Klinische Neurophysiologie 2021; 52(02): 106-107
DOI: 10.1055/a-1395-1205
Leserbrief

Antwort auf den Leserbrief von Nedelmann M et al.

Hans-Christian Hansen
1   Klinik für Neurologie, Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster GmbH, Neumünster
,
Knut Helmke
2   Zentrum für Radiologie und Endoskopie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
› Author Affiliations

Die große Resonanz auf unseren Übersichtsartikel [1] hat uns sehr gefreut und wir danken für Anregung und Ansporn zu diesem Thema. Im vorgelegten update 2020 [1] griffen wir u. a. auf, dass konsentierte ONSD-Normwerte fehlen, worauf sich Nedelmann et al. beziehen. Tatsächlich hängen Ultraschallmesswerte stets von mehreren Einflussgrößen ab, wie dargelegt in unserer Tab. 1 (Qualitätsanforderungen). Prinzipiell gilt die Sonografie als untersucherabhängig hinsichtlich Erfahrung und Messtechnik. Schon dies steht einer globalen Einheitlichkeit entgegen und erklärt die hier diskutierten Messunterschiede um 1 mm.

Deshalb erscheint uns als ein praktikables Vorgehen: 1. wie in der Neurophysiologie üblich, eigens laborintern erhobene ONSD-Normdaten zugrunde zu legen, 2. eine diagnostische ONSD-Grauzone zu etablieren (bei uns 4,5–5,0 mm, siehe Info Box) und 3. mehr noch auf den ∆-ONSD (≥0,3 mm) zu fokussieren, generiert aus seriellen Messungen im Krankheitsverlauf. Gerade letzteres bietet im Neuromonitoring auf der Intensiveinheit die Möglichkeit, pathologische Prozesse unabhängig von der individuellen Ausgangslage (cfr. Variabilität der Sehnerven) effektiver zu verfolgen. Mit diesem Vorgehen braucht die Überschreitung pauschaler ONSD-Grenzwerte nicht abgewartet werden.

Wir haben in den Jahren 1994–2011 neben dem klinischen Ultraschall mehr als 100 humane Sehnervpräparate post mortem aufgearbeitet. In vitro fanden wir für die ONSD vor einer Dehnung stets Werte bis 5,0 mm und nach Druckbelastungen (kontrolliert gesteigert bis 65 mmHg) maximal 7,2 mm [2]. Längere Drucksteigerungen in vivo dilatierten bis maximal 8,3 mm. Der Leserbriefhinweis auf MRT-Daten mit vergleichsweise hohen Normwerten wirft eher zusätzliche Fragen auf: Die Messzeiten von 180–240 sec pro MRT-Scan führen vermutlich durch die ständig ablaufenden Mikrosakkaden (physiologische Fixationsunruhe) zu höheren Werten. Am Sonografiegerät kommt dieses Phänomen nicht zum Tragen (online-Messdatenerhebung).

Für die im Leserbrief vorgeschlagenen anatomischen Verhältnisse, aufgefasst als Trabekel zwischen Sehnerv und Durahülle, fanden wir in unseren Präparaten hinsichtlich der vorgeschlagenen Regelmäßigkeit, der Dichte und der longitudinalen Ausbreitung keine Entsprechung (Fig. 3 in [3]). Selbst bei einem Abstand unterhalb von 10 mm zwischen dem 12 MHz-Schallkopf und dem Präparat (Fig. 2 in [2]) sind Trabekel nicht in einer entsprechenden Anzahl wie von Nedelmann et al. vermutet, nachweisbar. Um diese Diskrepanz zu klären und Messpunkte besser zu objektivieren, könnten weitere Untersuchungen sinnvoll sein. Zum jetzigen Zeitpunkt würden wir eher die angeführten horizontal verlaufenden echoreichen Reflexe extradural ansiedeln. Das Auseinanderweichen dieser Reflexpunkte durch Dilatation des Durahülle wäre plausibel. Bei Betrachtung unterschiedlicher Normwertangaben (Fig. 4 in [4]) sowie unserer eignen Tabelle 2 wird deutlich, dass offenbar zwei tendenziell unterschiedliche Verfahrensweisen bei der Messung "edge to edge" dominieren, und dass die Abnormitätskriterien 5,0 und 6,2 mm ähnlich häufig in der Literatur zur Verwendung kommen. Koziarz et al. (2019) befanden schließlich in der bislang umfangreichsten Metaanalyse, dass der optimale cut-off bei 5,0 mm liegt, wenn es um die Frage der intrakraniellen Hypertension geht [5].

Aus unserer Sicht unterstreicht diese eigentlich überfällige Diskussion die Wichtigkeit von anatomischen Grundlagen, von laboreigenen Normwerterhebungen und von Verlaufsmessungen des ∆-ONSD im Krankheitsprozess durch dieselben Untersucher/Geräteeinstellungen. Gleichwohl stützen alle Messvarianten die Validität der sonographischen Diagnostik am Sehnerven zwecks Abschätzung des Drucks im Liquorraum.

Publikationshinweis

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Publication History

Article published online:
27 May 2021

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  • Literatur

  • 1 Hansen HC, Helmke K. Review Optikussonografie – ein update 2020. Klinische Neurophysiologie 2020; 51: 201-213
  • 2 Hansen HC, Lagrèze W, Krüger O. et al. Dependence of the Optic Nerve Sheath Diameter on acutely applied subarachnoidal Pressure – An Experimental Ultrasound Study. Acta Ophthalmol 2011; 89: e528-e532
  • 3 Hansen HC, Helmke K. The subarachnoid space surrounding the optic nerves. An ultrasound study of the optic nerve sheath. Surg Radiol Anat 1996; 18: 323-328
  • 4 Schroeder C, Katsanos AH, Richter D. et al. Quantification of Optic Nerve and Sheath Diameter by Transorbital Sonography: A Systematic Review and Metaanalysis. J Neuroimaging 2020; 30: 165-174
  • 5 Koziarz A, Sne N, Kegel F. et al. Bedside Optic Nerve Ultrasonography for Diagnosing Increased Intracranial Pressure: A Systematic Review and Meta-analysis. Ann Intern Med 2019; 171: 896-905 DOI: 10.7326/M19-0812.