ZUSAMMENFASSUNG
Harnstoffzyklusstörungen gehören zu einer Gruppe seltener angeborener Stoffwechselerkrankungen
des Intermediärmetabolismus. Abgesehen vom Ornithin Transcarbamylase-Mangel, der X-chromosomal
vererbt wird, werden die weiteren Harnstoffzyklusstörungen autosomal rezessiv vererbt
und zeichnen sich durch eine kumulative Inzidenz von etwa 1:35 000 Individuen im deutschsprachigen
Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) aus. Harnstoffzyklusstörungen sind (bisher)
kein Bestandteil des regulären Neugeborenenscreenings in Deutschland und werden daher
in der Mehrzahl der Fälle im Neugeborenenalter durch selektive Diagnostik im Rahmen
einer hyperammonämischen Entgleisung identifiziert, selten jedoch auch durch einen
vorbekannten Indexpatienten und in dem Rahmen durch eine prä- oder postnatale zügige
Abklärung. Typischerweise zeigen die Neugeborenen nach einem unauffälligen Schwangerschaftsverlauf
und einem postnatalen symptomfreien Intervall von Stunden bis wenigen Tagen ein verheerendes
Krankheitsbild mit Trinkschwäche, Lethargie, zerebralen Krampfanfällen sowie Symptomen,
die einer Sepsis ähneln. Neben dieser schweren Präsentation können sich Individuen
mit Harnstoffzyklusstörungen jedoch auch mit einem attenuierten Phänotyp und variablen
klinischen Symptomen zu jedem Zeitpunkt jenseits der Neugeborenenperiode präsentieren.
Aufgrund des heterogenen phänotypischen Bildes ist die Kenntnis für Pädiater, Stoffwechselmediziner,
Kinder-/Neurologen, Gastroenterologen, Psychiater sowie Gynäkologen von Bedeutung,
sodass der nachfolgende Artikel eine fokussierte Zusammenfassung der relevanten klinischen
Informationen, Differenzialdiagnosen, Abklärungsmodalitäten sowie kursorisch die Therapieprinzipien
und neue wissenschaftliche Erkenntnisse darstellt.
ABSTRACT
Urea cycle disorders belong to a group of rare inborn errors of intermediate metabolism.
Apart from ornithine transcarbamylase deficiency, which has an X-linked inheritance,
urea cycle disorders are inherited in an autosomal recessive manner and are not (yet)
part of the regular newborn screening panel in Germany. Thus, urea cycle disorders
are identified in most cases in the newborn period through selective metabolic investigation
in the context of a hyperammonemic event, but rarely also through an index case followed
by urgent pre- or postnatal investigation. Typically, after an uneventful pregnancy
and a postnatal symptom-free interval of hours to a few days, newborns show a devastating
clinical picture with poor feeding, lethargy, cerebral seizures, and a sepsis-like
appearance. However, individuals with urea cycle disorders may also present with an
attenuated phenotype and variable clinical presentation any time after the neonatal
period. Due to the heterogeneous phenotypic picture, knowledge on the variable presentation
might be important for pediatricians, biochemical geneticists, (pediatric) neurologists,
gastroenterologists, psychiatrists, and gynecologists. Therefore, the following article
provides a focused summary of the relevant clinical information, differential diagnoses,
diagnostic modalities, and the principles of therapy as well as novel scientific findings.
Schlüsselwörter
Harnstoffzyklus - angeborene Stoffwechselerkrankungen - Hyperammonämie - Intoxikationserkrankung
- Neurodegeneration
Keywords
Urea cycle - inborn errors of metabolism - hyperammonemia - intoxication-type disease
- neurodegeneration