Zusammenfassung
Ein Hautarzt führte bei einem Patienten wegen suspekter Hautveränderungen an der rechten
Schulter und im Bereich des Nackens Biopsien durch. Der Pathologie-Befund ergab für
die Hautveränderung an der rechten Schulter ein fortgeschrittenes und ulzeriertes
invasives superfiziell spreitendes malignes Melanom (SSM) und für die im Bereich des
Nackens vorgefundene Hautveränderung ein fortgeschrittenes solid-adenoides Basalzellkarzinom.
Der Patient unterzog sich daraufhin einem unter Vollnarkose durchgeführten operativen
Eingriff zur Entfernung der Hautveränderung an der Schulter (Nachexzision mit Sicherheitsabstand
von 2 cm und Sentinel-Lymphonodektomie axillär). Da der Patient bereits zu diesem
Zeitpunkt eine Vertauschung der zuvor entnommenen Gewebeproben vermutete, erfolgte
im Rahmen dieses Eingriffs auf seinen ausdrücklichen Wunsch zugleich eine Re-Biopsie
der Hautveränderung im Bereich des Nackens. Während die Exzision im Bereich der Schulter
einen tumorfreien Befund ergab, bestätigte die Re-Biopsie am Nacken den Nachweis von
Tumorzellverbänden im Sinne eines malignen Melanoms und damit den Verdacht auf Verwechslung
der Präparate. Das zuständige Landgericht gab seiner Klage auf Schmerzensgeld statt
und hielt fest, dass die verwechslungssichere Aufbewahrung, Etikettierung und Versendung
von Patienten entnommenen Gewebeproben ein sog. vollbeherrschbares Risiko ist. Für
voll beherrschbare Risiken gilt eine Beweislastumkehr, d. h. der Arzt muss beweisen,
dass kein Behandlungsfehler vorlag. Zur Vermeidung von Vertauschungen dermatopathologischer
Proben sollten alle Prozessschritte der Biopsieentnahme, des Versandes und der Verarbeitung
analysiert und in einem Qualitätsmanagement-Dokument festgehalten werden.
Abstract
A dermatologist performed biopsies on a patient because of suspicious skin changes
on the right shoulder and in the neck area. The pathology report revealed an advanced
and ulcerated invasive superficial spreading malignant melanoma (SSM) for the right
shoulder and an advanced solid adenoidal basal cell carcinoma for the neck area. The
patient then underwent surgery under general anesthesia on the shoulder (re-excision
with a safety margin of 2 cm and axillary sentinel lymphonodectomy). Since the patient
suspected at this point that the tissue samples taken previously had been mixed up,
a re-biopsy in the neck area was performed at his express request. While the excision
in the shoulder area was tumor-free, the re-biopsy in the neck confirmed the detection
of malignant melanoma tumor cells and thus his suspicion of mix-up of the biopsy specimen.
The regional court upheld his claim for damages for pain and suffering and held that
the confusion-proof storage, labelling and dispatch of tissue samples taken from patients
is a so-called fully controllable risk. A reversal of the burden of proof applies
to fully controllable risks, i. e. a physician must prove that there was no treatment
error. In order to avoid mix-ups of dermatopathological specimen, all process steps
of biopsy taking, dispatch and processing should be analysed and recorded in a quality
management document.