Erfahrungsheilkunde 2019; 68(05): 237
DOI: 10.1055/a-0968-9428
Editorial
© MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

„Ius summum saepe summa est malitia.“

Terenz, Heautontimorumenos
Peter W. Gündling
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. Oktober 2019 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Das höchste Recht ist oft die höchste Bosheit.“ – Als der römische Komödiendichter Publius Terentius 163 v. Chr. diese Zeile schrieb, konnte er wohl kaum ahnen, welche Kapriolen sich Politik und Jurisprudenz knapp 2200 Jahre später einfallen lassen würden, um die Menschen zu knechten.

Einige dieser neueren Bosheiten bringt die Digitalisierung mit sich, die zunehmend auch die Medizin infiltriert hat und eben auch vor der Naturheilkunde nicht Halt macht. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind nur zwei davon.

Ein Arzt, der vor 25 oder 30 Jahren seine Praxis eröffnete und seine Dokumentationen noch ordentlich in seine Karteikarten eintrug ist heute aus „Datenschutzgründen“ gezwungen, seine gesamten Patientendaten zu digitalisieren. Das jedenfalls fordert die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung. Damit sei (angeblich) eine höhere Datensicherheit zu gewährleisten. Doch das ist nicht alles: Als wir vor einigen Tagen eine entsprechende Schulung einer Datenschutzbeauftragten über uns ergehen lassen mussten, fiel ich fast vom Glauben ab. Mein einziger Gedanke war, dass, wenn das wirklich alles so umgesetzt werden muss, wie die Dame uns das voller Eifer darlegte, ich meine Praxis schließen werde.

Keine Frage, Datenschutz ist wichtig. Nichts anderes haben wir schon immer mit unserer Schweigepflicht akribisch getan. Doch das, was die Politik hier von uns fordert, ist mehr als alltagsfremd. Dabei geht es nicht nur um Aufklärung und Unterschriften, die wir nun von jedem Menschen für alles und jedes einfordern müssen. Nicht nur um Verschlüsselungen, Firewalls und (angeblich) sichere Leitungen und Netzwerke.

Im kassenärztlichen Bereich besteht der Zwang, alle unsere Patientendaten zu digitalisieren und online zu übertragen schon länger. So müssen z. B. die Quartalsabrechnungen seit Jahren online erfolgen, die Abgabe (einfacher) Datenträger ist – warum auch immer – verboten. Nun müssen jedoch täglich – oder am besten fortlaufend – unsere gesamte ärztliche Dokumentation und Kommunikation extern gespeichert werden. Am besten irgendwo in einer zentralen Datenbank, da die praxisinternen Speicher als zu unsicher gelten.

Dass das alles andere als sicher ist, kann sich wohl jeder ausmalen. Wenn es Hackern gelingt, in die Systeme von Hochsicherheitstrakten wie Banken und Verteidigungsministerien einzudringen, wird es ihnen natürlich auch gelingen, in medizinische Netze und Datenbanken hineinzukommen. Und die besten und begabtesten Hacker werden keinesfalls weggesperrt. Sie werden von Staaten und Firmen beschäftigt. – Qui bono? – Wem könnte dies wohl nutzen? – (Ein Schelm, der dabei Böses denkt).

Nichtsdestotrotz müssen wir uns mit diesen Gesetzen und Richtlinien auseinandersetzen. Falls nicht, drohen drakonische Geld- und sogar Freiheitsstrafen. – So jedenfalls wird es angedroht.

„Komplementärmedizin in der digitalisierten Welt“ ist das Motto der diesjährigen Medizinischen Woche. Und mit digitaler Kommunikation im Gesundheitswesen beschäftigt sich auch einer unserer Beiträge in diesem Heft.

Lassen Sie sich durch die Vorträge und die Beiträge einfach etwas inspirieren, machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken und treffen Sie Ihre eigenen Entscheidungen.

Herzlichst Ihr
Peter W. Gündling