Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2019; 24(06): 265
DOI: 10.1055/a-0979-9270
Herausgeberkommentar

Überregulierung und Misstrauenskultur lähmt die Krankenhauslandschaft in Deutschland

Over-regulation and culture of mistrust paralyzes hospitals in Germany

Der Erfolg einer Regierung wird oft an der Anzahl umgesetzter Gesetze gemessen. Wenn dieses Kriterium zur Bewertung der Arbeit des Gesundheitsministers herangezogen wird, lässt sich sagen, dass Herr Spahn sehr erfolgreich ist. 35 Gesetzte und Verordnungen allein in dieser Legislaturperiode finden sich auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums (stand 15.11.2019). So viele Gesetze hat es in keiner anderen Legislaturperiode gegeben.

Viele von diesen Gesetzen wirken sich unmittelbar auf die Führung und Steuerung der Kliniken in Deutschland aus. Alle Mitarbeiter/-innen in den medizinischen und administrativen Unterstützungsbereichen sind maßgeblich mit den neuen Regularien beschäftigt. Zeit, die geforderten Veränderungen vernünftig umzusetzen, ist nicht gegeben, die Kliniken hasten einfach nur hinterher, um die angedrohten Sanktionen zu vermeiden. Neue Ideen, Innovationen oder Prozessoptimierungen bleiben liegen. Neben dem bereits eingeführten Pflegepersonalstärkungsgesetz, das durchaus genug Sprengstoff beinhaltet, das gesamte DRG-System aus den Angeln zu heben, der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung, die ein bürokratisches Monster für die Administration und die Pflege geworden ist, folgen nun im kommenden Jahr die neuen Regelungen im Zusammenhang mit dem MDK-Reformgesetz.

Dabei sind die MDK-Prüfungen von Krankenhausabrechnungen in den letzten Jahren bereits völlig aus dem Ruder gelaufen, nicht nur, was die Menge, sondern auch was die Inhalte angeht. Hier scheint aus Sicht des MDK nur noch die Form und oft nicht mehr die eigentliche Behandlung zu zählen. Sonst wäre nicht erklärbar, dass eine mehrwöchige Intensivbehandlung nach allen Regeln der Kunst deshalb nicht bezahlt wird, weil eine Wochenendvisite durch den Arzt nicht ausreichend dokumentiert wurde. Auch wegen solcher Fälle befindet sich die Akzeptanz des DRG-Systems bei den Leistungserbringern im freien Fall.

Leider hat es das MDK-Reformgesetz versäumt, aus diesem Klima des gegenseitigen Misstrauens, der Verdächtigungen und juristischen Scharmützel herauszuführen. Anstatt wirkungslose Sanktionen (Aufwandspauschale) mutig abzuschaffen, werden neue Sanktionen, nun für die Krankenhäuser, geschaffen. Diese werden absehbar zu endlosen Streitereien, Klagen und am Ende juristischen Auseinandersetzungen über Jahre führen. Neue Kennzahlen zur Prüfquote werden ebenfalls Auslöser für Auseinandersetzungen sein. Für die Krankenhäuser geht es um viel: Neben der Rechnungskürzung kommt nun eine doppelte Strafe auf sie zu – mit einen Aufschlag als Sanktion und einer höheren Prüfquote. Ob das Ziel des Gesetzes, Entbürokratisierung und Eindämmung des Prüfaufwandes, damit erreicht werden kann, darf mehr als bezweifelt werden.

Das MDK-Reformgesetz ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Gesetze mit guten Zielen aufgesetzt werden, diese aber in der konkreten Umsetzung in der Praxis nicht erreicht werden. Zusätzlich nimmt die Bürokratie mit jedem Gesetz weiter zu und verschärft den Kampf zwischen den Selbstverwaltungsorganen. Aber der dringend benötigte große Wurf der strategischen Ausrichtung der Krankenhauspolitik mit dem Ziel einer sachgerechten und qualitätsgesteuerten Neuordnung der Krankenhauslandschaft bleibt aus.

Irmtraut Gürkan



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Article published online:
16 December 2019

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