kleintier konkret 2008; 11(05): 34
DOI: 10.1055/s-0028-1088357
Literatur
Übersicht
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Fragmentierter Processus coronoideus medialis: Gibt es Alternativen zur Arthroskopie?

Michaele Alef
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 November 2008 (online)

Der fragmentierte Processus coronoideus medialis (FCP) ist eine der häufigsten Lahmheitsursachen bei jungen Hunden. Obwohl heute meist eine chirurgische Therapie des FCP gefordert und eine konservative Therapie als unbefriedigend eingestuft wird, gibt es auch Berichte über eine erfolgreiche konservative Behandlung. Diese soll sogar schneller zu einer Besserung führen als eine chirurgische Therapie. Außerdem ist bekannt, dass man auch mit chirurgischem Vorgehen die als Folge des FCP entstehende Arthrose nicht effektiv verhindern kann.

Eine zusätzliche Unsicherheit hinsichtlich der besten Behandlung eines FCP entsteht dadurch, dass es verschiedene Möglichkeiten der chirurgischen Therapie gibt:

  • mediale Arthrotomie oder Athroskopie mit Entfernung des Fragmentes

  • Koronoidektomie

  • Ulnaosteotomie mit oder ohne mediale Arthrotomie

In der Praxis stellt sich nun die Frage: Was ist die beste Behandlung für meinen individuellen Patienten?

Literaturübersicht

Gerade bei chirurgischen Fragestellungen fehlen häufig Studien mit der notwendigen Qualität und Patientenzahl. Publikationen beziehen sich oft auf Fallstudien ohne Kontrollgruppe. Ein direkter Vergleich von verschiedenen Behandlungsstrategien ist deshalb nicht möglich. Auch die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den individuellen klinischen Patienten ist oft nicht gegeben.

Um eine wissenschaftlich fundierte Empfehlung für Patienten mit FCP geben zu können, führten Evans und Mitarbeiter eine systematische Literaturrecherche durch und fassten die Ergebnisse der einzelnen Studien zusammen.

Zwar ergab die Literaturrecherche mehr als 400 Artikel, nach Überprüfung von deren Qualität und den vorher definierten Einschlusskriterien blieben jedoch nur vier verwertbare Studien übrig. Von diesen wurden drei als von mäßiger Qualität und nur eine als von guter Qualität eingeschätzt.

Drei der Studien wiesen niedrige verwertbare Patientenzahlen auf (7–22 Patienten/Gruppe), nur eine bezog sich auf insgesamt mehr als 400 Fälle.

Die Synthese der Einzelergebnisse zeigt, dass die arthroskopische Therapie hinsichtlich des Parameters Verbesserung der Lahmheit der konservativen Therapie sicher (Wahrscheinlichkeit 100 %) überlegen ist. So zeigen 17 % (95 %-Konfidenzintervall: 10–25 %) mehr Patienten nach Arthroskopie eine Verbesserung.

Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit (91 %) ist die Arthroskopie auch der medialen Arthrotomie überlegen. Nutzt man die Arthroskopie, ergibt sich ein Anstieg der Verbesserung um 14 % im Vergleich zur Arthrotomie. Das 95 %-Konfidenzintervall reicht jedoch von –7 % bis 35 %. Es bleibt also ein (kleines) Restrisiko, dass die Arthrotomie der Arthroskopie überlegen ist.

Vergleicht man die arthroskopische Therapie mit konservativer Therapie, ergibt sich keine deutliche Überlegenheit. So besteht nur eine Wahrscheinlichkeit von 62 %, dass die Arthrotomie besser ist. Nur 3 % mehr Patienten zeigen nach Arthrotomie eine klinische Besserung. Das breite und weit ins Negative reichende 95 %-Konfidenzintervall (–16 %, 23 %) zeigt, dass zwar möglicherweise auch mehr Patienten von einer Arthrotomie profitieren (bis hin zu 23 %), dass aber auch das Gegenteil möglich ist (16 % mehr Besserung nach konservativer Therapie).

Die Untersuchung von Evans und Mitarbeitern macht deutlich, dass noch großer Forschungsbedarf auch bei einer solch alltäglichen Fragestellung besteht. Qualitativ hochwertige Studien mit ausreichend großen Fallzahlen fehlen ebenso wie eine Standardisierung der beobachteten Parameter.

Auch Aragon und Budsberg kamen hinsichtlich des Kreuzbandrisses zu ähnlichen Ergebnissen: Für keine Methode lagen ausreichend Daten vor, die eine dauerhafte Wiederherstellung der Gliedmaßenfunktion beweisen.

Bei der Frage nach der besten Behandlung des FCP entziehen sich Evans und Mitarbeiter allerdings möglicher Evidenz, da sie nicht-englischsprachige Artikel ausschließen. Dass die einzige Studie mit hohen Fallzahlen aus Deutschland stammt, zeigt sehr deutlich die Gefahr dieses Vorgehens.

In Bezug auf die konservative Therapie müssen die Ergebnisse kritisch interpretiert werden, da unter dieser Rubrik sehr unterschiedliche Vorgehensweisen zusammengefasst wurden: Ruhigstellung und/oder analgetische Therapie. Dies könnte die Ursache für die wenig konsistenten Ergebnisse sein.


#
 
  • Literatur

  • 1 Antes G, Sauerland S, Seiler CM. Evidence-based medicine-from best research evidence to a better surgical practice and health care. Langenbecks Arch Surg 2006; 391: 61-67
  • 2 Aragon CL, Budsberg SC. Applications of Evidence-Based Medicine: Cranial cruciate ligament injury repair in the dog. Vet Surg 2005; 34: 93-98
  • 3 Evans RB, Godon-Evans WJ, Conzemius MG. Comparison of three methods for the management of fragmented medial coronoid process in the dog. A systematic review and meta-analysis. Vet Comp Orthop Traumatolog 2008; 21: 106-109
  • 4 Meyer-Lindenberg A, Langhann A, Fehr M et al Arthrotomy versus arthroscopy in the treatment of the fragmented medial coronoid process of the ulna (FCP) in 421 dogs. Vet Comp Orthop Traumatol 2003; 16: 204-210
  • 5 Tina T Ng, Marcia L McGory, Ko CY et al Meta-analysis in Surgery. Methods and Limitations. Arch Surg 2006; 141: 1125-1130