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DOI: 10.1055/a-1484-8978
Hand, liegt auf der Hand
Des Menschen Vorfahren sind Wirbeltiere mit zentraler Kopf-Wirbelsäule-Längsachse und zwei symmetrischen Querachsen; Arme eben und Beine. Bei den Primaten zeigt sich die Umwandlung der Vorderbeine in Hand mit Finger, während die Hinterbeine zum aufrechten Gang dienen und deren Füße angepasst werden als Tatze, Pranke oder Pfote. Es folgt eine Differenzierung der Hände und Finger. Faustbildung und Greifen, Antippen, Streichen und vielgestalte Fingerübungen werden zur Körpersprache, Zeichensprache und Emotionsschilderung verwendet und dienen auch der zwischenmenschlichen Information.
Damit sind die Voraussetzungen geschaffen zur differenzierten Nahrungsbeschaffung, zum selektiven Gebrauch der Finger und damit zu sehr vielen der gewachsenen kulturellen Errungenschaften, besonders der Schrift, dem Musizieren, Zeichnen, Malen und dem Herstellen von Skulpturen wie auch von Gebäuden aller Arten. So die anatomischen und physiologischen Grundlagen zu menschlichem Handeln. Globalgeschichte und Archäologie ergänzen das „Wann und Wie“ zur Kulturgeschichte; auf den Menschen bezogen zur Kulturanthropologie.
Dies am Beispiel „Hände“ zu schildern und zu dokumentieren, hat sich der angesehene und kürzlich emeritierte Germanist Jochen Hörisch der Universität Mannheim vorgenommen. Es ist ihm hervorragend gelungen. Der Leser wird gefangen genommen, mitgerissen von einem Sturm an Worten und Begriffen, und er wird bereichert durch Beispiele, Symbole, Metaphern und überrascht von bekannten und neuen Zitaten aus der Literatur, allen voran Meister Johann Wolfgang von Goethe, dem Autor besonders vertraut.
Das „Händebuch“ von Jochen Hörisch kommt zur richtigen Zeit und geht von den Sprachwissenschaften und der Literatur aus. Es besticht mit der Idee und fesselt durch die Fülle seiner Argumente, es ist wissenschaftliches Dokument und zugleich Exempel beherrschter Fabulierkunst.
Buch und Idee haben eingeschlagen, in Fachkreisen, im Internet und hinter vorgehaltener Hand, sodass die Tagespresse hellwach ward. Die Rhein-Neckar-Zeitung, Tagesblatt unserer Rhein-Neckar-Region, Ausgabe 42 vom 20./21. Februar 2021, hat dem Buch und dem Autor eine bebilderte Doppelseite gewidmet, und in 10 handfesten Fakten dargelegt, dass das Unterfangen hoch willkommen und der Anfang mit der Kulturgeschichte richtig sei. Deswegen wurden der Ausgabe ergänzende Beiträge zur Bedeutung von Nervenversorgung und Tastsinn beigefügt sowie ein Text über die Funktion und Pathologie der Handgelenke.
Und die Ausstrahlung ist groß. Schon am 10. Februar 2021 widmet die internationale Ausgabe der NZZ eine ganze Seite im Feuilleton dem „Händebuch“ von Jochen Hörisch. Intension und Wirkkraft werden gelobt, die Vielfalt der Literatur bewundert und ein Sog bestätigt. Attraktiv erscheint das Unterfangen; eine Ausweitung in die Pathologie und in die Pflege der Hände ist gemeint. Die kranke Haut und deren Beziehung zur Funktion gehörten dazu, ergänzt der Berichterstatter.
Ernst G. Jung, Heidelberg
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. Mai 2021
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