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DOI: 10.1055/a-2366-4088
Interview: Prof. Andreas Bechdolf über die psychiatrische Behandlung zu Hause (StäB)
Prof. Bechdolf ist Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in den Vivantes Klinika am Urban sowie im Friedrichshain und Professor für Psychiatrie an der Charité. An den Vivantes Klinika etablierte sein Team das Konzept der StäB (stationsäquivalente Behandlung), und er untersuchte mit Kollegen in der AKtiV-Studie erstmals diese Versorgungsform an 400 Patienten über einen Zeitraum von 12 Monaten an 10 Kliniken in Deutschland.
Sie sind seit langer Zeit im Krankenhaus tätig und erfahren, dass 24 Stunden am Tag Therapie und Diagnostik zur Verfügung stehen. Was hat Sie dazu bewegt, die Patienten zu Hause aufzusuchen?
Bechdolf: Zunächst, dass die Betroffenen selber das fordern, weil es weniger stigmatisierend ist, nicht ins Krankenhaus zu müssen. Dann, dass die Symptome selbst es den Betroffenen häufig erschweren, das Krankenhaus aufzusuchen, z. B. bei Verfolgungsgefühlen oder Antriebsstörungen. Ferner sind die Menschen auch nach dem Krankenhausaufenthalt wieder zu Hause, und mit STäB können wir schon in der Krise therapeutisch sinnvolle Dinge zu Hause einüben, z. B. der Besuch eines Nachbarschaftstreffs oder einkaufen. Auch die Bezugspersonen und Angehörigen sind leichter einzubeziehen.
Welche Patientengruppen werden in der StäB behandelt?
Bechdolf: Grundsätzlich alle Patienten, außer sie sind akut fremd- oder selbstgefährdend. Ein akuter Entzug, bei dem man mit Krampfanfällen oder sonstigen Komplikationen rechnen muss, eignet sich natürlich auch nicht.
Die StäB erfolgt durch Teams. Aus welchen Berufsgruppen besteht so ein Team?
Bechdolf: Aus allen, die man aus dem Krankenhaus auch kennt. Die Vorgabe bei der StäB ist mindestens Ärzte, Psychologen und Pflegende. Dann gehören meist noch Sozialarbeiter, Genesungsbegleitende und Physiotherapeuten dazu; in der Regel 8–10 Personen für 7 Patienten.
Wie viele Patienten kann ein Behandlungsteam am Tag behandeln?
Bechdolf: Die Behandlungen dauern etwa eine bis eineinhalb Stunden pro Tag pro Patient, und es werden ungefähr 7–8 Behandlungen am Tag durchgeführt. Die Teammitglieder verteilen sich dabei über den Bezirk.
Wie wird das Konzept auf der Behandlerseite aufgenommen?
Bechdolf: Die Mitarbeitenden sind sehr zufrieden. Das haben wir in der AKtiV-Studie erhoben.
Seit wann gibt es die StäB in Deutschland?
Bechdolf: Das Gesetz gibt es seit 2017. In anderen Ländern, z. B. Großbritannien, Irland, Dänemark, den Niederlanden, Italien, Australien und den USA, ist das seit über 50 Jahren etabliert und wirksam.
Was konnten Sie in der AKtiV-Studie über die Wirksamkeit herausfinden?
Bechdolf: StäB reduziert im Vergleich zur vollstationären Behandlung die stationäre Wiederaufnahmerate signifikant um 18 % in 12 Monaten. Wir haben klinische Symptome, das Funktionsniveau und die Lebensqualität gemessen, und da ist die StäB genauso gut wie die vollstationäre Behandlung. Die Menschen in der StäB und ihre Angehörigen sind zufriedener und fühlen sich mehr in die Behandlung einbezogen. Gesundheitsökonomisch zeigte sich, dass die Gesamtkosten in der StäB in etwa gleich sind.
Ein Krankenhausaufenthalt kann ja auch positive Aspekte haben, wie einen geregelten Tagesablauf, soziale Kontakte, Gruppentherapien und 3 feste Mahlzeiten am Tag – fehlt das nicht in der StäB?
Bechdolf: Natürlich kann das in einer schweren Krise erst mal entlastend sein, aber in vielen Fällen ist es eher hinderlich dabei, eine Krise selbstverantwortlich zu bewältigen. Viele der Dinge, die im Krankenhaus geboten werden, sind ja nicht unbedingt die, die wir therapeutisch erreichen wollen. Die StäB erleichert die Flexibilisierung und Individualisierung der therapeutischen Angebote und normalisiert den Umgang mit psychischen Krisen. Ich hoffe, dass das auch insgesamt dazu beiträgt, dass psychiatrische Behandlung weniger stigmatisiert wird.
Das Interview führte Dr. Anja Bauer, Berlin
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Ort: Hörsaal der Nervenklinik der Charité Campus Mitte
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
27. August 2024
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