällen für eine erfolgreiche Druckentlastung. Die Kanthotomie mit Kantholyse kann auch sehr gut in der Notaufnahme durch den Augenarzt durchgeführt werden und ist ggf. sogar ohne eine vorherige Bildgebung indiziert. Da die Rekonstruktion der Kantholyse meist unkompliziert möglich ist, empfehlen wir die Durchführung dieser Entlastung bereits, wenn klinisch der hochgradige Verdacht auf eine RBH gestellt wird. Sollte die Kanthotomie mit Kantholyse nicht für eine ausreichende Entlastung sorgen, muss eine chirurgische Orbitadekompression durchgeführt werden. Therapiebegleitend sollte immer eine pharmakologische Therapie mit Steroiden stattfinden.

Abstract

Retrobulbar haematoma (RBH) is a rare complication that may affect vision after a trauma or a surgical procedure. The diagnosis must be made promptly, as only early surgical intervention can adequately prevent irreversible visual impairment. Because of the bony orbital walls, there is hardly any room for the increasing intraorbital volume due to the retrobulbar haemorrhage. This leads to an increase in intraorbital pressure and subsequently to compression of the optic nerve. Symptoms include disorders in ocular motility, ophthalmoplegia, diplopia, conjunctival chemosis, subconjunctival haemorrhage, proptosis, increased intraocular pressure, deterioration in visual acuity, decreased direct pupillary reflex, and a relative afferent pupillary defect. If the cause is traumatic or iatrogenic, prompt lateral canthotomy with cantholysis is the treatment of choice, and successfully lowers pressure in most cases. It can be performed in the emergency room by an ophthalmologist and may even be indicated without previous imaging. As the reconstruction of cantholysis is generally uncomplicated, we recommend performing the procedure when RBH is suspected. If canthotomy with cantholysis does not lead to adequate improvement, surgical orbital decompression must be performed. Supportive treatment should always include systemic steroids.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 28. Januar 2019

Angenommen: 13. Mai 2019

Artikel online veröffentlicht:
15. August 2019

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