ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2020; 129(07/08): 309
DOI: 10.1055/a-1195-6617
Editorial

Ein reißender Fluss

Cornelia Gins

Vielleicht haben Sie schon in einigen Beiträgen etwas über die neue Medizinprodukte-Verordnung gelesen, die 2017 beschlossen wurde und nach einer Übergangsfrist eigentlich ab Mai 2020 gelten sollte. „Corona“ hat dafür gesorgt, dass die Verordnung erst ab Mai 2021 Anwendung finden wird. Sie legt unter anderem einheitliche und verschärfte Kriterien für sogenannte Benannte Stellen bei der Zertifizierung von Medizinprodukten fest und regelt das Verfahren zur Genehmigung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten. Ziel der Regelung ist es, die Patienten vor fehlerhaften oder risikobehafteten Medizinprodukten zu schützen. Grundsätzlich werden 4 Risikostufen zugrunde gelegt: Klasse I (geringer Invasivitätsgrad), Klasse IIa (mäßiger Invasivitätsgrad), IIb (hoher Invasivitätsgrad mit systemischer Auswirkung) und Klasse III (sehr hoher Invasivitätsgrad mit Gefahrenpotenzial). Die zahnärztlichen Implantate würden der Klasse IIb zugeordnet werden, dauerhafter Zahnersatz der Klasse IIa. Die neue Verordnung sieht nun umfangreiche Kontrollen und Prüfungen vor, die auch die Dentalindustrie betreffen werden und schlussendlich den Endverbraucher, also den Zahnarzt. So könnte die Gefahr bestehen, dass Produkte oder Materialien, die wir seit Jahren verwenden, plötzlich nicht mehr verfügbar sind, da die Unternehmen, vor allem die kleineren, die kostspieligen erneuten Prüfungen nicht übernehmen wollen oder können. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang auch der Zahntechnik. Zwar gilt „händisch“ hergestellter Zahnersatz immer noch als Sonderanfertigung nach Klasse IIa, aber wie wird sich der digital hergestellte in der Verordnung wiederfinden? Wird er noch als Sonderanfertigung gelten können? Die Europäische Kommission hat auf Anfrage des Zahntechnikerverbandes FEPPD bestätigt, dass wohl der Status „Sonderanfertigung“ auch für industriell hergestellten ZE gelten wird. Für Zahnärzte, die „Chairside“ arbeiten, wird das ebenfalls eine Beruhigung sein.



Publication History

Article published online:
12 August 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York