Aktuelle Dermatologie 2019; 45(10): 430-431
DOI: 10.1055/a-1004-0098
Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Die Dermatologie ist nicht mehr die Lehre der unheilbaren Krankheiten“

Frau Prof. Moll im Gespräch mit Herrn Prof. Dirschka
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Oktober 2019 (online)

Zur Person
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Prof. Dr. Thomas Dirschka ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Nach einem Forschungsaufenthalt am Medical College of Virginia in Richmond, USA, war er Oberarzt an der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum. Seine Interessensgebiete sind die Prävention, Diagnose und Behandlung von Hautkrebs, Histopathologie, entzündliche Hautkrankheiten (z. B. Neurodermitis, Psoriasis), Allergologie und ästhetische Dermatologie. Thomas Dirschka ist Sonderdelegierter des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen e. V. für den Bereich „ästhetische Dermatochirurgie“. Daneben forscht er auf dem Gebiet Sicherheit und Verträglichkeit neuer dermatologischer Therapien. Im Jahr 2000 gründete Thomas Dirschka die CentroDerm GmbH, eine Gesellschaft für Forschung und Entwicklung in der Dermatologie.

Warum haben Sie die Dermatologie als Fach gewählt?

In der Dermatologie kann man die meisten Fälle komplett autonom regeln. Andere Arztgruppen müssen nur selten für Konsiliarleistungen in Anspruch genommen werden. Diese Autonomie und die Möglichkeit, konservativ, operativ und wissenschaftlich tätig zu sein, haben mich von Anfang an fasziniert. Dermatologie ist für mich ein Hobby, und die vielen Facetten der Arbeit (Klinische Diagnostik, Histopathologie, Forschungsprojekte, Operationen, um nur einige zu nennen), gepaart mit den faszinierenden neuen Therapiemöglichkeiten, begeistern mich bis heute – ich würde sofort wieder dieses Fach wählen!

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Es ist nicht ein einzelner Fall – aber doch eine neue therapeutische Epoche, die mich sehr beeindruckt hat. In den frühen 90er-Jahren habe ich Menschen mit schwerer Psoriasis wirklich sehr bedauert, wegen der Hoffnungslosigkeit und des Stigmas, das mit dieser Krankheit oder der Therapie selbst (z. B. fettige Lokaltherapeutika) verbunden war. Stationäre Aufenthalte von 6 Wochen mehrfach im Jahr waren keine Seltenheit. Der erste Kontakt mit Biologics im Rahmen klinischer Studien war für mich ein Faszinosum. Zu sehen, wie sich die Schuppenflechte unter einfachen Therapiemaßnahmen wundersam auflöste und die Betroffenen in ihrem Wertgefühl auflebten, war für mich, im Spiegel der traditionellen Therapie, ein Highlight meiner Tätigkeit.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Ich habe meine dermatologische Ausbildung in Bochum gemacht. Dort stand die klinische Dermatologie im Vordergrund, und ich muss sagen, dass ich meinen damaligen Chef Prof. Altmeyer schon sehr bewundert habe. Bis heute habe ich sehr wenige Kolleginnen und Kollegen getroffen, die aus dem klinischen Bild so viel Information ziehen konnten wie er. Das Ganze war mit einem lexikalischen Wissen gepaart; nicht umsonst stammt die „Enzyklopädie der Dermatologie“ aus seiner Feder. Patienten, die schon „überall“ waren, fanden in Prof. Altmeyer oft eine Instanz, die richtige Diagnose zu stellen und den Mut aufzubringen, auch unkonventionelle therapeutische Wege zu gehen. Prof. Altmeyer war wahrscheinlich einer der Ersten in Deutschland, der die Psoriasis als Systemkrankheit ansah und damit den Wert der Systemtherapie, u. a. der Fumarsäurederivate, in diesem Zusammenhang erkannte.

Was war der beste Rat, den Sie in Ihrer Karriere erhalten haben?

Nachdem ich weiß, dass der durchschnittliche Mediziner seinen Patienten nach ca. 13 Sekunden erstmalig unterbricht, zwinge ich mich (auch wenn es manchmal schwerfällt), mindestens 1 Minute zuzuhören. Rückblickend hat mir das viel Zeit gebracht, und das Verhältnis zu meinen Patienten hat allein durch das Zuhören sehr profitiert.

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung in der Dermatologie?

Das hängt ganz davon ab, wohin man fokussiert. Das Verständnis der Molekularpathogenese vieler Krankheiten, mit der konsekutiven Entwicklung von Zieltherapien, bedeutsam für entzündliche Krankheiten und maligne Tumoren, sind schon große Entwicklungen. Als Nächstes werden krankheitsmodifizierende Therapieansätze kommen – es bleibt spannend!

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

In der immer sichereren, effektiveren, nachhaltigeren und einfacheren Therapie von Hautkrankheiten zum Wohle der Patienten. Ich sehe das Ziel nicht in der Tätigkeit vieler Kolleginnen und Kollegen als „promovierte Friseure“, die sich in 1A-Lagen großer Städte quasi nur auf Fältchen konzentrieren. Das kann ein Beiwerk sein, füllt aber nach meinem Verständnis nicht das tradierte Bild von Ärztinnen und Ärzten aus.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Die Liebe zu den uns anvertrauten Patienten und das Handeln im Sinne der Patienten und nicht des eigenen Geldbeutels sind wichtige Ansprüche, die wir bei allem Fortschritt nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Was ist die wichtigste Erkenntnis der vergangenen Jahre in der Dermatologie?

Als ich vor 30 Jahren in der Dermatologie gestartet bin, einer Zeit, die noch von skurrilen Rezeptursammlungen dominiert war, habe ich schnell erkannt, dass gerade in diesem Fach eine sehr dynamische Entwicklung anstehen muss – diese Entwicklung hat tatsächlich stattgefunden und auch eine komplett neue Wertschätzung anderer Fachrichtungen für die Dermatologie aufkommen lassen. Die Dermatologie ist nicht mehr wie früher die „Lehre von den unheilbaren Krankheiten“ – das steht für mich im Vordergrund.

Was und welchen Ort zeigen Sie Ihren Gästen?

Mit dem Bau meiner eigenen Praxisklinik, die alle wichtigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten vorhält, habe ich mir meinen persönlichen Traum erfüllt. Wenn ich Gäste durch unseren OP-Trakt oder unsere Labore führe, spüre ich, dass viele eine ganz neue Sicht auf das Fach „Dermatologie“ entwickeln. Das macht mich stolz.

Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Thomas Dirschka
Centroderm GmbH
Heinz-Fangman-Straße 57
42287 Wuppertal
info@centroderm.de