JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2020; 09(04): 138-139
DOI: 10.1055/a-1186-7763
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Heidi Günther
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Publication Date:
10 August 2020 (online)

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(Quelle: Paavo Blafield/Thieme Gruppe)

Wahrscheinlich rechnet jeder jetzt, während uns die Corona-Krise noch voll im Griff hat, damit, dass ich in dieser Kolumne über genau diese schreiben werde. Eigentlich hatte ich mir das auch vorgenommen. Aber die Ereignisse der letzten Wochen in unserem Land, in allen Krankenhäusern – auch in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite –, in der Wirtschaft, im gesellschaftlichen Leben und auch in unserer Familie müssen erst einmal ein bisschen sacken. Ich muss nachdenken, abwägen, einordnen und sortieren. Und solche Dinge brauchen, zumindest bei mir, nun mal ihre Zeit. Zumal ja aktuell die Krise noch nicht überstanden ist. Dennoch ist ja neben dem alles bestimmenden Virus, den Vorbereitungen in den Krankenhäusern, den täglichen Krisensitzungen, den Bereitschaftsdiensten, dem sich fast täglich ändernden Dienstplan und den allgemein spürbaren Anspannungen auch ein bisschen Alltag zu bewältigen gewesen.

So traten genau in dieser Zeit Pamela und Miguel in unser Stationsleben.

Im Juni des Jahres 2019 legten die Minister Heil, Spahn und Giffey die Ergebnisse der „Konzertierten Aktion Pflege“ vor, die den Pflegenotstand in Deutschland bekämpfen sollen. Ein Weg, um den permanenten Personalmangel zu beheben, soll auch das Akquirieren von Pflegekräften aus dem Ausland sein. So bereisten diverse Minister oder deren Mitarbeiter zunächst das Kosovo und die Philippinen. Über den Erfolg dieser Reisen kann ich nichts Nennenswertes berichten. Dann flog aber Herr Spahn persönlich nach Mexiko, und ich glaube, in dem nächsten Flieger nach Mexiko-Stadt saß unsere PDL, um im Auftrag der Schön-Kliniken auch ein Stück von dem mexikanischen Kuchen respektive der Tortilla abzubekommen. Nach ihrer Rückkehr berichtete sie umfänglich in Bild und Ton weniger vom Land der Inkas, vom schönen Wetter, den rauschenden Abenden in traditionellen Restaurants bei Tequila, Tacos & Co. – nein, sie erzählte von ihren Begegnungen, den Interviews mit potenziellen neuen Kollegen und wie unermesslich anstrengend und nervenaufreibend das alles war. Immerhin waren knapp 10.000 Kilometer abzufliegen, ein Zeitunterschied von sieben Stunden zu kompensieren – und dann noch dieser Klimawechsel! Gut, ich gebe zu, so ein kleiner Funken Neid machte sich in mir breit. Immerhin führte meine weiteste Dienstreise einmal quer durch unser Land von München nach Hamburg, und das war auch ein bisschen anstrengend!

Jedenfalls war die weite Dienstreise meiner Vorgesetzten nicht ganz umsonst. Sie konnte einige Kollegen für unsere Klinik gewinnen und zwei von denen landeten, nach diversen Vorbereitungen wie Sprachkurs und theoretischer Vorbereitung auf die Anerkennung, auf unserer Station. Quasi Mexiko-Stadt über Rosenheim in Oberbayern nach München. Von einer Acht-Millionen-Stadt in Nordamerika über eine 63.000 Einwohner zählende Kreisstadt im tiefsten Bayern in die „Weltmetropole“ München. Das Ganze dann auch noch im Winter, der im vergangenen Jahr nicht mal einer war. Der Kulturschock muss unvorstellbar gewesen sein.

Vor einigen Jahren gab es schon einmal so eine Aktion in unserem Haus. Da wurden Italiener bei uns eingestellt. Italien wird ja in der öffentlichen Wahrnehmung hier in Bayern als unmittelbarer Nachbar und unser allerliebstes Reiseziel beschworen. Was ja auch so ist. Hier geht man aber noch einen Schritt weiter und bezeichnet München gern als südlichste Großstadt Italiens. Aber es half alles nichts. Die jungen Italiener kamen mit den Veränderungen, mit denen sie jetzt leben wollten oder sollten, nur sehr schlecht zurecht, und so schnell konnten wir gar nicht gucken, wie sie wieder weg waren. Für 20 Euro mit dem Flixbus.

Nun also Mexiko. Nach dem Reinfall mit den Italienern hätte ich mir schon gewünscht, dass nicht nur die neuen Kollegen auf uns, sondern auch wir auf sie ein bisschen vorbereitet worden wären. Als es vor Jahren absehbar war, dass in der nahenden Zukunft viele Patienten aus den arabischen Gebieten zu erwarten waren, ging es doch auch. Ich selbst war bei mehreren Fortbildungen dabei, in denen es ausschließlich um diese Menschen, ihre Herkunft, ihre Sitten, Gewohnheiten, ihren Glauben und ihre Bedürfnisse ging. Scheinbar waren wir vorbereitet und kamen trotzdem an unsere Grenzen. Dabei gibt es ja noch einen kleinen Unterschied, ob es ein Patient ist, der mit einem Großteil der Familie anreist, für den immer ein Dolmetscher zur Verfügung steht, der nebenbei noch zahlender Kunde ist und nach der Genesung wieder abreist. Oder aber, ob es ein junger Mensch ist, der proaktiv für uns geworben wurde und sich auf einem fremden Kontinent, mit fremder Sprache und Kultur, in einer ganz anderen Lebens- und Arbeitsstruktur wiederfindet und sich das alles vielleicht auch ganz anders vorgestellt hat.

Unsere Station ist ja, wie ich nicht müde werde zu erwähnen, sehr multikulti, und gerade erst im vergangenen Jahr kam zu uns eine junge Frau aus Serbien mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einem allerdings fragwürdigen B2-Abschluss. Es war für alle Beteiligten ein wirklich hartes Stück Arbeit – aber heute ist sie eine gut Deutsch sprechende, mit erreichter deutscher Anerkennung, sehr fleißige und beliebte und ich glaube auch hier angekommene junge Frau.

So sind wir auch bei den beiden neuen Kollegen wild entschlossen, es für sie und für uns so angenehm und erfolgreich zu gestalten, wie es nur möglich ist. Wir werden Unterstützung in vielen Bereichen ihres neuen Lebens anbieten. Ob mit der Kommunikation, bei der Wohnungssuche oder Behördengängen. Gerade diese drei Themen werden schon sehr aufwendig und sicherlich auch unterhaltsam werden, zum Beispiel, wenn der Bosnier dem Mexikaner die deutsche Sprache näherbringen will, und wenn es ganz verrückt werden soll, mischt sich der Bayer noch ein! Wohnungen sind gewissermaßen nicht zu haben, und dem typisch deutschen Behördendschungel werde selbst ich nur schwer Herr. Aber ich habe von Miguel und Pamela auch schon erfahren, welch aufwendige Ausbildung sie in Mexiko absolviert haben, und hoffe sehr, dass wir dann davon profitieren können. Und wenn das große Heimweh kommt? Dann schleppen wir sie zum nächsten „Mexikaner“ an der Ecke – oder vielleicht doch lieber in den Biergarten. Also, alles wird gut!

Packn mia’s an, ois werd guad – oder todo estará bien!

In diesem Sinne

Ihre

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de

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