Aktuelle Urol 2021; 52(03): 235-236
DOI: 10.1055/a-1296-2994
Editorial

Urologie der Frau

Female urology
Jennifer Kranz
1   Klinik für Urologie und Kinderurologie, St.-Antonius-Hospital gGmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen, Eschweiler, Deutschland
2   Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Halle (Saale), Halle (Saale), Deutschland
,
Ricarda M. Bauer
3   Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München - Campus Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland
› Author Affiliations

In der Öffentlichkeit wird der Urologe auch heute noch häufig als der „Männerarzt“ wahrgenommen. Aber Urologie ist mehr und genau das macht dieses Fach so spannend und attraktiv. Urologen kümmern sich um urologische Erkrankungen bei Männern und selbstverständlich auch bei Frauen, so wie wir nicht nur Erwachsene sondern auch Kinder behandeln. Daher ist es wichtig den gesamtheitlichen Blick auf die Folgen einer urologischen Erkrankung bei weiblichen Patienten zu schärfen. Für uns alle ist es selbstverständlich unsere männlichen Patienten über Veränderungen der Sexualität und Erektion nach Operationen wie Zystektomie, radikaler Prostatektomie und rekonstruktiven Eingriffen aufzuklären, aber erfolgt das bei den weiblichen Patienten wirklich immer in der gleichen Intensität? Legen wir genügend Fokus auf geschlechtsspezifische Unterschiede, Bedürfnisse und auch die psychosozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Das aktuelle Themenheft ist daher der „Urologie der Frau“ „gewidmet“ und bietet einen systematischen und umfassenden Überblick zu den typischen, oftmals die Lebensqualität einschränkenden urologischen Krankheitsbildern der Frau, beschäftigt sich aber auch mit dem heißen Eisen „Operieren in der Schwangerschaft“.

Der unwillkürliche Urinverlust ist ein weit verbreitetes Leiden, das Frauen deutlich häufiger betrifft als Männer. Neben Einbußen der Lebensqualität können dadurch auch Angstzustände, Depressionen, Erschöpfungszustände, soziale Isolation und Partnerschaftsprobleme hervorgerufen werden. Erstaunlich ist dabei, dass trotz hohem Leidensdruck auch im Jahr 2021 sich viele Patienten aus Scham nicht trauen mit diesem Problem an einen Arzt zu wenden. Grundlage für eine individuelle, bestenfalls maßgeschneiderte Therapie ist eine zielgerichtete Diagnostik. Anke Jaekel und Kollegen geben in ihrem Beitrag Handlungsempfehlungen für die nicht invasive und invasive Diagnostik der weiblichen Harninkontinenz im Praxis- und Klinikalltag. Albert Kaufmann widmet sich dann den Behandlungsoptionen der weiblichen Belastungsinkontinenz und erörtert in seinem Beitrag die Vor- und Nachteile der jeweiligen konservativen und operativen Therapiemaßnahmen.

Ein weiteres belastendes Problem für Frauen aller Altersgruppen sind rezidivierende Harnwegsinfektionen. Neben aktuellen nicht-antibiotischen und antibiotischen Behandlungsoptionen kommt hier den prophylaktischen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu. Vor dem Hintergrund global steigender antimikrobieller Resistenzen sollte ein Stufenkonzept der Prävention favorisiert werden, wie Daniel Faßl und Kollegen darlegen.

Weibliche Harnröhrenstrikturen sind ein seltenes Krankheitsbild mit individueller Symptomatik, fordern aber den operativ tätigen Urologen oftmals heraus. Insbesondere da es an klinischen Leitfäden zu Diagnostik und Therapie mangelt. Malte Vetterlein und Kollegen befassen sich mit einer aktuellen Literaturübersicht relevanter Artikel dazu und diskutieren Ergebnisse verschiedener Operationstechniken.

Alexander Lampel und Daniela Schultz-Lampel legen in ihrem Artikel die Möglichkeiten der Harnableitung nach uroonkologischen Eingriffen bei der Frau dar. Sie gehen dabei auf die individuellen Gegebenheiten des Tumors, der betroffenen Patientin und den Erfahrungen und Präferenzen des Operateurs im Detail ein und leiten eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Harnableitung daraus ab.

Ein wichtiger berufspolitischer Aspekt ist, dass auch die Urologie von ärztlicher Seite nicht mehr männerdominiert ist. Unter den jungen Assistenzärzten sind in vielen Kliniken, auch an deutschen Universitätskliniken, mittlerweile die Frauen in der Mehrheit. Dies hat einen wesentlichen Einfluss auf die Klinik-Organisation, Arbeitszeitmodelle, Dienstplanung und Facharztausbildung. Dennoch stellt die Bekanntgabe einer Schwangerschaft auch heute noch sowohl die Schwangere als auch ihre Vorgesetzten vor große Herausforderungen. Die Gründe dafür sind bürokratischer Mehraufwand, die teilweise eingeschränkte Einsetzbarkeit von schwangeren Mitarbeiterinnen und auch die Sorge vor rechtlichen Konsequenzen für den Arbeitgeber. Die Novellierung des Mutterschutzgesetzes schließt jedoch das Arbeiten und Operieren in der Schwangerschaft nicht aus. Vielmehr wird der Arbeitgeber durch das novellierte Gesetz angehalten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und Benachteiligungen durch eine Schwangerschaft entgegenzuwirken. Ziel sollte es sein „operationswillige“ Kolleginnen in den operativen Alltag mit einzubinden. Der berufspolitische Beitrag von Ulrike Necknig und Kollegen thematisiert dieses aktuelle Thema. Sie beleuchten die Thematik und geben damit der schwangeren Urologin und deren Vorgesetzten hilfreiche Tipps an die Hand. Die Veränderungen unseres Berufsbildes gehen dabei aber über die Schwangerschaft von Kolleginnen weit hinaus. Auch die männlichen Assistenzärzte nehmen vermehrt ihr Recht auf Elternzeit in Anspruch und fordern familienfreundlichere Arbeitsplätze mit flexiblen Arbeitszeiten. Diese Veränderungen sollten dabei aber weniger als Verlust von Altbekanntem als eine Chance für die Zunahme der Attraktivität des Faches Urologie wahrgenommen werden.

Zum Abschluss möchten wir noch darauf hinweisen, dass wir unter Urologen, Ärzten, Operateuren etc. immer beide Geschlechter verstehen.

Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Durchsicht des spannenden Themenheftes „Urologie der Frau“.



Publication History

Article published online:
21 May 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany