Nuklearmedizin 2022; 61(02): 82-83
DOI: 10.1055/a-1780-1580
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Klinische Medizin

Von Funktion zu Molekül

Inhaltlicher Ausgangspunkt der Nuklearmedizin war bis vor 10–20 Jahren im Selbstverständnis des Faches das Organ mit einzelnen Funktionen. Die Tracer waren schon von Beginn an Radiopharmaka, mit denen der Stoffwechsel bis in die molekulare Ebene dargestellt wird. Nach der Lichtemission fangen Detektoren die Informationen auf und liefern Biomarker für Physiologie und Pathophysiologie. Beispiele sind die Szintigrafien der Schilddrüse, des Skeletts und des Myokards. Biomarker waren und sind in der Radiologie sekundäre physikalische Parameter wie die Abschwächung von Strahlen nach Transmission von Gewebe. Später kamen weitere morphologisch orientierte, unspezifische bildgebende Verfahren hinzu, wie Ultraschall, CT und MRT. Mit diesen Methoden zeigen sich Änderungen der Morphe nach dem Ablauf biologischer Prozesse.

Diese Verfahren entsprechen mit Ausnahmen einer statischen Fotografie, die ein Bild nach einem standardisierten Protokoll einfriert. Die Zeit ist in der Biologie und Medizin jedoch ein wertvoller Parameter, soll die Funktion beschrieben werden. So kann bei einigen Verfahren der Bildgebung die Nuklearmedizin mit der Aufnahme einer Filmkamera bei vergleichsweise schlechter Auflösung verglichen werden. Beispiele sind die Sequenzszintigrafie, die Nierenszintigrafie und die Myokardszintigrafie mit Bestimmung der linksventrikulären Pumpfunktion. Eine Datenakquisition über die Zeit liefert individuelle und longitudinale Informationen zur Beschreibung der gefragten Stoffwechselprozesse und Funktionen. Die Wertigkeit der Zeit wurde in den letzten Jahren zurückgestellt, verstärkt seit der zunehmenden Bedeutung der Hybridbildgebung. Zusätzlich ist in der Nuklearmedizin die physikalische Halbwertszeit limitierend, gerade bei Positronenstrahlern; dieses nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Strahlenexposition. In der Forschung bietet mit einem ganz anderen Zeitfenster die optische Bildgebung erweiternde Möglichkeiten.

„Molekulare Bildgebung und Therapie“ ist das aktuelle Schlagwort. Was ist damit gemeint? Ist es für die Nuklearmedizin vielleicht alter Wein in neuen Schläuchen? Thema ist eine In-vivo-Bildgebung der molekularen Biologie. Das gelingt in der Nuklearmedizin mit Beginn der biologischen Prozesse. Beispiele sind Biomarker in der Onkologie, bei neurodegenerativen Erkrankungen und bei Entzündungen (s. Kapitel Radiopharmaka).



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Article published online:
06 April 2022

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