Zusammenfassung
Trotz steigender Erkrankungszahlen in den letzten Jahren liegen bisher keine Daten
zum Krankheits- und Versorgungsgeschehen für degenerative Schultererkrankungen und
Schulterverletzungen sowie zum ICD10-Codierverhalten der versorgenden Ärztinnen und
Ärzte vor. Die vorliegende Arbeit stellt erstmals eine deskriptive, auf Abrechnungsdaten
aus dem Jahr 2022 basierende Auswertung von codierten Schultererkrankungen von 4,9
Mio. Versicherten einer gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg vor.
In der Untersuchung wird unterschieden zwischen unfallbedingten Verletzungen an der
Schulter und Krankheiten, hervorgerufen durch degenerative Veränderungen des Schulterapparats.
Bei der ICD10-Codierung wird zwischen der Angabe spezifischer (Verwendung von Schlüsselnummern
der zugrunde liegenden Erkrankung), und unspezifischer Codes, die lediglich das Symptom
verschlüsseln, differenziert. Laut Abrechnungsdaten waren Frauen etwas häufiger von
Schultererkrankungen betroffen als
Männer (7,3% vs. 6,9%), wobei Frauen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im Mittel
deutlich älter waren. Bei Frakturen lag der Geschlechterunterschied durchschnittlich
bei 20 Jahren. Die Auswertung zum Codierverhalten machte deutlich, dass Hausärztinnen
und Hausärzte im Vergleich zu anderen Facharztgruppen häufiger unspezifische Schultererkrankungen
wie Gelenkschmerz oder Impingement-Syndrom codierten. Die Analyse der Leistungsinanspruchnahme
zeigte, dass nur ein Drittel der evaluierten Patientinnen und Patienten eine Bildgebung
und nur 40% eine Verordnung für Physiotherapie aufgrund einer Schulterdiagnose erhielten.
Die Untersuchung der Komorbiditäten ergab, dass Patientinnen und Patienten mit degenerativen
Schultererkrankungen häufiger von stoffwechselbedingten Krankheiten und Hypertonie
betroffen waren als solche ohne Schultererkrankungen. Diese Ergebnisse zur Häufigkeit
codierter Schultererkrankungen in den verschiedenen Gesundheitssektoren zeigt die
Relevanz in der
Bundesrepublik Deutschland für Männer und Frauen gleichermaßen. Zusammenfassend lassen
die Auswertungen – trotz methodischer Einschränkungen – vermuten, dass bei der Diagnosestellung
und der Verordnung von therapeutischen Maßnahmen Potenzial für eine spezifischere
Codierung gegeben sein könnte. Das präzisere Wissen um die tatsächliche Ursache der
Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen kann einerseits für den Behandler hilfreich
sein, um spezifische Diagnostik- und Therapiemaßnahmen einzuleiten und andererseits
einen u. U. erhöhten Versorgungsbedarf innerhalb des Gesundheitssystems in der Bundesrepublik
Deutschland zu identifizieren.
Schlüsselwörter degenerative Schultererkrankungen - Schulterverletzungen - Epidemiologie - ICD10 -
Versorgung