intensiv 2020; 28(02): 102-104
DOI: 10.1055/a-1088-4990
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Publication Date:
05 March 2020 (online)

Ich bin seit 2012 examinierte Gesundheitsund Krankenpflegerin und habe von 2014 bis 2016 die Fachweiterbildung zur Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für Intensivpflege erfolgreich absolviert. Seit 2016 bin ich Feuer und Flamme für den Bereich Intensiv und Anästhesie. Die Aufgaben, die mit meiner Arbeit einhergehen, bereiten mir oft Freude, da ich so direkt an den Erfolgen und Fortschritten der mir anvertrauten Patienten teilhaben darf. Es sind diese Aufgaben und Fortschritte, die mich in meiner Berufswahl jeden Tag bestätigen.

Seit eineinhalb Jahren arbeite ich nun erstmals ausschließlich im Bereich der Anästhesie. Dieser Bereich ist sehr komplex und erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, weswegen ich oft zu meinen Praktikanten und Schülern sage: „Die größte Gefahr ist es, zu glauben, dass alles wie immer ist und nichts passieren kann.“

Eine gute Anästhesie (Pflege und Arzt) lebt von der Vorbereitung und Planung, aber auch von Erfahrung und fachlich fundiertem Wissen. Es gilt, auf Risiken und Nebenwirkung schnell und adäquat zu reagieren. Viele Bereiche in Medizin und Pflege leben von evidenzbasierten Erkenntnissen, aus denen sich dann Empfehlungen und Handlungsvorgaben ergeben. Somit werden Rahmenbedingungen vorgegeben, um ein sicheres Arbeitsfeld für Patienten und Mitarbeiter zu schaffen.

Der Bereich der Anästhesiepflege besitzt derzeit nach deutschem Recht keinen offi- ziellen Stellschlüssel. Die Anwesenheit einer Fachpflege wird zwar empfohlen, ist aber nicht zwingend erforderlich. Trotz diverser Empfehlungen, unter anderem von der DGAI, dass während der Ein- und Ausleitung der Narkose „qualifizierte Assistenz“ [1]] anwesend sein sollte, ist dies aktuell im Klinikalltag nicht immer umsetzbar.

Im Bereich der operationstechnischen Pflege gibt es eine klare Besetzungsvorgabe. So ist es Pflicht, dass ein „Springer“ und ein „Instrumentierender“ für die Durchführung einer operativen Maßnahme anwesend sein müssen. Ich würde mir eine gleiche Vorgabe für die Anästhesiepflege wünschen. Natürlich ist es auf den ersten Blick kein Problem, „eine Spritze aufzuziehen“ oder „benutzte Gegenstände aufzuräumen“. Wenn es aber darum geht, den Kreislauf des Patienten zu stabilisieren oder lebenserhaltende Maßnahmen durchzuführen, spezielle Medizingeräte zur Eigenbluttherapie (Cell Saver) oder für eine schnelle Transfusion aufzubauen, dann, denke ich, ist eine gut ausgebildete Fachkraft und ein Wissen um schnelles Handeln essenziell wichtig und auch zwingend erforderlich, um eine sicheren Ablauf zu gewährleisten.

In einer für den Patienten lebensbedrohlichen Situation ist es unmöglich für einen Arzt, die Situation allein zu bewältigen. Und auch wenn vielleicht medizinisch geschultes Personal in der Nähe ist (Chirurg oder OTA), so kann dieses das speziell erforderliche Wissen für diese kritischen Situationen nicht ersetzen. Eine Anästhesie-Fachpflege kann auch keine instrumentierenden Tätigkeiten übernehmen.

Gerade in einem Bereich, in dem Patienten nachgewiesenermaßen physisch und psychisch derartig existenziell bedroht sind, wie es das Anästhesieverfahren mit sich bringt, kann ich es nicht verstehen, dass die Pflege sich nicht offiziell aufstellen lässt.

Die Ausübung der Anästhesiepflege erfordert ein hohes Maß an Wissen, um Vorgang, Ablauf und Nachbereitung sicher durchführen zu können. Vom Kontrollieren des Anästhesiearbeitsplatzes bis zum Verlegen eines postoperativen Patienten aus der AWE (Aufwachraumeinheit).

Ich arbeite in einem wie ich meine „großen OP Bereich“. Wir haben insgesamt zwölf OP-Säle. Dort sind die Bereiche der HNO, Chirurgie, Unfallchirurgie, Kinderchirurgie, Viszeralchirurgie, Orthopädie, Gynäkologie und Gefäßchirurgie vertreten. Durch die aktuelle Situation der Anästhesiepflege ist es bei bestehendem Personalmangel schwer, sich zu wehren, wenn man mehrere Säle gleichzeitig betreuen muss. Dies sorgt meines Erachtens für eine große Fehlerquelle im Bereich der Patientenversorgung. Patienten, die kritisch krank sind oder sich in einem im besonderen Maße zu beobachtenden Alter befinden (Kleinkinder, Frühchen etc.), sollten ebenfalls durch Personen betreut werden, die eine gewisse Erfahrung und Fachwissen haben.

Überlastungsanzeigen oder ähnliche Beschwerden haben in der Regel wenig Gewicht, da –und das ist meine persönliche Meinung – wir in der Pflege nur zu oft genau diese Defizite mit unserer enormen Arbeitsleistung trotzdem tragen und aushalten. Eine gute Vorbereitung kann nur dann stattfinden, wenn man Zeit hat, sich mit der anstehenden Aufgabe auseinanderzusetzen. Nun ist der Alltag aber der, dass man am besten eine Narkose und eine Ausleitung gleichzeitig betreut, schnell noch eine Lagerbestellung macht oder aber das Notfalltelefon betreut.

Mein Wunsch wäre es daher, dass wir einen festen Stellenschlüssel in der Anästhesiepflege bekommen. Also ein Arzt und eine Pflegekraft während des gesamten Anästhesieverfahrens (prä-, intra- und postoperativ), Nebentätigkeiten sollten durch „fix“ abgestelltes Personal durchgeführt werden. Für meine Klinik würde das heißen: zwölf Pflegekräfte, eine pro Saal, und evtl. ein Springer, der zwischen den Sälen Nebentätigkeiten durchführt oder für das Notfalltelefon zuständig ist. Dies ist nur eine Variante, die zum Beispiel unter der Woche angewendet werden könnte, in dem Zeitraum, in dem es am meisten zu tun gibt.

Der OP ist innerhalb einer Klinik der wirtschaftsstärkste Bereich, abgesehen von elektiven Eingriffen kommen noch die Notfallversorgungen dazu. Leider weiß ich, dass in Deutschland eine „Es muss erst etwas passieren und dann handeln wir“-Politik herrscht. Ich weiß auch, dass das, was ich oben als Wunsch geschrieben habe, sehr teuer ist, aber es würde meine Berufsgruppe entlasten. So könnte man zum Beispiel auch mehr Zufriedenheit im Arbeitsalltag bei Pflegenden und damit auch bei Patienten schaffen.

Wir leben in Zeiten, in denen viel über Berufsattraktivität gesprochen wird. Nicht mehr die Arbeit von fünf zu machen, fände ich sehr attraktiv. Ist der Patient zufrieden und fühlt sich sicher und geborgen, schafft das auch Zufriedenheit bei der Pflegefachkraft und dem Arzt. Auch das sind Aspekte, die man mal zum Thema Berufsattraktivität bedenken könnte. Wirtschaftlichkeit ist nicht das erste, an das man denkt, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet. Viele unserer Kollegen lernen diesen Beruf aus der Freude und dem Selbstverständnis, helfen zu können. Wenn man also über finanzielle Anreize spricht, heißt das für mich nicht zwangsläufig, mehr Geld auf meinem Konto zu haben, sondern viel eher Geld in den Berufsstand und in verbesserte Arbeitsbedingungen und Konzepte zu investieren.

Alexandra Farl

 
  • Literatur

  • 1 Bund deutscher Anästhesisten BDA Mindestanforderungen an den anästhesiologischen Arbeitsplatz. Anästh Intensivmed 2013; 54: 39-42