Fragestellung: Nicht zuletzt durch die Entwicklungen der modernen Onkologie rücken tumorspezifische
Therapien (TT) bei der palliativmedizinischen Versorgung auch unter dem Aspekt der
Symptomkontrolle in den Blickpunkt. Zur Häufigkeit, Indikation, Therapiemodus, Haltung
des Palliativteams, therapiebegrenzenden Kriterien, subjektivem Therapieerfolg und
klinischem Outcome von TT in primär palliativmedizinischen Behandlungskonzepten existieren
jedoch keine Daten. Methodik: Im Rahmen der Hospiz- und Palliativerhebung HOPE (Erhebungszeitraum 03–06/2007) wurden
mithilfe des Moduls Tumortherapie in ambulanten und stationären bzw. onkologischen, palliativmedizinischen und hospizlichen
Einrichtungen oben genannte Aspekte von TT bei Palliativpatienten abgefragt. Ergebnisse: 205 von 3184 erfassten Patienten erhielten eine oder mehrere, neu initiierte oder
fortgesetzte TT (6,4%). Mit Ausnahme der stationären Hospize wurden in allen palliativmedizinischen
Therapiebereichen Patienten unter TT betreut. Patienten unter TT und im Gesamtkollektiv
wiesen eine vergleichbares Alter auf (67,5 vs. 67,8 Jahre); in der TT-Gruppe wurden
jedoch weniger Sterbefälle dokumentiert (22,3% vs. 31,8%). Auf Palliativstationen
(PS) und in der Ambulanten Pflege (AP) verstarben mehr Patienten als in onkologischen
Therapiebereichen, mit oder ohne TT (24,4% PS bzw. 27,3% AP versus 8,7% onkol. Station
bzw. 11,9 Amb. Ärzte). Auf PS wurden 38,8% der TT mit dem Ziel der Symptomkontrolle
indiziert (24,0% aller TT mit dem Ziel einer Tumorregression); auf onkol. Stationen
findet sich ein umgekehrtes Verhältnis mit 28,6% (Symptomkontrolle) bzw. 38,1% (Tumorgrößenreduktion).
In 43,7% der TT wurden zytotoxische i.v. Chemotherapien appliziert. Der Therapieerfolg
wurde mit 2,68 (Skala 1–6) durch die dokumentierende Person eingeschätzt. Therapieentscheidungen
wurden zumeist konsensuell gefällt; die wenigen Dissensentscheidungen (5,6%) kumulierten
im Zusammenhang mit der Indikation „Symptomkontrolle“. Diskussion: TT sind bereits in den meisten Versorgungsbereichen für Palliativpatienten integriert.
Die Prognose der Patienten, die eine TT auf PS erhalten, ist besser als die anderer
PS-Patienten, jedoch deutlich schlechter als die von Patienten onkologischer Einrichtungen.
Auch Unterschiede in der Indikationsstellung und im Teamkonsens weisen auf heterogene
Gruppenmerkmale und einrichtungsabhängige Haltungen gegenüber „Palliativpatienten“
hin. Insofern beschreibt diese Untersuchung neue medikamentöse Konzepte in der Palliativmedizin
und gibt Hinweise auf unterschiedliche Voraussetzungen, Einschätzungen und Haltungen
in onkologischen und palliativmedizinischen Versorgungsbereichen.