Balint Journal 2022; 23(03): 97-98
DOI: 10.1055/a-1923-2888
Nachruf

Arthur Trenkel†

23. Februar 1928–20. April 2022

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Hans-Peter Edlhaimb

Mit einem Referat über den „Geist“ der Balint-Arbeit hatte sich im September 2000 Arthur Trenkel als langjähriger Leiter der Silser Balint-Studienwochen verabschiedet (nachzulesen im Balint-Journal 2001; 2: 31–34). Er spricht dort über die Balint-Arbeit als „ein Stück Leben“, – seines Lebens also, das jetzt im Frühjahr 2022 mit 94 Jahren geendet hat.

Tatsächlich arbeitete Arthur Trenkel während eines langen Lebens bis zuletzt und unermüdlich mit eigenem wachen Geist daran, den „Geist der Balint-Arbeit am Leben zu erhalten“, wie er es nannte.

Als psychoanalytisch interessierter Psychiater und Psychotherapeut wurde er 1968 erstmals zur Silser Studienwoche eingeladen, wo Michael Balint seit 1963 mit Unterbrüchen mitgewirkt hatte. Arthur Trenkel beschreibt, wie ihn die von Balint vorgestellte Gruppenarbeit und seine vorgelebte Haltung von Anfang an und seither unentwegt begeisterten. Nach dem Tod von Michael Balint im Dezember 1970 etablierten er und andere Mitarbeiter der Silser Studienwoche eine Tagung, die seither jährlich stattgefunden hat. Im September 2022 wird es die 61. Balint-Studienwoche sein, und für mich lebt dort Arthur Trenkels sehr eigenständige Einstellung zur Balint-Arbeit fort. Es ging bei ihm immer um das, was er in Anlehnung an Aussagen von Michael Balint das „Andere“ nannte. Dazu gehörte als sein vordringlichstes Anliegen, dass der Arzt und die Ärztin sich selber in das Geschehen in der Sprechstunde einbeziehen lassen, selber als Person vorkommen. Diese subjektive Haltung war zur damaligen Zeit, in den 60er und 70er Jahren, in der Medizin und teilweise sogar in der Psychiatrie fast revolutionär, wenn nicht gar subversiv. Das eigene Involviertsein hat Arthur Trenkel als Leiter in Sils gelebt und vorgelebt. Nach seiner Überzeugung sei der Leiter nicht ein über dem Gruppengeschehen stehender Experte, er solle sich selber den aufsteigenden Empfindungen und Wahrnehmungen so weit aussetzen, dass er die Teilnehmenden als Schrittmacher dazu ermutigen könne, ihrerseits das eigene Erleben ernstzunehmen und auszudrücken. Sogenanntes Expertentum war ihm überhaupt verdächtig, konsequent richtete er sich gegen jede Verschulung. In Debatten über die Leitungsarbeit verteidigte er im Kollegenteam diese ihm eigene Haltung standfest.

Ausgehend von den Erfahrungen in Sils hat Arthur Trenkel wesentlich dazu beigetragen, die Balint-Gruppen-Arbeit in der Schweiz und international weiter zu verbreiten. Er hat während vieler Jahre mitgewirkt am von Boris Luban-Plozza 1973 begründeten internationalen Balint-Treffen in Ascona, das sich besonders an Medizinstudenten und -studentinnen richtete. Er war zudem während vieler Jahre Präsident der internationalen Jury für den 1979 erstmals ausgeschriebenen „Balint-Preis“ für Medizin-Studenten, der als „Ascona Prize“ bis heute alle zwei Jahre vergeben wird. In Bern hat er während vieler Jahre Balintgruppen geleitet, in welchen Ärzte und Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen teilnahmen. Beharrlich hat er auch hier die Teilnehmenden ermutigt, das eigene Erleben wahrzunehmen. Ein langjähriger Teilnehmer erinnert sich, „wie Herr Trenkel mit dem Ruf ‚ja genau‘ vom Stuhl hochsprang, als ich einmal etwas einfach so aus dem Bauch heraus sagte“. Gleichzeitig konnte er ungehalten reagieren, wenn es bei einzelnen Teilnehmenden mit der angestrebten „Umstellung der Einstellung“ harzte. Ich selber liess mich als Mitglied einer dieser Balintgruppen von Herrn Trenkels Begeisterung für die Balint-Arbeit anstecken. Später, als seine Co-Leiterin in der Gruppe, lernte ich, dass es nicht darum ging, seinem sehr persönlichen Stil nach zu eifern. Obwohl er das explizit wünschte, fiel es mir nicht leicht, neben ihm als bewunderter „Balint-Autorität“ meinen eigenen Platz zu finden. Aber: auch mein Weg ins Leitungsteam der Silser Balint-Studienwochen war von den Erfahrungen mit Arthur Trenkel geprägt und wurde von ihm ermutigt.

Über die Schweiz hinaus hat Arthur Trenkel mitgewirkt an den französisch-sprachigen Balint-Tagungen in Divonne, die inzwischen in Annecy jährlich stattfinden. Und er hat – nach eigenen Worten – zusammen mit Hans Konrad Knoepfel mitgeholfen, das „Silser Modell“ 1975 nach Deutschland (Hahnenklee) zu „exportieren“.

Trotz seiner vielen Vorbehalte gegen Verschulung und Einengung hat sich Arthur Trenkel doch auch dafür engagiert, dass seine Anliegen eine institutionelle Heimat bekamen: In der Schweiz hat er 1999 aktiv mitgeholfen, die Schweizerische Balintgesellschaft zu gründen, zu deren Ehrenmitglied er 2010 ernannt wurde. Ebenfalls Ehrenmitglied war er in der IFP (International Federation for Psychotherapy), wo er sich in der Vorstandsarbeit engagiert hatte. Er ist für diese Tätigkeit weit gereist, unter anderem nach Korea und Brasilien, und hat die dort geknüpften internationalen Kontakte mit Begeisterung gepflegt. Lokal hat Arthur Trenkel, der seit den frühen 1960er Jahre in der Berner Altstadt eine eigene psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis führte, standespolitisch mitgewirkt in der Bernischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Und er war als Supervisor engagiert in der Ausbildung zahlreicher Berner Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie.

Arthur Trenkel hat schon im Gymnasium in Solothurn seine spätere Ehefrau Brigitte, geb. Kammer kennengelernt. 1952 haben sie geheiratet; 1953, 1954 und 1956 wurden die drei Kinder geboren, denen mehrere Enkel und Urenkel folgten. Brigitte Kammer-Trenkel, geboren am 3.12.1928, hat ihren Ehemann in seinen Tätigkeiten stets begleitet und unterstützt, hat administrative Aufgaben übernommen und seine Texte ins Englische übersetzt. Sie bleibt mir in Erinnerung als warmherzige, gescheite Frau, die sich zwar eher im Hintergrund hielt, aber doch sehr präsent war.

Für Arthur Trenkel waren die Balint-Arbeit und die Psychotherapie wohl ein wesentliches Stück Leben. Er dachte nach, diskutierte, forschte und schrieb. Neben zahlreichen Publikationen, vorwiegend über Balint-Arbeit, pflegte er seine vielen Kontakte als regelmässiger Verfasser von Briefen. Für sein Forschen und Schreiben fand er Inspiration über das eigene Berufsfeld hinaus in der Philosophie und in der Literatur. Viele Werke las und diskutierte er gemeinsam mit seiner Ehefrau. Nach Angaben des Sohnes, Christian Trenkel seien beide früh von der französischen Literatur beeinflusst worden, insbesondere von Albert Camus’ „L’homme révolté“, und bis in ihre letzten Lebensmonate habe Goethe für sie eine wichtige Rolle gespielt. Von späteren Autoren nannte Herr Trenkel im Gespräch unter anderen Peter von Matt, José Saramago, Lars Gustafsson. Auch diese Gespräche führten nach den Worten eines frühen Weggefährten früher oder später zu Balint. Von diesem Kollegen und Freund wird er beschrieben als herzlicher, spontaner, lebensprühender Mensch, mit dem man gerne zusammen war, mit dem man viel gelacht habe.

Am 22. März 2022 ist Brigitte Trenkel-Kammer und am 20. April 2022 ist Arthur Trenkel verstorben.

Uns bleiben reiche Erinnerungen an einen Wegbereiter, Lehrer, Kollegen und Freund und an ein Ehepaar, das gemeinsam viel Leben in die „Balint-Welt“ gebracht hat.

Für das Silser Leitungsteam und die Schweizerische Balint Gesellschaft



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Article published online:
28 September 2022

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