Das Thema COVID-19 und neurologische Erkrankungen lässt uns so schnell nicht los.
Nach unserem Themenheft im Juni dieses Jahres greifen Gülke und Gerloff das Thema
im aktuellen Heft noch einmal auf, mit einem instruktiven Fallbeispiel, und setzten
den Fokus auf die Auswirkungen einer COVID-19 Erkrankung bei Patienten mit neurologischen
Vorerkrankungen [1]. Die neurologischen Symptome bei COVID-19 Erkrankung werden derzeit durch verschiedene
Pathomechanismen erklärt: a) Direkte Bindung an ACE2-Rezeptoren und somit Funktionsstörung
von Neuronen, die solche Rezeptoren exprimieren, b) Hyperkoagulabilität und c) der
Zytokinsturm, der auch für die schwere Lungenbeteiligung verantwortlich gemacht wird
[2]. Anosmie und Ageusie, Schlaganfälle und Enzephalopathie sind somit pathophysiologisch
plausible und inzwischen in der internationalen Literatur gut beschriebene Komplikationen
der COVID-19 Erkrankung. Im peripheren Nervensystem kommen noch einige Erkrankungen
dazu. Eine Critical-illness Neuropathie ist eine häufige Komplikation bei allen intensivmedizinisch
behandelten Patienten, insbesondere, wenn auch eine Sepsis vorliegt [3], und somit auch bei COVID-19 erkrankten Intensivpatienten. Ob das Guillain-Barré-Syndrom
(GBS, oder akute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (AIDP))
im Zusammenhang mit COVID-19 Erkrankungen häufiger vorkommt als sonst, wird in der
Literatur kontrovers diskutiert, während z. B. der Anstieg von GBS-Fällen in endemischen
Gebieten der ZIKA-Erkrankung vor einigen Jahren eindeutig war [4]. Im Zusammenhang mit COVID-19 Erkrankung wurde in Großbritannien sogar ein Rückgang
der GBS-Fälle beobachtet [5], während eine rezente Metaanalyse ein erhöhtes GBS-Risiko nach COVID-19 Erkrankung
fand [6]. Auch Fälle von neuaufgetretenen neuropathisch oder myogen verursachten Schmerzen
nach COVID-19 Erkrankung sind beschrieben worden [7]. Ein interessantes Phänomen ist die vorübergehende Hyp- oder Analgesie unter und
nach COVID-19 Erkrankung, für die man einen ähnlichen Mechanismus annimmt wie für
die Anosmie. Hierzu wurde kürzlich eine Fallserie publiziert [8], und auch wir konnten einen solchen Fall beobachten [9]. Aus den vielfältigen Wirkungen von SARS-CoV-2 und der COVID-19 Erkrankung auf das
Nervensystem werden wir also noch viele pathophysiologische Erkenntnisse ziehen können.
Ein großes Rätsel sind weiterhin die Symptome des Post-COVID-19-Syndroms, insbesondere
Fatigue und die kognitiven Störungen [1].