Z Sex Forsch 2020; 33(01): 53
DOI: 10.1055/a-1103-7179
Buchbesprechungen

Paartherapie bei sexuellen Störungen. Das Hamburger Modell – Konzept und Technik

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Margret Hauch, Hrsg. Paartherapie bei sexuellen Störungen. Das Hamburger Modell – Konzept und Technik. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Thieme: Stuttgart 2019. 232 Seiten, EUR 59,99

Die erste Auflage von „Paartherapie bei sexuellen Störungen“ (2005) war ein gutes Jahr auf dem Markt, als ich meine sexualtherapeutische Ausbildung in Hamburg begann. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr mich die im Manual vermittelte therapeutische Haltung der Autor*innen, die Praxisorientiertheit des Lehrbuches und die soziologische Kontextualisierung begeisterten.Mich hat überrascht, die nun bearbeitete dritte Auflage des Manuals wie ein neues Lehrbuch wahrzunehmen. Dies ist vornehmlich dem veränderten Layout des Buches geschuldet, das den veränderten Seh-und Lesegewohnheiten heutiger Leser*innen gerecht wird. Mehr noch werden durch die blau hinterlegten „Merke-Felder“ die zentralen therapeutischen Inhalte hervorgehobenen, was eine Fokussierung auf wesentliche Aspekte der Therapiemethode ermöglicht. Die veränderte Gliederung des Buches, vor allem des Praxisteils, erleichtert den Zugang zur Struktur des Buches, aber insbesondere zur Struktur der Therapiemethode. Die inhaltliche Überarbeitung der dritten Auflage verdeutlicht, dass sich die Prinzipien bezüglich der Voraussetzungen und der Durchführung der Behandlung von Paaren nach dem Hamburger Modell nicht verändert haben. Das Prinzip der Selbstverantwortung im Spannungsfeld zwischen Ich-Bezug und Grenzsetzung bleibt das Grundprinzip dieser sexualpsychotherapeutischen Methode. Das strukturierte übungsbasierte Vorgehen ermöglicht Paaren, Begrenzungen und Spielräume ihrer Selbstverantwortung in intimen körperlichen Begegnungen wahrzunehmen.Es ist der Gewissenhaftigkeit und kritischen Reflexionsbereitschaft der Autor*innen zu verdanken, dass sowohl Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen als auch Variationen des eigenen therapeutischen Vorgehens in der Überarbeitung der Auflage deutlich werden. Beispielhaft sei genannt, dass die modifizierte Begrifflichkeit von „Einführen des Penis“ (1. Auflage) zu „Einführen bzw. Aufnehmen des Penis“ (3. Auflage) eine veränderte Konnotation weiblicher Sexualität widerspiegelt, weg von einer passiv erduldenden weiblichen Sexualität, hin zu einer aktiv gestaltenden weiblichen Sexualität. Die Ergänzung des Manuals durch den Abschnitt Einzeltherapie, zu ihren Möglichkeiten und Grenzen bei der Anwendung des übungsbasierten Vorgehens, trägt dem Leidensdruck Betroffener Rechnung, denen ein paartherapeutisches Vorgehen aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist. Es ist den Autor*innen gelungen, mit der dritten Auflage „Paartherapie bei sexuellen Störungen“ noch deutlicher herauszuarbeiten, was durchaus bereits in der ersten Auflage dieses Manuals lesbar war. Es handelt sich um eine ergebnisoffene, schulenübergreifende psychotherapeutische Behandlungsmethode, die auf der Basis körperlicher Erfahrungen Betroffenen Verständnis für paar- und psychodynamische Aspekte der sexuellen Interaktionen ermöglicht. Es ist zu hoffen, dass auch diese Auflage mit dazu beiträgt, Fehldeutungen des Hamburger Modells abzubauen, die dieses als ein sexuelles Trainingsprogramm sehen, welches das Ziel hat, heteronormative Leistungsansprüche zu reproduzieren.Der Bedarf einer dritten Auflage lässt hoffen, dass junge Psychotherapeut*innen die große Wertigkeit dieser Behandlungsmethode auf dem „Markt“ sexualtherapeutischer Angebote, jenseits ekstatischer Heilsversprechungen, nicht nur erkennen, sondern diese weiterhin anwenden.Auch Therapeut*innen mit langjähriger Erfahrung in der Arbeit mit dem Hamburger Modell kann ich die dritte Auflage des Manuals ans Herz legen. Das „neue Gewand“ und die modifizierten inhaltlichen Akzente eröffnen Räume für die Reflexion des eigenen therapeutischen Handelns. Und Freude macht der Blick auf das erfrischende Foto des vertrauten Autor*innenteams.

Annette Schwarte (Aachen)



Publication History

Article published online:
12 March 2020

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