ZUSAMMENFASSUNG
In Deutschland werden im Neugeborenenscreening praktisch alle Neugeborenen auf lebensbedrohliche
Stoffwechseldefekte und endokrine Störungen getestet. Nur etwa eines von 1 000 Neugeborenen
hat tatsächlich eine dieser angeborenen Krankheiten. Die Wahrscheinlichkeit für einen
auffälligen Befund ist mit ungefähr 0,6 % ebenfalls gering, jedoch 6-mal so hoch wie
die tatsächliche Erkrankungsrate. Der Bluttest zur Entdeckung der Zielkrankheiten
hat mit mehr als 99% richtig-negativen Ergebnissen eine sehr hohe Spezifität. Die
Sensitivität für ein richtig-positives Ergebnis ist nicht bekannt, da die Anzahl der
im Screening übersehenen Erkrankten nicht systematisch erfasst wird. Die statistische
Analyse mithilfe des Bayes-Theorems zeigt, dass ein falsch-positives Testergebnis
bei vielen gesunden Neugeborenen zu einer hohen Fehlerquote führt. Der positive Vorhersagewert
ist – trotz hoher Sensitivität und sehr hoher Spezifität des Tests – mit circa 15
% nur gering. Ein positiver Testbefund ist deshalb mit großer Vorsicht zu betrachten.
Der statistischen Fehlerquote stehen die hohen medizinischen Erfolge und wertvollen
Heilungschancen für die tatsächlich an einer angeborenen Stoffwechsel- oder Hormonstörung
erkrankten Neugeborenen gegenüber. Dieser Nutzen wiegt sehr viel schwerer und rechtfertigt
das bevölkerungsdeckende Screening aller Neugeborenen. Der negative Vorhersagewert
ist mit über 99,99 % äußerst hoch. Ein negativer Testbefund bedeutet für das Neugeborene
und seine Angehörigen also praktisch Gewissheit, dass keine angeborene Stoffwechselstörung
vorliegt. Eine statistische Analyse des Neugeborenenscreenings gibt den Betroffenen
eine nützliche Entscheidungshilfe, die Risikosituation besser zu verstehen und kompetenter
mit ihr umzugehen.
ABSTRACT
In Germany, virtually all newborns are screened for life-threatening metabolic and
endocrine disorders. Only about one in every 1,000 newborns actually has one of these
congenital diseases. The probability of an abnormal finding is also low at about 0.6
%, but six times as high as the actual disease rate. The blood test for the detection
of the target diseases has a very high specificity more than 99 % correct negative
results. The sensitivity for a correct-positive result is not known, since the number
of patients overlooked in the screening has not yet been systematically recorded.
Statistical analysis using the Bayes theorem shows that a false-positive test result
leads to a high error rate in many healthy newborns. The positive predictive value
is – despite high sensitivity and very high specificity of the test – only low with
about 15 %. A positive test result should therefore be viewed with great caution.
The statistical error rate is offset by the high medical successes and valuable healing
chances for newborns who actually suffer from a congenital metabolic or hormonal disorder.
This benefit weighs much more heavily and justifies the population-covering screening
of all newborns. The negative predictive value of over 99.99 % is extremely high.
A negative test result means for the newborn and its relatives practically certainty
that there is no congenital metabolic disorder. A statistical analysis of the newborn
screening provides those affected with a useful decision-making aid to better understand
the risk situation and to deal with it more competently.
Schlüsselwörter
Bayes-Theorem - Neugeborenenscreening - Sensitivität - Spezifität
Keywords
Bayes theorem - neonatal screening - sensitivity - specificity