Zusammenfassung
Die Flüssigkeitstherapie zählt zu den häufigsten medizinischen Maßnahmen mit dem Ziel,
den Flüssigkeitshaushalt zu normalisieren. Ein entscheidendes Kriterium für die Effizienz
des Flüssigkeits- oder Volumenersatzes ist die Funktionsfähigkeit der Glykokalyx,
einer dünnen endothelialen Glykoproteinschicht. Sie ist ein wesentlicher Faktor für
den Flüssigkeitsaustausch und -transport zwischen Gefäßsystem und Gewebe. Das erst
jüngst beschriebene revidierte Starling-Prinzip erweitert das Verständnis erheblich.
Aus klinischer Sicht sollte die Flüssigkeitstherapie eine zeitnahe Euvolämie anstreben,
ohne relevante Nebenwirkungen zu induzieren. Es stehen hierfür sowohl kristalloide
als auch natürliche oder synthetische kolloidale Lösungen zur Verfügung. Bei den kristalloiden
Lösungen scheinen die sog. balancierten Vollelektrolytlösungen mit weniger Nebenwirkungen
assoziiert zu sein. Kolloide Lösungen haben bei intakter Gefäßbarriere einen höheren
Volumeneffekt, besitzen aber
teilweise erhebliche Nebenwirkungen. Einige synthetische Kolloide dürfen daher
nicht mehr bei kritisch kranken Patienten eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu führt
die Gabe von Humanalbumin 20% bei kardiovaskulär erkrankten, hypalbuminämen Patienten
zu einer Reduktion von Nierenfunktionsstörungen und scheint auch mit weiteren klinischen
Vorteilen assoziiert zu sein. Inwieweit zukünftige, individualisierte Therapieansätze
das Outcome beeinflussen können, bleibt abzuwarten.
Ziel der Flüssigkeitstherapie ist das zeitnahe Erreichen einer Euvolämie, ohne relevante
Nebenwirkungen zu induzieren. Hierfür stehen sowohl kristalloide als auch kolloidale
Lösungen zur Verfügung. Der Beitrag veranschaulicht gegenwärtige Aspekte des Flüssigkeitsaustauschs
an der Gefäßbarriere, gibt ein Update über die derzeit verfügbaren Optionen in der
perioperativen Flüssigkeitstherapie und fasst aktuell publizierte Studien zusammen.
Abstract
Fluid therapy is one of the most frequently used medical interventions with the aim
of normalizing the fluid balance. A decisive criterion for the efficiency of fluid
or volume replacement is the functionality of the glycocalyx, a thin endothelial glycoprotein
layer. Its solidity is an essential factor for fluid exchange and transport from the
vascular system to the tissue. The recently described revised Starling principle extends
the understanding considerably. From a clinical point of view, fluid treatment should
aim for timely euvolemia without inducing relevant side effects. Both crystalloid
and natural or synthetic colloidal solutions are available. In the case of crystalloid
solutions, the so-called balanced solutions seem to be associated with fewer side
effects. If the vascular barrier is intact, colloid solutions have a higher volume
effect, but may have significant side effects limiting their use. At least in Europe,
some synthetic colloids shall therefore no
longer be used in critically ill patients. In contrast, treatment with albumin
20% in hypalbuminemic patients with cardiovascular disease leads to a reduced incidence
of acute kidney injury and has also been associated with other clinical benefits.
To what extent future, individualized therapeutic approaches employing colloids will
influence the outcome is currently speculative.
Schlüsselwörter
Flüssigkeiten - Glykokalyx - Kristalloide - Kolloide - Humanalbumin
Key words
Fluids - glycocalyx - crystalloids - colloids - human albumin