Zeitschrift für Palliativmedizin 2020; 21(01): 27-33
DOI: 10.1055/a-1060-3397
Rechtsbeitrag
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Minuten bis der „Doktor“ kommt

Entscheidungsdilemmata von nichtärztlichem Rettungsfachpersonal
Karin Mühe
,
Bernd Alt-Epping
,
Gunnar Duttge
,
Melanie Steuer
,
Anja Zimmermann
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Januar 2020 (online)

Einleitung

Der rechtlich zulässige Handlungsrahmen von nichtärztlichem Rettungsfachpersonal steht vor allem in solchen Einsatzsituationen zur Diskussion, in denen die Frage nach „Leben retten?“ oder „Sterben zulassen?“ vor Eintreffen des Notarztes rasch geklärt werden muss. In paradigmatischer Weise wird dies deutlich z. B. bei vital bedrohlichen Situationen von inkurabel und fortgeschritten erkrankten (Palliativ-)Patienten oder in Reanimationssituationen. Dabei wird die medizinische Dilemmasituation, die auch den Notarzt vor Herausforderungen stellt, für das ersteintreffende nichtärztliche Rettungsfachpersonal noch weiter vergrößert durch diverse, teils auch sich widersprechende rechtliche Rahmenbedingungen.

Daher soll hier ein Überblick gegeben werden über die rechtlichen Rahmenbedingungen für nichtärztliches Rettungsfachpersonal, die durch das Grundgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Heilpraktikergesetz, das Patientenrechtegesetz, das Notfallsanitätergesetz und nicht zuletzt durch das Strafgesetzbuch und die bisherige Rechtsprechung umrissen sind.

Merke

Eines der juristischen Kernprobleme bleibt die Frage, inwieweit nichtärztliches Personal, das an sich nicht zu Therapieentscheidungen befugt ist, Patientenverfügungen interpretieren und damit den Gegenstand ihrer Bindung zutreffend deuten darf.

Dieser innerrechtliche Widerspruch hat auch für die palliativmedizinische Krisenplanung sowie die vorausschauende Behandlungsplanung insgesamt (Advance Care Planning) erhebliche Bedeutung.

 
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