Heilpflanzen 2022; 02(03): 1
DOI: 10.1055/a-1723-2266
Editorial

„Wir leben Heilpflanzen!“

Christian Böser

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Wenn Sie dieses Editorial lesen, ist es mindestens schon Mitte September, und zwischenzeitlich hat es hoffentlich geregnet! Heute, an diesem Freitag Mitte August, an dem ich das Editorial schreibe, bin ich in der Früh mit meinem Hund über die Felder Richtung Wald gelaufen, dabei knirschte unter meinen Füßen eine dicke Laubschicht. Wie im Herbst. Wenn es in den nächsten Tagen nicht regnet, werden die Bäume Mitte September vermutlich kein Laub mehr tragen. Das wäre schade!

Hier in der Region ist der Regen seit vielen Wochen ausgeblieben, die Temperaturen liegen tagsüber mindestens ebenso lange schon bei über 30 °C. Der Grundwasserspiegel ist hier in den letzten Jahren so weit zurückgegangen, dass die Regenmengen längst nicht mehr ausreichen, um ihn auch nur annähernd wieder anzuheben. Wie sollen da die Pflanzen auf den Wiesen und Feldern, aber auch die Bäume noch an ausreichend Wasser kommen? Die wenigsten Pflanzen in meiner Region sind derartige Tiefwurzler, dass es ihnen gelingt, aus den tieferen Schichten Wasser zu holen. Doch es ist nicht nur das Wasser, das die Wurzeln nicht mehr erreichen. Ohne Wasser können sie auch keine Nähr- und Mineralstoffe aufnehmen – und damit verlieren die Pflanzen an Kraft. Da hilft die dickste Knolle nicht. Ich hoffe also auf Regen!

Als Kind habe ich übrigens Knolle, Rhizom und Wurzelstock als Synonyme für die Wurzel verwendet. Heute weiß ich es besser, und wenn ich mir nicht sicher bin, schaue ich in Rudi Beisers Beitrag über die Wurzeln und das Wurzelgraben in dieser Ausgabe nach. Dort erklärt er sehr anschaulich anhand von Grafiken die Unterschiede (S. 60). Als Suppenfan freue ich mich auch schon darauf, die Wurzelkraftsuppen auszuprobieren, die Daniela Schäffler in dieser Ausgabe vorstellt. Über die Topinambur-Curry-Suppe mit ihren präbiotischen Ballaststoffen freut sich bestimmt auch meine Mikrobiota (S. 76). Als „Remedium divinum“, also als göttliches Allheilmittel, bezeichnete man im Mittelalter die Meisterwurz. Neue Studien belegen, dass dieser Pflanze eine solche Hochachtung wohl nicht ganz unverdient zuteilwurde, wie Astrid Süßmuth in ihrem Beitrag schreibt. Neben Rezepturen für die äußerliche und innere Anwendung hat sie auch kulinarische Rezepte für uns. (S. 68). Die Engelwurz, die Cornelia Stern im großen Heilpflanzenporträt in der Rubrik „Ganz nah“ vorstellt (S. 4), entfaltet ihre nervenstärkende Wirkung nicht nur in der „3-Wurz-Teemischung“, die Teil von Manuela Reicks vorgestelltem Behandlungskonzept bei innerer Unruhe ist (S. 22). Auch das aus der Wurzel extrahierte ätherische Öl wirkt gegen Nervosität und Schlafstörungen (S. 55). In der „3-Wurz-Teemischung“ ist auch die Rosenwurz enthalten – ein wichtiges Adaptogen, das aus der Behandlung von Erschöpfungszuständen nicht mehr wegzudenken ist. Sebastian Vigl erklärt den komplexen Wirkmechanismus ihrer erforschten Inhaltsstoffe, die unter anderem auf das Nervensystem und das hormonelle System wirken, verständlich in seiner Wirkstoffgrafik (S. 28).

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, Zubereiten und Anwenden!

Ihr Christian Böser

Redakteur Heilpflanzen



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
12. Oktober 2022

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