Psychiatr Prax 2022; 49(08): 398-400
DOI: 10.1055/a-1950-7686
Editorial

Sexuelle Übergriffe in psychiatrischen Kliniken

Sexual Assaults in Psychiatric Hospitals
Silvia Krumm
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, BKH Günzburg
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Die Debatten um Gewalt im psychiatrischen Kontext reichen weit zurück. Wesentlich ausgelöst durch die Deinstitutionalisierungsprozesse in den USA geht es dabei vorrangig um die Frage des Gewaltrisikos, das von psychisch erkrankten Personen ausgeht. Unter dem Eindruck der UN-Behindertenrechtskonvention rückt zunehmend die institutionalisierte Gewalt gegenüber den Nutzer*innen psychiatrischer Angebote in Form von Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen in den Blick. Zudem wird in jüngerer Zeit auch jene Gewalt gegen psychisch erkrankte Personen stärker wahrgenommen, die sich außerhalb der Institutionen, im aktuellen privaten Lebensumfeld ereignet. Trotz dieser zunehmend differenzierten Betrachtung weist der Diskurs um Gewalt im psychiatrischen Kontext zwei weitere blinde Flecken auf.

Erstens hat Gewalt häufig eine Geschlechterdimension, die in den oben genannten Diskussionen zu wenig reflektiert wird. Zweitens ist Gewalt im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung nicht auf Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen beschränkt. Der gendersensible Blick auf Gewalt bringt es mit sich, das Problem sexueller Übergriffe insbesondere gegen Mitpatientinnen bzw. Nutzerinnen und weibliche Fachkräfte stärker wahrzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
10. November 2022

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