Aktuelle Urol 2021; 52(03): 197
DOI: 10.1055/a-1296-3108
Editorial

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) – Auch was für die Urologie?

Kurt Miller
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Prof. Kurt Miller

Das Smartphone ist heute zum unverzichtbaren Lebensbegleiter geworden. Auch vor der Medizin hat diese Entwicklung nicht halt gemacht – tausende „Gesundheitsapps“ sind verfügbar.

Aber dabei etwas Relevantes für die Urologie finden? Sehr schwierig. Gibt man in Googles Play Store den Suchbegriff „Urology“ ein erhält man 243 Treffer, darunter Apps aus völlig anderen Kategorien wie z. B. den Streamingdienst Netflix oder das Videoportal TikTok. Umgekehrt findet man gute Apps wie „Nierenzellkarzinom Onkowissen“ oder die „GeSRU Hodentumor-App“ nicht. Also schwer, die „Spreu vom Weizen“ zu unterscheiden

Dank neuer regulatorischer Rahmenbedingungen ist jetzt Abhilfe in Sicht! In der „digitalen Gesundheitswüste“ Deutschland hat das BGM vor einem Jahr das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) geschaffen. Wichtiger Bestandteil sind Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die zur besseren Versorgung von Patienten beitragen sollen und von Ärzten verschrieben werden („App auf Rezept“). Somit sind die Lösungen für Patienten auch erstattungsfähig.

Im Gegensatz zur ungeprüften Aufnahme in einen App Store ist der Weg zur Zulassung als DiGA komplex. Die Software muss zunächst als Medizinprodukt zertifiziert werden. Ist dies erreicht, muss vor der offiziellen Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ein unabhängiges und standardisiertes Verfahren durchlaufen werden, das den medizinischen Mehrwert des Produkts sicherstellt. Dabei muss der klinische Nutzen des Produkts in unabhängigen Studien nachgewiesen werden.

Ist das alles für die Urologie relevant? Bisher ist keine urologische DiGA gelistet. Aber eine digitale Therapie zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED) und die Beratungs App „Prostana“ sind in der Entwicklung und könnten noch dieses Jahr als erste DiGA in der Urologie verfügbar werden.

Dabei richtet sich Prostana (online Therapie Begleiter bei Prostatakarzinom) auf das Ziel, die Gesundheitskompetenz der Patienten zu erhöhen (eines der definierten Ziele von DiGAs), das Programm zu erektiler Dysfunktion ist ein „digitales Coaching“, mit dem Ziel, die ED direkt zu verbessern (basierend auf dem IIEF Fragebogen). Was wird konkret gecoacht? Die Studienlage zeigt, das kardio-vaskuläres Training sowie Training der Beckenbodenmuskulatur wirksam sind, darüber hinaus haben sich sexualtherapeutische Ansätze sowie Achtsamkeitsübungen bewährt. Und obwohl eine solche Vorgehen in den Leitlinien verankert ist, wird es bisher selten eingesetzt, da diese Interventionen eine enge „persönliche“ Betreuung von Patienten über einen längeren Zeitraum erfordern, was in der „analogen“ Welt an Kosten und Verfügbarkeit in der Regel scheitert. Ein solches Trainingsprogramm ist grundsätzlich ideal für digitales Coaching (Trainingsvideos, Hintergrundwissen, auditive Entspannungsübungen etc.) mit einer „App auf Rezept“ geeignet. Analoges gilt übrigens für die Begleitung von Prostatakarzinom Patienten, die sich mit ihren Sorgen und Fragen oftmals alleingelassen fühlen.

Man darf gespannt sein, wie die urologische Community diese neuen Therapieansätze aufnimmt und auf zahlreiche „early adopters“ hoffen, steht doch die medizinische Sinnhaftigkeit und die Verbesserung der Versorgungsrealität außer Frage.

K. Miller



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Article published online:
21 May 2021

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