Balint Journal 2022; 23(03): 99-100
DOI: 10.1055/a-1923-2928
Nachruf

Arthur Trenkel†

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Ein Nachruf

Im April 2022 verstarb Arthur Trenkel, wenige Wochen nach dem Tode seiner Frau Brigitte.

Die Deutsche Balint Gesellschaft hat Arthur Trenkel viel zu verdanken. Zusammen mit Hans Knöpfel hat er uns seit den 80er Jahren unterstützt, die Balintarbeit in Deutschland zu integrieren und Balintgruppen-Leiter auszubilden. In Hahnenklee, in Hannover, in Würzburg war er ein verlässlicher Teilnehmer im Leiterteam, hat unvergessliche Großgruppen geleitet und war mit seiner ruhigen aber bestimmten Art ein Vorbild für uns damals junge Balintianer. Regelmäßig kam er auch nach Hamburg, wo er über viele Jahre eine eigene Balintgruppe hatte. Er war der DBG stets freundschaftlich verbunden.

Ganz wesentlich war seine Arbeit mit den Studenten in Ascona. Seit Beginn des Studentenpreises war er als Juror tätig zusammen mit seiner Frau Brigitte. Beide beherrschten die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, so dass Aufsätze in diesen Sprachen eingereicht und bewertet werden konnten.

Viele seiner eigenen schriftlichen Beiträge waren wegweisend für die Balintarbeit.

Im Buch „Grundlagen der Balintarbeit“ (Boris Luban-Plozza, Heide Otten, U. und E. R. Petzold, Adolf Bonz Verlag1998) trägt er den Artikel „Das ärztliche Gespräch bei Balint – Versuch einer Wesensbestimmung des therapeutischen Dialogs“ bei. Er beschließt seine Darlegung mit den Worten:

„Wenn Sigmund Freud heute mit Vorliebe das Verdienst zugeschrieben wird, der „Entdecker des heilenden Gesprächs“ gewesen zu sein, so gebührt M. Balint die nicht minderwichtige Anerkennung, die wesentlichen Kräfte des heilenden Gesprächs auch dort sichtbar gemacht zu haben, wo sie jedem Arzt zugänglich und verfügbar sind, nämlich im eigenen Sprechzimmer“.

Und so finden wir im allerersten Balint Journal 1. Jahrgang, März 2000 gleich zu Beginn seinen Beitrag „Zur Beziehung von Praxis und Theorie in der Balint-Arbeit“. Sein Fazit dort:

„Der Erfahrungsraum, in den wir uns in jeder Balint-Gruppensitzung mit Bedacht hinein begeben und dessen Spannung wir zu ertragen suchen, ist auch der Ort der Beziehung und des Ausgleichs zwischen Theorie und Praxis – besser zwischen Praxis und Theorie“.

Es folgen im 2. Jahrgang, Juni 2001 „Vom „Geist“ der Balint-Arbeit im Wechsel und Wandel der Szenarien“, seine Abschiedsrede in Sils, wo er sich aus der leitenden Funktion dort verabschiedet.

3. Jahrgang, Dezember 2002 „Balint-Arbeit – Theorie und Praxis“

„Beim Hinschauen auf die Gruppe als ‚Bühne’ ….. Die ‚Bühne‘ öffnet Blicke auf eine Praxiswirklichkeit, die ‚oben‘ auf der Ebene der Modelle, Konzepte, Methoden und Schulen nicht oder nur verzerrt zu fassen ist, was sie nicht hindert, ‚unten‘ im Alltäglichen von bedenkenswerter Bedeutung zu sein“.

4. Jahrgang, März 2003 „Zur Verleihung des Internationalen Balint-Preises für Medizinstudenten am 15. Juni 2002 in Ascona. Einführung des Jury-Präsidenten: Dr. Arthur Trenkel, Massagno“

„Als Gesamt-Perspektive geben die Preisarbeiten jeweils eine Art Zeitgemälde aus studentischer Sicht wieder. Einen starken Akzent scheint mir diesmal der kritische Blick auf die immer allgemeinere Instrumentalisierung der Menschen durch Reduktion auf bloße Rollen und Funktionen zu setzen. In den Kliniken sind speziell die Patienten und Ärzte von dieser ‚Anonymisierungskollision’ betroffen. Die Studenten als „praktizierende“ Praktikanten bleiben gleichsam „zwischen den Stühlen“, was ihnen willkommene Möglichkeiten zu unabhängigen Wahrnehmungen – auf der „anderen Ebene“ – einräumt“.

6. Jahrgang, Juni 2005 „Zur Geschichte der Silser Studienwoche“

„Die Silser Studienwoche wurde 1962 von Oswald Meier, Allgemeinpraktiker am Ort, gegründet. ….. 1963 war Michael Balint erstmals dabei. …. Balint war kein Freund eines Ausbildungsbetriebes mit Referaten, sondern wollte den Teilnehmern praktisch zeigen, wie er in London mit seiner Pioniergruppe arbeitete. …. 1968/69 kam Balint wieder, und es bildete sich die Struktur mit 2 Großgruppen am Vormittag, anschließender Besprechung mit Balint, einer Kleingruppe am Nachmittag und einer Abenddiskussion heraus. Versuche, Balint als Coleiter einzusetzen, was er vorschlug, gelangen wie zu erwarten nicht, er bekam die Leitung automatisch“.

Seine Gedanken haben nichts an Aktualität verloren haben.

In seiner Abschiedsrede in Sils im September 2000 sagt er:

„Wer mich kennt, weiß, dass ich im Laufe der Jahre schon wiederholt dazu angesetzt habe, das Zentral-Lebendige der Balint-Erfahrung, mit der wir praktisch vertraut sind, auch in schriftlicher Sprache zur Darstellung zu bringen, immer zunehmend motiviert, das Spezifische der Sache gründlich zu fassen“.

In einem späteren Gespräch aus Anlass eines Besuches in Bern bemerkte Arthur Trenkel zum Stichwirt „Gruppe“:

„Man kann diesen immer neu erlebten Prozess der Verlebendigung und eines nüchternen Prozesses schwer beschreiben. Er vollzieht sich im spielerischen Zwischen, an dem letztlich alle beteiligt sind, der oder die Gruppenleiter als Hüter des Dialogs, wie ich diese Funktion gern bezeichne“.

Zur Phänomenologie der Gruppe sagte er auf die Frage hin, ob unser Wahrnehmungsorgan dafür geschult sei zu sehen, was das Andere ist – auch für den Gruppenprozess, nicht nur für die Beziehung, sondern auch für die Gruppe insgesamt – unter Zitation von Feierabend: „Fachleute sind voller Vorurteile, auch wenn sie Psychoanalytiker sind, auch wenn sie Theoretiker sind, jede Schule“. Nach der Entgegnung: „Das ist wegen der Brille…“ meinte er: „ja genau und nicht wegen des Auges“.

Aus einem Dialog mit JP Bachmann bemerkt er als Ergebnis: „Es heißt nicht das Recht auf Dummheit, sondern der Mut zur Dummheit. Es macht nichts, wenn man dumm ist, nein es braucht Mut, mich zu exponieren mit dem Risiko, dass man mir sagt: ich bin dumm. Das ist etwas ganz Anderes. Das eine ist von oben, das andere ist von unten“.

Diese Haltung – Theorie und Praxis – und – Oben und Unten – war Arthur Trenkels durchgehendes Thema und sein unvergesslicher Beitrag zur Balint Arbeit, wie wir ihn nicht nur in Deutschland erleben durften. Und seine Frau Brigitte hat ihn – auf gleicher Höhe – dabei immer begleitet. „Seit Jahren ist schließlich auch meine Frau, Brigitte Trenkel dabei; obwohl Nicht-Ärztin ist sie von allem Anfang an mit der Balintgruppen-Arbeit und dann auch mit der Beurteilung studentischer Preisarbeiten vertraut“.

Es ist ihm gelungen, als Wegbegleiter und -bereiter und als ein lebendiges Vorbild für die Entwicklung der Balintarbeit nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland zu wirken, und so uns in dankbarer Erinnerung zu bleiben.

Für die Deutsche Balint Gesellschaft



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Article published online:
28 September 2022

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