Arthritis und Rheuma 2022; 42(06): 428-430
DOI: 10.1055/a-1970-0619
Verbandsnachrichten

Nachrichten des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken e. V.

Heinz-Jürgen Lakomek
1   Geschäftsführer VRA
,
Andreas Krause
2   Präsident DGRh
› Author Affiliations

Anhörung der Verbände 2. ÄndVO PpUGV – Pflegepersonaluntergrenzen für die Rheumatologie – Gemeinsame Stellungnahme des VRA und der DGRh im Oktober 2022

Das Bundesministerium für Gesundheit sieht eine Ersatzvornahme bezüglich der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung im Krankenhaus vor, da sich die Vertragspartner nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten.

Als pflegesensitiver Bereich soll ab Januar 2023 auch die akutstationäre Rheumatologie in die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung aufgenommen werden. Hierzu wird im entsprechenden Entwurf aus dem BMG eine Regelung vorgeschlagen, wo unter § 6 die Festlegung der Pflegepersonaluntergrenzen aufgeführt ist:

  1. in der Tagschicht: 13 Patienten pro Pflegekraft

  2. in der Nachtschicht: 30 Patienten pro Pflegekraft

Nach dem Beschluss der Bundesregierung sollen zur Erhöhung der Transparenz Verbändestellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren auch im Internet veröffentlicht werden.

Die nachstehende Stellungnahme wurde von der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und dem Verband rheumatologischer Akutkliniken (VRA) fristgerecht am 26.10.2022 gegenüber dem BMG abgegeben: Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und der Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V. (VRA) unterstützen ausdrücklich Bemühungen, die eine ausreichende und zweckmäßige Ausstattung von Rheumakliniken mit Pflegepersonal zum Ziel haben.

Das Instrument der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) ist jedoch nicht geeignet, das politische Ziel einer ausreichenden und zweckmäßigen Ausstattung sowie einer Reduzierung einer Patientengefährdung aufgrund von Pflegepersonalmangel in der Rheumatologie zu erreichen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wurde bereits zweimal vom VRA auf Fehlsteuerungen, die sich durch die PPUG im Bereich der Rheumatologie ergeben, hingewiesen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit dem Instrument der PPUG nicht Aspekte des Patientenschutzes, sondern primär Leistungsreduktionen verfolgt werden. Patienten werden daher de facto notwendige Behandlungen vorenthalten. Das Versprechen der Politik, keine Leistungskürzungen vornehmen zu wollen, wird durch die Umsetzung der sanktionsbewehrten PPUG in Bereichen, wo objektiv kein Zusammenhang mit einer Patientengefährdung besteht, gebrochen.

Der nun vorliegende Entwurf der 2. ÄndVO PpUGV schafft keine Abhilfe, sondern perpetuiert das bisherige Vorgehen. Es sei allerdings angemerkt, dass ein Teil der Probleme durch die nicht sachgerechte Zuordnung von rheumatologischen Stationen zu fachfremden pflegesensitiven Bereichen resultiert. Da dem Entwurf der 2. ÄndVO PpUGV die Anlage nicht beigefügt war, kann nicht geprüft werden, ob die dort enthaltenden Fehler – insbesondere in den Listen der Indikatoren-DRGs – beseitigt wurden.

Der § 137i SGB V (Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern) wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit eingeführt (Bt-Drucksache 18/12604). „Als pflegesensitive Krankenhausbereiche sind aus Erwägungen des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung in der Versorgung solche zu verstehen, für die ein Zusammenhang zwischen der Zahl an Pflegerinnen und Pflegern und dem Vorkommen pflegesensitiver Ergebnisindikatoren, sogenannter unerwünschter Ereignisse, evident ist. Dies bedeutet, dass pflegesensitive Krankenhausbereiche für unerwünschte Ereignisse anfällig sind, soweit dort eine Pflegepersonalunterbesetzung vorliegt.“

Bereits gemäß dieser Definition imponiert die Rheumatologie nicht als pflegesensitiver Krankenhausbereich. Rheumatologische DRGs (I97Z, I96A/B, I66E/G, I79Z) weisen – zusammen mit den DRGs der multimodalen Schmerztherapie – sowohl nach dem Katalog der Pflegebewertungsrelationen als auch nach dem Pflegelastkatalog die mit Abstand niedrigsten Pflegepersonalkosten aller DRGs auf ([ Abb. 1 ]). Die Pflegepersonalkosten liegen bei nur 40–60 % des Durchschnitts aller DRGs. Warum gerade ein Fachgebiet mit sehr geringem Pflegepersonaleinsatz sich als pflegesensitiver Krankenhausbereich qualifizieren soll, erschließt sich der DGRh und dem VRA nicht. Auch zeigen die Werte der geplanten Einführung der PPUG in der Rheumatologie (§ 6 Abs. 1 Nr. 17 PpUGV), dass die Rheumatologie eine Fachdisziplin ist, bei der meist ärztliche und therapeutische Leistungen und nicht pflegerische Leistungen im Vordergrund stehen.

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Abb. 1 Pflege-BWR pro Tag mit DRG 2022 (aDRGs der Anlage 1a FPV); nach: https://g-drg.de; BZG: Bezugsgröße, d: Tag.

In der Vergangenheit wurden aufgrund undifferenzierter und nicht sachgerechter Identifikationsmethoden (§ 301-Fachabteilungsschlüssel und Indikatoren-DRGs) bereits rheumatologische Stationen fachfremden pflegesensitiven Krankenhausbereichen zugeordnet und unterlagen damit bereits den fehlsteuernden Anreizen der PPUG. Eine Einführung von PPUG für die restliche Rheumatologie lässt sich aber nicht mit der bereits eingeführten Fehlallokation von Ressourcen in der Vergangenheit begründen.

Das Fachgebiet der internistischen Rheumatologie weist unterschiedliche Spezialisierungen auf. Auf der einen Seite existieren Einrichtungen – meist an Krankenhäusern der Maximalversorgung –, die sich auf die Diagnostik und Therapie aggressiver, komplexer und seltener Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis spezialisiert haben. Diese Einrichtungen, die meist auch die Zentrumskriterien des G-BA erfüllen, haben vermutlich im Mittel einen höheren Pflegeaufwand bei der Betreuung ihrer Patient*innen. Auf der anderen Seite haben sich einige Krankenhäuser – in sehr unterschiedlichem Maße – einen Schwerpunkt in der Erbringung der rheumatologischen Komplexbehandlung aufgebaut. Die rheumatologische Komplexbehandlung adressiert eine Optimierung der Therapie bei bekannter chronischer Grunderkrankung unterstützt durch Maßnahmen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit. Die rheumatologische Komplexbehandlung hat damit einen therapeutischen Schwerpunkt. Der Pflegebedarf und damit auch -aufwand ist in der Regel sehr niedrig. Diese Fälle werden im G-DRG-System in der DRG I97Z (Rheumatologische Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) abgebildet. Diese DRG weist mit 0,4403 im aG-DRG-Fallpauschalenkatalog die drittniedrigste Pflegebewertungsrelation der mehr als 1200 vollstationären DRGs und nur 44 % der durchschnittlichen Tageskosten für Pflegepersonal in Deutschland auf. In Bezug auf den Pflegeaufwand wies die G-DRG I97Z die viertniedrigste Pflegelast im Katalog 2021 auf. Die DRGs I69A oder I66G, die in der Rheumatologie sehr häufig sind, weisen im Vergleich zur DRG I97Z um ein Drittel höhere Pflegepersonalkosten pro Tag auf. Es ist offensichtlich, dass die unterschiedlichen Spezialisierungen nicht einer einheitlichen PPUG unterworfen werden dürfen.

Der Effekt der Einführung undifferenzierter PPUG für ein gesamtes Fachgebiet ist fatal. Werden nicht sachgerecht Mittelwerte für Pflegepersonaluntergrenzen über medizinzisch sehr heterogene Fallkollektive ermittelt, so führen diese einerseits zu Fehlallokationen der sehr begrenzten Ressource „Pflegepersonal“ in den Einrichtungen, die einen niedrigeren realen Pflegebedarf aufweisen und umgekehrt ebenfalls zu nicht sachgerechten Pflegepersonaluntergrenzen in Einrichtungen, die einen wesentlich höheren realen Pflegebedarf aufweisen.

Aufgrund der derzeitigen schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt, ist es für Einrichtungen, die aufgrund der undifferenzierten PPUG – medizinisch völlig unnötig! – mehr Pflegepersonal einsetzen müssen, häufig nicht möglich die PPUG zu erfüllen. Um Sanktionszahlungen, die eine wirtschaftliche Leistungserbringung nicht mehr ermöglichen, zu vermeiden, müssen Leistungen reduziert werden. Patienten erhalten damit nicht mehr die notwendigen Behandlungen bzw. müssen auf diese unangemessen lange warten. In der Umsetzung der PPUG resultieren damit Leistungskürzungen.

Eine analoge Situation besteht in der Zuordnung der Kinder- und Jugendrheumatologie bzw. deren DRGs zum pflegesensitiven Bereich der „spezielle Pädiatrie“, obwohl der Pflegepersonaleinsatz in der Kinder- und Jugendrheumatologie deutlich unterhalb der anderen pädiatrischen Spezialisierungen liegt.

Nach § 137i Abs. 1 Satz 3 SGB V sind für jeden pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus die Pflegepersonaluntergrenzen differenziert nach Schweregradgruppen nach dem jeweiligen Pflegeaufwand, der sich nach dem vom InEK entwickelten Katalog zur Risikoadjustierung für Pflegeaufwand bestimmt, festzulegen. Eine solche Methodik könnte die geschilderten Probleme entschärfen. Die gesetzliche Vorgabe wurde jedoch bislang in den Verordnungen des BMG nicht umgesetzt. Eine Begründung, warum der gesetzgeberische Wille ignoriert wird, fehlt.

Die DGRh und der VRA fordern:

  1. Aussetzung der Einführung der PPUG für den „pflegesensitiven Bereich“ der Rheumatologie für 2023

  2. Analyse des realen Pflegebedarfs bzw. vorübergehend hilfsweise der historischen Pflegepersonalkosten („Pflegelast“) der unterschiedlichen Spezialisierungen in der Rheumatologie und der Kinder- und Jugendrheumatologie. Wenn das BMG zwingend PPUG für die stationäre rheumatologische Versorgung einführen will, müssen sich diese differenziert am Pflegebedarf orientieren und dürfen nicht plump über mehrere unterschiedliche Spezialisierungen mit sehr unterschiedlichem Pflegebedarf eingeführt werden. Die Kinder- und Jugendrheumatologie darf nicht mehr dem pflegesensitiven Bereich „Spezielle Pädiatrie“ zugeordnet werden.

  3. Die Fehlzuordnung der rheumatologischen und schmerztherapeutischen Versorgung zu den sensitiven Bereichen der „Inneren Medizin“ und „Orthopädie“ über undifferenzierte Fachabteilungsschlüssel nach § 301 SGB V und die Aufnahme von klassisch rheumatologischen und schmerztherapeutischen DRGs in die jeweiligen Indikatoren-Listen muss unterbunden werden.

Abschließend ist festzustellen, dass Krankenhäuser und insbesondere Pflegepersonal in den vergangen Jahren mit einer Vielzahl von Bürokratie-verursachenden Regelungen belastet wurden. Gerade im Hinblick auf die knappe Ressource „Pflegepersonal“ und den Fortbestand der COVID-19-Pandemie sind Fehlallokationen von Pflegepersonal dringlichst zu vermeiden. Die Umsetzung der PPUG bindet erhebliche Kapazitäten beim Pflegepersonal. Wenn ein tatsächlicher Patientennutzen resultieren würde, wären die Aufwände zu legitimieren. Wenn jedoch kein Patientennutzen ersichtlich ist und vielmehr Leistungskürzungen im Vordergrund stehen, ist das Instrument der PPUG äußerst ineffizient. Zusätzliche Anreize zum Aufbau von Pflegepersonal bei einem Pflegebudget mit Selbstkostendeckung entstehen durch die PPUG nicht.

Leistungskürzungen sollten für die Öffentlichkeit transparent und nicht verschleiert vorgenommen werden. Die Regelungen zu den PPUG sollten hingegen in die vom BMG nach § 220 Abs. 4 SGB V vorzulegenden Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen aufgenommen werden.

Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek, Geschäftsführer VRA

Prof. Dr. med. Andreas Krause, Präsident DGRh

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Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek

Geschäftsführer, Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V. E-Mail: lakomek@vraev.de



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Article published online:
09 December 2022

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